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Anti-Terror-Kampf in Somalia – Testfall für verdeckte Kriegsführung der USA?

Ein Beitrag von Antje Diekhans aus der NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien" *


Andreas Flocken (Moderation):
Die US-Streitkräfte befinden sich im Umbruch. Nach den Vorstellungen der US-Militärs gehören offene Feldschlachten gegen Armeen anderer Staaten längst der Vergangenheit an. Man konzentriert sich stattdessen auf die verdeckte Kriegsführung, auf Operationen gegen Terroristen und nichtstaatliche Akteure. Instrumente hierfür sind u.a. Kommando-Einsätze und Drohnen, also unbemannte Flugzeuge. In Somalia wird dieser verdeckte Krieg bereits geführt - von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt. Antje Diekhans weiß mehr:


Manuskript Antje Diekhans

O-Ton Obama
(Beifall) Good job tonight. Good job tonight.”

„Ihr habt heute Nacht gute Arbeit geleistet“ gratulierte US-Präsident Obama seinem Verteidigungsminister Ende Januar nach einem Einsatz von Spezialkräften in Somalia. Die Eliteeinheiten der Navy Seals hatten eingegriffen – die gleiche Truppe, die auch das Versteck von Osama bin Laden in Pakistan gestürmt und den Terrorchef getötet hatte. Das US-Spezialkommando drang im Schutz der Dunkelheit mit Hubschraubern in Somalia ein und befreite zwei Geiseln, die von Piraten gefangen gehalten wurden. Keiner der Piraten überlebte die Aktion. Amerika wollte deutlich machen: Wir dulden es nicht, wenn US-Bürger entführt werden. US-Vizepräsident Joe Biden:

O-Ton Biden (overvoice)
„Der Einsatz war lange vorbereitet worden. Obama hat einen Tag vorher dann zugestimmt. Wir mussten eingreifen, weil sich der Gesundheitszustand einer Geisel deutlich verschlechtert hatte. Die Spezialkräfte haben mal wieder ihr Können unter Beweis gestellt – diese Jungs sind einfach unglaublich.“

Eine ungewöhnlich offene Stellungnahme. Sonst ist das Vorgehen der USA in Somalia meist geheime Verschluss-Sache. Wohl auch um zu vermeiden, dass sich das Desaster vom Beginn der neunziger Jahre wiederholt. Der Einsatz in dem ostafrikanischen Land war damals für die Weltmacht USA zu einem Alptraum geworden. Sie ließ sich von einem somalischen Kriegsherrn vorführen. Eine Katastrophe, die später von Hollywood unter dem Titel Black Hawk Down verfilmt wurde:

„Wir haben einen Blackhawk am Boden“, ging der Funkspruch der US-Armee raus. Die Somalier hatten zwei Hubschrauber abgeschossen. 18 GIs wurden getötet. Eine johlende Menge schleifte ihre Leichen vor laufenden CNN-Kameras durch den Staub von Mogadischu. Danach waren der US-Einsatz und die Mission der Vereinten Nationen in Somalia bald Geschichte. Das Land wurde zur No-Go-Zone und blieb sich selbst überlassen. Der UNO-Sondergesandte für Somalia, Augustine Mahiga, kritisiert das mangelnde Engagement der internationalen Gemeinschaft:

O-Ton Mahiga (overvoice)
„Der erste Fehler der Vereinten Nationen war, dass sie den Militäreinsatz in den neunziger Jahren vorzeitig abgebrochen haben. Somalia wurde buchstäblich aufgegeben. Kriegsfürsten und internationale Terroristen haben den Freiraum genutzt, der dadurch entstanden ist. Unter deren Einfluss ist das Land mehr und mehr zerfallen.“

Wechselnde Kriegsherren und Islamisten terrorisieren seit mehr als zwanzig Jahren die Bevölkerung. Die Al-Shabaab-Miliz, die große Teile Somalias unter ihrer Kontrolle hat, brüstet sich, eng mit Al Qaida zusammenzuarbeiten. Die USA können dem nicht tatenlos zusehen – aber ihr Engagement ist versteckt, sagt der Somalia-Experte Rashid Abdi, der verschiedene Organisationen und Botschaften berät:

O-Ton Abdi (overvoice)
„Mit der Regierung Obama hat ein Umdenken eingesetzt. Die USA setzen jetzt verstärkt auf Einzeloperationen und auf spezielle Taktiken. Beispielsweise werden die Navy Seals geschickt und es werden Drohnen eingesetzt. Die neue Sichtweise im Pentagon und auch innerhalb der CIA ist, dass die künftigen Kriege nicht mit großem Militäreinsatz geführt werden.“

Das Kämpfen überlassen die USA den anderen. Soldaten der Afrikanischen Union aus Uganda und Burundi gehen gegen die Islamisten vor. Mitte vergangenen Jahres ist es ihnen gelungen, Al Shabaab aus der Hauptstadt Mogadischu zu vertreiben. Im Oktober rückten dann auch noch Truppen aus dem benachbarten Kenia ein. Auslöser dafür waren Entführungen. Touristinnen und Helferinnen im Flüchtlingslager Dadaab waren nach Somalia verschleppt worden. Der kenianische Außenminister Moses Wetangula sagte damals:

O-Ton Wetangula (overvoice)
„Wir wollen die Grenze sichern. Wir sind stark genug, um unser Land und unsere Bevölkerung zu verteidigen. Niemand wird mehr nach Kenia eindringen und hier tun und lassen, was er will. Diese Zeiten sind vorbei.“

Die kenianischen Soldaten sollen jetzt in die Somalia-Mission der Afrikanischen Union eingegliedert werden. Die USA leisten finanzielle Unterstützung. Einem Bericht der WASHINGTON POST zufolge wurden seit 2007 mehr als 500 Millionen Dollar ausgegeben, um die AU-Truppen in Somalia auszubilden und auszurüsten – verglichen mit den Ausgaben im Irak oder Afghanistan ist das ein Kleckerbetrag. Aber das Augenmerk der US-Regierung scheint sich zuletzt mehr auf Ostafrika zu richten. Rashid Abdi:

O-Ton Abdi (overvoice)
„Im vergangenen Jahr haben sie ihr Militär hier verstärkt, Die USA haben Drohnen aus anderen Regionen hierher verlegt und eine Basis in Äthiopien eingerichtet. Auch Dschibuti wird verstärkt als Stützpunkt genutzt. Die Drohnen-Einsätze in Somalia haben stark zugenommen.“

Auch von den Seychellen starten die unbemannten Flugzeuge. Operationen unter strengster Geheimhaltung. Nur manchmal wird dann doch etwas bekannt – so wie Mitte vergangenen Jahres, als die USA mit einer bewaffneten Drohne versuchten, zwei ranghohe Mitglieder von Al Shabaab auszuschalten. Oder wenn mal wieder eine unbewaffnete Drohne abstürzt. Nach Augenzeugenberichten passierte das erst vor wenigen Tagen. Ein Aufklärungsflieger krachte in ein somalisches Flüchtlingslager in der Nähe von Mogadischu. Soldaten der Afrikanischen Union sollen die Drohne mitgenommen haben:

O-Ton Abdi (overvoice)
„Die Systeme sind anfällig. Auch wenn man nach Pakistan guckt – das Pentagon muss sich langsam Sorgen machen, wie häufig die Drohnen abstürzen. Sie fallen einfach vom Himmel.“

In Somalia werden den Experten zufolge vor allem unbewaffnete Drohnen eingesetzt. Ziel: Informationen über Al-Shabaab-Hochburgen sammeln. Das Material werde an die AU-Truppen weitergegeben. Rashid Abdi:

O-Ton Abdi (overvoice)
„Die Amerikaner sprechen nicht offen darüber. Sie geben nicht zu, dass die Geheimdienstinformationen auch von anderen genutzt werden. Aber das ist die Abmachung: Die USA helfen den AU-Truppen und den kenianischen Kräften, auf diese Weise gezielter vorzugehen. Die Kenianer planen, jetzt verstärkt aus der Luft anzugreifen. Die USA wollen nicht, dass sie dafür veraltete Daten nutzen, weil es dann mehr zivile Opfer geben könnte.“

Am Boden verbucht die kenianische Armee schon seit Wochen keine Erfolge mehr. Der Gegner hat sich unsichtbar gemacht. Die Al-Shabaab-Kämpfer haben sich in den Untergrund zurückgezogen – und sammeln dort ihre Kräfte. Aber nicht nur das macht es unwahrscheinlich, dass die Islamisten dauerhaft besiegt werden können:

O-Ton Abdi (overvoice)
„Es ist zwar gut, Al Shabaab militärisch unter Druck zu setzen. Aber gleichzeitig muss an politischen Lösungen gearbeitet werden. Die Regionen, aus denen die Islamisten vertrieben wurden sind Niemandsland – Clan-Führer bewaffnen sich hier wieder, es ist wie ein Rückfall in alte Zeiten. Alle sind so darauf aus, Al Shabaab zu besiegen, dass keiner darüber hinaus denkt.“

Es fehlt an einer Strategie für Somalia – auch wenn die USA im Hintergrund mehr und mehr ihre Muskeln spielen lassen. Allein mit militärischen Mitteln lässt sich keine Zukunft für das ewige Kriegsland erkämpfen. Das Land ist zerrüttet, ein Großteil der Bevölkerung ist auf Unterstützung von außen angewiesen. Der Leiter einer lokalen Hilfsorganisation in Mogadischu, Omar Olad, rechnet wie die meisten in Somalia nicht mehr damit, irgendwann Frieden zu erleben:

O-Ton Olad (overvoice)
„In diesem Land gilt das Gesetz des Dschungels. Jeder kann jederzeit erschossen werden; Plünderungen und Vergewaltigungen sind alltäglich. Für uns gibt es bis heute nicht einen Funken Hoffnung.“

* Aus: NDR Info Sendereihe "Streitkräfte und Strategien", 11. Februar 2012


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