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Neue Linke auf Sloweniens politischer Bühne

Bündnis hofft auf Einzug in das Europa- und nationale Parlament

Von Jerko Bakotin *

Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament wird sich eine neue linke Kraft um eines der acht Mandate Sloweniens bewerben. Trotz geringer Erfolgschancen strahlen die Aktivisten Zuversicht aus.

Slowenien hat wieder eine ernsthafte sozialistische Partei, seit am 8. März in Ljubljanas »Haus der Spanienkämpfer« die Initiative für Demokratischen Sozialismus (IDS) gegründet wurde. Schon eine Woche zuvor hatte sich das Bündnis »Vereinigte Linke« vorgestellt, das neben der IDS auch die Demokratische Partei der Arbeit und die Partei für die Ökosozialismus und nachhaltige Entwicklung Sloweniens umfasst. Bei der Vorstellung war als Repräsentant der Europäischen Linken der Vorsitzende der griechischen SYRIZA, Alexis Tsipras, zugegen. Das Bündnis will an den Europawahlen am 25. Mai teilnehmen, um womöglich einen der acht slowenischen Sitze im Europäischen Parlament zu erobern. Umfragen billigen der neuen Partei allerdings nur etwa drei bis fünf Prozent der Wählerstimmen zu, und die würden für ein Mandat nicht reichen.

»Wir sind noch nicht gut in der slowenischen Öffentlichkeit bekannt. Aber Meinungsumfragen zeigen, dass 46 Prozent der Bevölkerung Sozialismus für ein besseres System als Kapitalismus halten«, sagt Luka Mesec, Koordinator der IDS. Auch wenn der Einzug ins EU-Parlament nicht gelänge, wäre das für ihn keine Enttäuschung. »Ins slowenische Parlament würden wir sicher kommen«, ist der junge Politiker überzeugt. Die Öffentlichkeit habe die Partei als legitime Option akzeptiert, und das nach zwanzigjähriger Dämonisierung des Sozialismus. Die Partei sei notwendig »weil es auf Sloweniens politischer Bühne bisher keine Linke gab, keine Kraft, die sich für die Interessen der arbeitenden Bevölkerung einsetzt«, sagt Mesec.

Slowenien galt lange als Beispiel für einen erfolgreichen Systemwechsel. Nicht nur, dass die Lage slowenischer Arbeiter besser als in anderen früher sozialistischen Staaten war. Der slowenische Staat hatte auch einen bedeutenden Anteil am Bankensektor für sich bewahrt. Das slowenische Modell war, wie Mesec erläutert, »eine Kopie des deutschen regulierten Kapitalismus, mit einem Kompromiss zwischen Kapital und Gewerkschaften«. Aber das ging mit dem EU-Beitritt 2004 zu Ende. Es gibt keine selbstständige Fiskal- und Industriepolitik mehr, keine flexible Geldpolitik, stattdessen immer mehr Liberalisierung und Privatisierung. Das ist nicht mehr das Slowenien des Übergangs, sondern ein Staat, der immer mehr Griechenland ähnelt.«

Nach dem Ausbruch der Krise musste auch Slowenien zu Sparmaßnahmen greifen. Zurzeit beträgt die Arbeitslosenrate nach offiziellen Angaben 14,2 Prozent, der höchste Wert seit 1993. Noch vor sechs Jahren lag sie bei 6,2 Prozent. 2012 und 2013 erlebte Slowenien die größten Proteste gegen die politische und wirtschaftliche Eliten seit der Unabhängigkeitserklärung. Unter den Demonstranten waren auch die Gründer der IDS. Die Partei befürwortet die Nationalisierung der bankrotten Betriebe und deren Umwandlung in Richtung der Selbstverwaltung, wobei man »aus den Erfahrungen des jugoslawisches Sozialismus lernen« müsse, betont Luka Mesec.

Der linksorientierte Soziologe Rastko Močnik von der Universität Ljubljana bestätigte, dass jetzt ein politisches Klima herrsche, »das die Gründung einer sozialistischen Partei begünstigt«. Die Regierung des Konservativen Janez Janša, der wegen Korruptionsvorwürfen zurücktrat und – noch nicht rechtskräftig – zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde, überlebte kaum mehr als ein Jahr. Auch das liberal-sozialdemokratische Kabinett seiner Nachfolgerin Alenka Bratušek ist »nach etwas mehr als einem Jahr schon delegitimiert«, wie Močnik sagt. Nach neueren Umfragen könnte Bratušeks Partei »Positives Slowenien« heute nur noch mit 5 bis 10 Prozent der Wählerstimmen rechnen, während Janšas Slowenische Demokratische Partei (SDS) auf mehr als 20 Prozent käme.

Zwar ist es Bratušek gelungen, Diktate der Troika aus EU, EZB und IWF zu vermeiden und die slowenischen Finanzen zu stabilisieren. Aber nach Ansicht des Soziologen betreibt Bratušek eigentlich die gleiche Sparpolitik wie Janša, nur die Rhetorik sei ein bisschen milder. »Die Regierung hat die Banken mit Geld aus dem Haushalt saniert, ohne die exzessiven Einkommen der Manager begrenzen zu können. Noch vor ein paar Monaten war die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit das Hauptthema, jetzt sind es die Fiskalregeln«.

Das Problem der IDS besteht, wie Rastko Močnik sagt, darin, dass die Partei »von oben, von Aktivistengruppen gegründet wurde. Sie hat noch keinen Ansatz dafür gefunden, wie man sich den prekär Beschäftigten annähert. Die einzige Partei, die in kleineren Orten stark vertreten ist, ist Janšas SDS. Der IDS steht also noch harte Feldarbeit bevor.«

* Aus: neues deutschland, Montag 28. April 2014


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