Slowenien sucht neue Regierung
Alenka Bratušek soll das Zwei-Millionen-Volk aus der Krise führen
Von Rudolf Gruber, Wien *
Das Volk wurde erhört: Janez Janša muss das Amt des slowenischen Regierungschefs abgeben. Als Nachfolgerin soll sich als erste Frau an der Regierungsspitze des Landes Alenka Bratušek versuchen.
»Diebe! Betrüger!« riefen seit November Tausende Slowenen bei landesweiten Protesten. Es war nicht nur ein Aufstand gegen die rigorose Sparpolitik der Regierung, gegen mehr als zwölf Prozent Arbeitslosigkeit und wachsende Armut. Es war auch ein Aufstand gegen Machtarroganz und Korruption.
Seit im Januar die Anti-Korruptionsbehörde gegen Premier Janez Janša Vorwürfe erhob, er könne die Herkunft von 210 000 Euro auf seinem Privatkonto nicht schlüssig erklären, begann seine Regierung zu zerbröseln. Janša, der jegliches Fehlverhalten zurückweist, verlor die Mehrheit im Parlament. Ein linksliberales Oppositionsbündnis brachte einen Misstrauensantrag ein, über den am späten Mittwochabend abgestimmt wurde: Mit 55 gegen 33 Stimmen wurde Janša, einer der rechten Vorkämpfer der Unabhängigkeit und Chef der konservativen Demokratischen Partei (DS), abgewählt.
Nachfolgerin soll die 42-jährige Alenka Bratušek werden, provisorische Vorsitzende der Partei Positives Slowenien (PS). Die Finanzexpertin ist politisch wenig erfahren, erst 2011 stieg sie als Abgeordnete in die Politik ein.
Schon am Donnerstag nahm sie Beratungen über die Bildung einer linksliberalen Vier-Parteien-Koalition auf, wofür zwei Wochen Zeit bleiben. Die PS ist zwar stärkste Kraft im Parlament, die künftig mitregierenden Sozialdemokraten (SD), die Rentnerpartei und die liberale Bürgerliste gelten allerdings als schwierige Partner. Bis die neue Regierung steht, bleibt Janša geschäftsführend im Amt.
Auch die neue Regierung, wenn sie zustande kommt, hat bereits ein Ablaufdatum: Reguläre Wahlen wären erst Ende 2015, doch trommeln Sozialdemokraten und Bürgerliste für Neuwahlen in einem Jahr. Denn auch die PS ist mit einer Affäre belastet: Die designierte Regierungschefin verdankt ihren Aufstieg nur dem Umstand, dass gegen ihren Parteichef Zoran Jankovic, Bürgermeister der Hauptstadt Ljubljana, wegen Amtsmissbrauchs und Korruptionsverdachts ermittelt wird.
Bratušek will durch Lockerung der Sparpolitik die Sympathien der Bevölkerung gewinnen. »Unsere Priorität ist Wachstum und Arbeit«, sagte sie in ihrer ersten Rede und versprach: »Ein griechisches Szenario wird es in Slowenien nicht geben.« In der EU-Zentrale in Brüssel fürchtet man, dass die Sparanstrengungen nachlassen und dass Slowenien am Ende doch noch unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen muss.
Das einstige Musterland unter den »Reformstaaten« steht praktisch am Rande des Staatsbankrotts: Die internationale Wirtschaftskrise trieb Slowenien in die Rezession, 2012 schrumpfte die Wirtschaft um 2,3 Prozent, die Exporte sind eingebrochen. Trotz Kürzungen im Sozial- und Gesundheitswesen, bei Sozialausgaben, im öffentlichen Dienst und bei Renten wird in diesem Jahr ein Haushaltsdefizit von mehr als fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwartet. Und allein die Banken, die auf faulen Krediten sitzen, bräuchten zur Sanierung laut EU-Experten fünf Milliarden Euro.
* Aus: neues deutschland, Freitag, 01. März 2013
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