Zwei Bomben
Blutbad in einer Moschee in der somalischen Hauptstadt Mogadischu. Mindestens 35 Tote und über 70 Verletzte
Von Knut Mellenthin *
Bei einem Anschlag auf eine Moschee in der somalischen Hauptstadt Mogadischu sind am Sonnabend (1. Mai) mindestens 35 Menschen ums Leben gekommen. Über 70 wurden verletzt, von denen einige noch in Lebensgefahr sind.
Kurz hintereinander explodierten während eines Gottesdienstes in der Abdalla-Schideje-Moschee zwei Bomben. Das Gebäude liegt in der Nähe des Bakara-Marktes in einem Viertel, das sich fest in den Händen der bewaffneten islamistischen Opposition befindet. Es war innerhalb weniger Tage der zweite Angriff auf eine Moschee in diesem Viertel. Am Dienstag war eine Landmine in der Abu-Hureja-Moschee explodiert und hatte einen Menschen getötet. Beide Moscheen werden von der islamistischen Al-Schabaab kontrolliert, die dort ihre religiösen und politischen Botschaften verkündet. Ein führendes Mitglied der Organisation wurde bei der Explosion am Sonnabend verletzt. Angeblich hatte der Mann, der auf den schwarzen Listen der US-Regierung und des UN-Sicherheitsrates steht, als Prediger den Gottesdienst geleitet.
Bis zum frühen Sonntag nachmittag (2. Mai) wurde keine »Bekennererklärung« bekannt. Alle am Bürgerkrieg beteiligten Seiten haben den Anschlag auf die Abdalla-Schideje-Moschee scharf verurteilt und ihr Mitgefühl für die Opfer und Hinterbliebenen ausgedrückt. Ein Sprecher der von der UNO eingesetzten, nicht demokratisch legitimierten Übergangsregierung (TFG) versicherte, daß diese nichts mit dem Attentat zu tun habe. Al-Schabaab gibt »lokalen Kollaborateuren ausländischer Söldner« die Schuld. Die Islamisten hatten schon im Januar gemeldet, daß Mitarbeiter der besonders durch ihre Verbrechen im Irak bekannten US-Söldnerfirma Blackwater, die sich jetzt Xe International nennt, in Mogadischu eingetroffen seien, um Provokationen zu inszenieren.
Interessierte Kreise lancierten am Wochenende das Gerücht, daß die mit Al-Schabaab konkurrierende zweite große islamistische Gruppierung Somalias, Hisbul Islam, hinter den Anschlägen auf die Moscheen stehen könnte. Das ist indessen unwahrscheinlich, nicht nur wegen der klaren Verurteilung der Attentate durch die Hisbul Islam. Beide fundamentalistischen Organisationen existieren in Mogadischu friedlich nebeneinander, arbeiten zusammen und tragen in der Hauptstadt keine Kämpfe aus.
Nur im äußersten Süden des Landes, besonders in der Umgebung der Hafenstadt Kismajo, gab es vor einigen Monaten Gefechte zwischen ihnen. Auf seiten der Hisbul Islam, deren Angriff diese Kämpfe auslöste, lag die Führung bei einem berüchtigten Warlord, der unter dem Namen Madobe bekannt ist. Al-Schabaab erklärte damals schon, Madobe führe einen Privatkrieg, mit dem die Hisbul Islam nichts zu tun habe. Diese Interpretation hat in der vergangenen Woche auch der Vorsitzende der Hisbul Islam übernommen: Madobe habe sich mit der Übergangsregierung sowie den Nachbarstaaten Äthiopien und Kenia verbündet. Er gehöre nicht mehr zur Hisbul Islam. Möglicherweise sind die Drahtzieher der Moschee-Attentate in den Kreisen um Madobe zu suchen. Der Zweck, durch das Blutbad die beiden größten islamistischen Organisationen Somalias aufeinanderzuhetzen, liegt jedenfalls auf der Hand.
Indessen wird berichtet, daß »Hunderte« Soldaten der Übergangsregierung, die im Rahmen eines von den USA bezahlten Programms ausgebildet worden waren, desertiert sind. Teils seien sie in ihre Heimat zurückgekehrt, teils zu den Islamisten übergelaufen. Der Verteidigungsminister der TFG bestätigte am Freitag eine entsprechende AP-Meldung, daß dieSoldaten seit fast einem Jahr keinen Lohn mehr bekommen hätten. Das von den USA und anderen Staaten zu diesem Zweck zur Verfügung gestellte Geld war in privaten Taschen gelandet. Der Vorgang wirft ein Licht auf die Aussichten der EU-Trainingsmission, die dieser Tage in Uganda beginnt. Unter Beteiligung der Bundeswehr sollen 2000 Soldaten für die Übergangsregierung ausgebildet werden. Die deutsche Regierung hat diesen Militäreinsatz ohne Bundestagsabstimmung angeordnet.
* Aus: junge Welt, 3. Mai 2010
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