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"Systematisch zerstören"

Afrikanische Union will Intervention in Somalia verstärken. Antrag an UN-Sicherheitsrat

Von Knut Mellenthin *

Die Afrikanische Union hat den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, einer massiven Ausweitung der internationalen Streitkräfte zuzustimmen, die in Somalia gegen die islamistische Organisation Al-Schabab kämpfen. Das Gremium in New York wird sich voraussichtlich am Mittwoch mit dem Antrag der Dachorganisation aller Staaten des Kontinents beschäftigen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat schon erkennen lassen, daß er hinter den Forderungen der AU steht.

Einem am Sonnabend (7. Jan.) veröffentlichten Kommuniqué zufolge hat der Friedens- und Sicherheitsrat der AU, eine Art politischer Leitung der Organisation, am Donnerstag im wesentlichen beschlossen, die genehmigte Obergrenze der afrikanischen »Friedensmission« AMISOM, die seit dem Frühjahr 2007 in der somalischen Hauptstadt Mogadischu stationiert ist, von 12000 auf 17700 Mann zu erhöhen. Real ist die Truppe zur Zeit knapp 10000 Soldaten stark und besteht aus jeweils mehreren tausend Ugandern und Burundern, sowie seit wenigen Wochen auch aus einigen hundert Soldaten aus Dschibuti. Die neue Personalstärke der AMISOM soll in erster Linie dadurch erreicht werden, daß rund 5000 kenianische Militärangehörige, die seit Oktober in Südsomalia operieren, formal der »Friedensmis­sion« unterstellt werden.

Zweitens sollen AMISOM-Soldaten die in jüngster Zeit von äthiopischen Truppen besetzten Gebiete im zentralsomalischen Grenzbereich, einschließlich der Stadt Beledweyne, übernehmen. Angeblich hat die Regierung in Addis Abeba den Wunsch geäußert, ihre Streitkräfte möglichst schnell wieder aus Somalia abzuziehen. Um diese Umgruppierungen zu legalisieren, soll das bisher auf Mogadischu beschränkte Mandat der AMISOM auf »alle befreiten Gebiete« Somalias ausgeweitet werden.

Der UN-Sicherheitsrat wird weiter ersucht, den Beschlüssen der AU umgehend seinen Segen zu erteilen, »um die einmalige Chance zu nutzen«, die in den vergangenen Monaten durch die militärischen Erfolge der Interventionsstreitkräfte geschaffen worden sei, und die Bodengewinne zu konsolidieren. Ein entsprechender Beschluß des UN-Gremiums soll in erster Linie dazu dienen, eine politische und rechtliche Grundlage für die internationale Unterstützung der erweiterten AMISOM zu schaffen. Im selben Sinne appelliert die AU auch an die Europäische Union, die maßgeblich an der Finanzierung der Militärintervention beteiligt ist.

Der Vorsitzende des Friedens- und Sicherheitsrats der AU, der Algerier Ramtane Lamamra, erklärte zu den jüngsten Beschlüssen, daß die gemeinsame Offensive der internationalen Streitkräfte auf dem Wege sei, Al-Schabab »systematisch zu zerstören«. Jetzt gehe es darum, Finanzmittel und militärische Ausrüstung zur Verfügung zu stellen, um durch einen entscheidenden Stoß bis zum August die Vernichtung der Islamisten zu erreichen.

Indessen hat sich in der zwar international anerkannten, aber nicht demokratisch legitimierten somalischen Übergangsregierung eine neue Konfrontation aufgebaut. Das Parlament hat seinem Sprecher Scharif Hassan Scheich Aden das Mißtrauen ausgesprochen und am vorigen Mittwoch einen Nachfolger gewählt. Präsident Scheich Scharif Ahmed und Premierminister Abdiweli Gaas erklärten jedoch, daß sie diese Entscheidung nicht anerkennen, und drohten mit Strafmaßnahmen gegen die Abgeordneten. Sie wollen bis Juni durchsetzen, daß das Parlament von derzeit 550 auf nur noch 225 Mitglieder verkleinert wird. Zugleich sollen die für August geplanten, ohnehin schon mehrmals verschobenen Wahlen erst 2016 stattfinden.

* Aus: junge Welt, 9. Januar 2012


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