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Singapur spielt Tiger

Krise überwunden: Fernöstlicher Stadtstaat erzielte im vergangenen Quartal rekordverdächtige Wachstumsraten

Von Thomas Berger *

Für Singapur scheint die globale Wirtschafts- und Finanzkrise vorüber. Obwohl der südostasiatische Stadtstaat mit seiner besonderen Struktur nicht mit Flächenstaaten vergleichbar ist, konnte er im vergangenen Quartal ein rekordverdächtiges Wachstum von 32,1 Prozent hinlegen -ein Wert, wie er seit Beginn der Datenerhebung Mitte der siebziger Jahre nicht erreicht worden ist. Vor allem die Exportbranche hat sich mehr als erholt und meldet beachtliche Zuwachsraten.

Allein im März konnten die Ausfuhren (ohne Erdölsektor) gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres um 26,6 Prozent zulegen. Die Warenverkäufe in die USA stiegen um 11,8 Prozent, noch einmal eine Verdopplung gegenüber der bereits im Februar verbuchten Rate von 5,7 Prozent. Auch in China (12,9 gegenüber 8,3 Prozent) wurden mehr Güter abgesetzt. Lediglich beim Verkauf in die EU-Staaten gab es gegenüber dem Februar einen Rückgang von 35,1 auf 25 Prozent.

Wirtschaftsexperten werten die aktuellen Zahlen des ehemaligen Tigerstaates (so wurden die ökonomisch aufstrebenden Länder der Region in der Boomphase vor dem Absturz Ende des vergangenen Jahrhunderts bezeichnet) nicht als Ausrutscher, sondern einen stabilen Aufschwung. Die Zentralbank hat bereits mit einer Freigabe der vorher an den US-Dollar gekoppelten Landeswährung reagiert. Der damit erstarkende Singapur-Dollar könnte Vorbild für China sein, sagte Premier Lee Hsien Loong und schlug Peking vor, den niedrig gehaltenen Yuan ebenfalls im Wert gegenüber westlichen Währungen steigen zu lassen.

Obwohl die Krise 2008 auch am Stadtstaat nicht spurlos vorübergegangen ist, befindet sich Singapur im Aufwind. Öffentliche Investitionen im Infrastrukturbereich tragen mit dazu bei: Gerade wurden elf (!) weitere Stationen auf der Ringbahnlinie der U-Bahn eröffnet. Die Zahl der täglich mit der Metro durch die Metropole beförderten Fahrgäste soll damit auf 200000 ansteigen.

Singapur ist vor allem Teil der weltgrößten Freihandelszone, die seit Jahresbeginn zwischen Südostasien, China sowie Australien und Neuseeland bis 2015 schrittweise entwickelt wird. Einer exportorientierten Wirtschaft kommt es besonders zugute, wenn Zollschranken wegfallen oder in der gegenwärtigen Phase drastisch reduziert werden. Hinsichtlich der Geschwindigkeit der Erholung steht der Stadtstaat an der Spitze der Mitglieder des ASEAN-Verbunds. Aber auch für Indonesien haben Ökonomen aktuell errechnet, daß 5,5 Prozent Wachstum für dieses Jahr zu niedrig angesetzt seien - bereits 2009 waren es viereinhalb Prozent Zuwachs gewesen. Auch Malaysia legt zu. Lediglich Thailand und die Philippinen mit ihren innenpolitischen Problemen sind unter den Wirtschaftsnationen der Region von einem Konjunkturaufschwung noch ein ganzes Stück entfernt.

* Aus: junge Welt, 20. April 2010


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