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EU plant Krieg gegen somalische Piraten

"Atalanta"-Operation soll Befugnis zu Kampfeinsätzen auch an Land erhalten *

Die Opposition im Bundestag hat Pläne der EU kritisiert, somalische Piraten auch an Land und nicht nur auf hoher See zu bekämpfen. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, sagte am Donnerstag, das Vorhaben sei »abenteuerlich und politisch und operativ nicht seriös geplant«. Der Grünen-Politiker Omid Nouripour warnte, ein Einsatz am Strand sei »nicht wirklich zu begrenzen«.

Das Politische und Sicherheitspolitische Komitee der EU (PSK) hatte sich am 20. Dezember »mit der Zerstörung von Piraterielogistik am Strand« befaßt, wie ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums am Donnerstag in Berlin sagte. Das Oberkommando der EU-Antipiratenmission »Atalanta« sei dann damit beauftragt worden, Operationsplan und Einsatzregeln so zu überarbeiten, daß ein Bekämpfen der Piraten an Land künftig möglich ist. Der Sprecher bestätigte damit einen Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Donnerstag.

Danach könnten Angriffe auf die Piraten an Land von Armeehubschraubern aus geschehen. Theoretisch denkbar wäre auch der Einsatz von Bodentruppen. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin betonte aber, es gehe »ausschließlich um die Zerstörung von Piraterielogistik am Strand, nicht um einen Einsatz an Land«.

»Es ist zwar richtig, daß die Piraterie letztlich nur in Somalia besiegt werden kann«, sagte Arnold der Deutschen Welle zu dem Vorhaben der EU. »Dazu bedarf es aber eines einigermaßen stabilen Staates.« Man könne nicht aus der Luft Piraten an Land bekämpfen. »Die Risiken sind viel zu hoch, man bräuchte dazu auch Bodentruppen.«

Der für die Außenpolitik zuständige Unionsfraktionsvize Andreas Schockenhoff (CDU) sagte der Süddeutschen Zeitung dagegen, es sei »grundsätzlich sinnvoll, wenn geprüft wird, inwieweit die Operationsfähigkeit der Piraten auch durch Maßnahmen an Land unterbunden werden kann«. (AFP/jW)

* Aus: junge Welt, 30. Dezember 2011


"Atalanta" bald auch an Land

EU will Anti-Piraten-Operation vor Somalia ausweiten

Von René Heilig **


Einsatzkräfte der EU-Operation »Atalanta« am Horn von Afrika sollen demnächst auch an Land gegen somalische Piraten, ihre Boote und Einrichtungen vorgehen. Darauf einigten sich Kommandostellen in Brüssel. Die Aktion ist völkerrechtlich nicht sauber.

Stürmische Winde und Wellenhöhen von mehr als zwei Metern hinderten in den vergangenen Wochen Piraten vor der somalischen Küste und im Somaliabecken nördlich der Seychellen bis in den Ostteil des Golfs von Aden bei ihren Attacken. Es gab nur vereinzelt Meldungen über Überfälle, die zumeist erfolglos waren.

Die Lage schien sich zusätzlich zu bessern, nachdem man am 21. Dezember die »Savina Caylyn« für neun Millionen Dollar freigekauft hatte. Doch am Dienstag wurde dann der italienische Chemikalientanker »Enrico Ievoli« vor der Küste Omans gekapert. Nach Angaben des Reeders aus Neapel sind 18 Seeleute an Bord: sieben Inder, sechs Italiener, fünf Ukrainer.

Doch es hatte nicht eines neuen Überfalls bedurft, um das Sicherheitspolitische Komitee (PSK) der EU zu beauftragen, die Regeln für die seit 2008 laufende Operation »Atalanta« zu verschärfen. Das ist in Brüssel auch mit der NATO schon mehrfach diskutiert worden. Nun bestätigte das deutsche Verteidigungsministeriums der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung «, dass sich das PSK am 20. Dezember mit der »Zerstörung von Piraterielogistik am Strand« befasst habe. Der Auswärtige Dienst der EU sei gebeten worden, eine entsprechende Anpassung der Unterstützung mit der somalischen Übergangsregierung abzustimmen. Diese habe bereits Unterstützung signalisiert. Außerdem sollen Soldaten zur Sicherung von Schiffen des Welternährungsprogramms künftig autonomer agieren können. Generell wurde der Anteil von bewaffneten, zumeist privat angeheuerten Schutzteams an Bord von Frachtern erhöht. Die Niederlande wollen im kommenden Jahr aber auch Marineinfanterie auf Frachtschiffe abordnen.

Anfang Dezember hatte Deutschland im Hafen von Djibouti die »Atalanta«-Führung an Spanien übergeben. Am 22. Dezember war die Fregatte »Bayern« aus dem Einsatzgebiet wieder nach Wilhelmshaven zurückgekehrt. Laut Bundestagsbeschluss können für »Atalanta« bis zu 1400 Soldaten eingesetzt werden. Derzeit beteiligt sich Deutschland mit einer weiteren Fregatte an der Piratenabwehr. Im nächsten Frühjahr will die Marine wieder einen fliegenden Seeaufklärer sowie den Einsatzgruppenversorger »Berlin« ans Horn von Afrika schicken. Der hat zwei »Sea King«-Hubschrauber an Bord, mit denen Spezialteams über weitere Strecken transportiert werden können.

Operationen zu Lande werden mit Deutschen vorerst nicht zu machen sein. Dazu müsste ein grundsätzlich anderer Antrag ins Parlament eingebracht werden, der derzeit wenig Aussicht auf Zustimmung hat. Sogar die SPD, die bislang jeden Einsatz mitgetragen hat, winkt ab.

** Aus: neues deutschland, 30. Dezember 2011


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