Ficos Frist in Bratislava läuft ab
Tauziehen um die Macht nach dem knappen Wahlausgang in der Slowakei
Von Jindra Kolar, Prag *
Die Regierungsbildung in Bratislava ist nach einem Wahlergebnis ohne klare Mehrheiten schwierig.
Der amtierende Ministerpräsident Fico will mit der christdemokratischen Partei KDH
zusammengehen, doch die katholische Kirche ist dagegen. Heute läuft die von Staatspräsident
Gasparovic gesetzte Frist für Fico zur Bildung einer funktionsfähigen Regierung ab.
Der Wahlsieger und Vorsitzende der sozialdemokratischen Smer-SD, Robert Fico, beharrt darauf,
weiterhin die Regierung in Bratislava zu stellen. Fico erklärte, er habe den deutlichen Wählerauftrag,
dies zu tun, mit 62 Mandaten stelle seine Partei immerhin die größte Fraktion im slowakischen
Nationalrat. Dies ist richtig, nur reichen diese bei 150 Parlamentssitzen nicht aus, um sorglos eine
Regierung bilden zu können. Fico braucht unbedingt einen Koalitionspartner.
Doch die bisherigen können ihm bei der Lösung des Problems nicht helfen. Vladimir Meciars
Bewegung für eine demokratische Slowakei hat es nicht vermocht, ihre politischen Ziele ins
Parlament zu tragen. Und die Nationalisten um Jan Slota stellen zu wenig Abgeordnete, um eine
regierungsfähige Mehrheit zu bilden. Die christdemokratische Partei SDKU des früheren Premiers
Dzurinda und der jetzigen Spitzenkandidatin Iveta Radicova meldet selbst Anspruch auf die
Regierungsbildung an. Und die konservativ-katholisch ausgerichtete KDH hält sich Verhandlungen
nach beiden Richtungen offen. Robert Fico schlug ihr eine Regierungsbeteiligung vor, die
Koalitionsgespräche laufen. Gerüchten zufolge soll der Smer-Chef der KDH sogar den Posten des
Regierungschefs sowie die Hälfte aller Ministersessel angeboten haben. Das jedoch dementierte
Fico als völlig absurd – die Sitzverteilung im Parlament sei so unterschiedlich, dass ein solcher
Handel nicht in Frage komme. Zumindest aber machte Fico Zugeständnisse an das bürgerliche
Lager. Man werde den Solidarpakt mit Griechenland zur Stützung des Euro vorerst nicht
unterzeichnen, erklärte er, die politische Lage in Bratislava erlaube das zurzeit nicht.
Die katholische Kirche hat jedenfalls schon vorsorglich ihr Veto eingelegt. Kardinal Tomko wetterte:
»Es gefällt mir überhaupt nicht, wenn die KDH mit Smer koalieren würde.« Und die KDH selbst
fragte vorsichtshalber beim Vatikan an, was man in Rom von einer solchen Liaison halte. Vor Jahren
war die Verbindung der beiden christdemokratischen Parteien an der Frage gescheitert, wie man
sich zur Schwangerschaftsverhütung und -unterbrechung verhielte. Die KDH folgte dem Vatikan und
verließ die Dzurinda-Regierung, worauf vorgezogene Neuwahlen angesetzt werden mussten. Eine
Koalition zwischen Smer und KDH dürfte daher in vielen Fragen nicht einfach sein.
Derweil hat die Spitzenkandidatin des bürgerlichen Lagers, die frühere Sozialministerin Iveta
Radicova, ihren Anspruch auf den Chefsessel auf der Burg in Bratislava erneut bekräftig. Man sei
mit den Koalitionsverhandlungen schon weit vorangeschritten, betonten die Vorsitzenden von SDKU,
dem Neueinsteiger SaS ( Sloboda a solidarita – Freiheit und Solidarität), der gemäßigten
Ungarnpartei Most-Hid sowie eben auch der KDH. Das Tauziehen um die Macht im kleinen
Donaustaat geht also weiter. Heute läuft die von Staatspräsident Ivan Gasparovic nochmals
verängerte Frist für Fico zur Bildung einer funktionstüchtigen Regierung ab.
* Aus: Neues Deutschland, 23. Juni 2010
Zurück zur Slowakei-Seite
Zurück zur Homepage