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Populismus bestimmt Wahlen in der Slowakei

Regierungschef Fico wird eine Niederlage prophezeit

Von Jindra Kolar, Prag *

In der Slowakei wird an diesem Sonnabend (12. Juni) ein neues Parlament gewählt. Umfragen zufolge könnte der lange Zeit als Favorit gehandelte jetzige Regierungschef Robert Fico von der sozialdemokratischen Partei Smer eine Wahlniederlage erleiden.

Zwei Tage vor der Wahl setzten Ficos Gegner ein Audio in Umlauf, das beweisen soll, er habe im Jahr 2002 seiner Partei eine illegale Wahlkampfspende in Höhe von 75 Millionen slowakischer Kronen organisiert. Der von der Tageszeitung »SME« veröffentlichte Mitschnitt einer Pressekonferenz soll offenbar die Position des Premiers destabilisieren, dessen Partei im Vorfeld auf den Finanzskandal der christdemokratischen SDKU aufmerksam gemacht hatte.

Unter der Regierungszeit des SDKU-Chefs Mikulas Dzurinda soll die Partei Geldwäsche betrieben und schwarze Konten in Dubai, London und anderen Steuerparadiesen angelegt haben. Zwar bestritten die Christdemokraten diese Vorwürfe auf das Heftigste, doch trat Dzurinda als Spitzenkandidat seiner Partei zurück.

Überhaupt ist der Wahlkampf zwischen Bratislava und Kosice mehr von populistischen Auftritten und Vorwürfen geprägt als von inhaltlichen Diskussionen.

Vor allem die Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft, die in den vergangenen Tagen aus Budapest in den Nachbarstaat getragen wurde, heizte die Stimmung an. Die ungarischen Nationalisten – in der Slowakei in der Minderheit – führen einen Wahlkampf mit der Angst, ihre Rechte würden missachtet werden. Auf den Erlass der ungarischen Regierung, Ungarn auch außerhalb der Landesgrenzen könnten bürokratielos die ungarische Staatsbürgerschaft erwerben, reagierte die Fico-Regierung mit Härte: Wer die ungarische Staatsbürgerschaft annehme, verliere die slowakische, hieß es deutlich aus Bratislava.

Im Spiel um die Macht wird auch gern die »griechische Karte« gezogen: Die Mitte-Rechts-Parteien, Christdemokraten und die neu auf der politischen Bühne agierende Partei Sloboda a Solidarita (SaS – Freiheit und Solidarität), geben zu bedenken, dass die Slowakei unter Robert Fico gegenwärtig einen Haushalt mit einer Neuverschuldung von fast sieben Prozent führt.

Die Sozialdemokraten nehmen hingegen für sich in Anspruch, dass das Land mit vier Prozent Steigerung das höchste Wirtschaftswachstum innerhalb der EU verzeichnet und man in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode erfolgreich der Euro-Zone beigetreten sei.

Dies wiederum sei auch eine große Gefahr, betont SaS-Chef und Wirtschaftsexperte Richard Sulik. Die Slowakei brauche mehr Wirtschaftsliberalismus, propagiert der Neuaufsteiger.

Die SaS wendet sich vor allem an junge Wähler aus der Unternehmerschaft, man erhofft sich vom Wahlgang an diesem Wochenende einen ähnlichen Stimmenzuwachs, wie sie in Prag die TOP 09 erzielen konnte. »Wir hoffen, dass wir den Bolschewiken in die Pampa schicken können«, erklärte Sulik dieser Tage gegenüber dem österreichischen »Standard«.

Politologen sagen für den Wahlausgang eine ähnliche Situation wie in Tschechien voraus: Smer könnte den Sieg davontragen, doch die bisherigen Koalitionspartner könnten Robert Fico abhanden kommen. Dann könnte eine Koalition aus SDKU und SaS die Chefsessel in Bratislava besetzen.

* Aus: Neues Deutschland, 12. Juni 2010


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