Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Mugabe drängt zu schneller Wahl

Angst vor politischer Gewalt in Simbabwe wächst

Von Armin Osmanovic, Johannesburg *

Geht es nach dem 89-jährigen Präsidenten Robert Mugabe, soll in Simbabwe noch in diesem Monat gewählt werden. Unterstützung erhält er vom Verfassungsgericht, das ebenfalls auf schnelle Wahlen drängt.

Robert Mugabe und seine Partei ZANU-PF rechnen sich gute Chancen auf einen Wahlsieg aus, denn der ungeliebte Regierungspartner, die ehemals oppositionelle Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC), hat in der Bevölkerung an Rückhalt verloren. Eine Anfang des Jahres veröffentlichte Umfrage sieht die ZANU-PF deutlich vor der MDC.

Hauptgrund für die Enttäuschung vieler Simbabwer über die MDC und deren Spitzenmann, Premierminister Morgan Tsvangirai, ist die anhaltende wirtschaftliche und soziale Misere. Man hatte sich einfach mehr versprochen von der MDC. Zwar ist die Inflation seit Einführung des US-Dollars als Währung zurückgegangen, doch Arbeitslosigkeit und Armut haben kaum abgenommen. Vorgeworfen wird den MDC-Ministern aber auch, dass sie sich in ihren Regierungsämtern von den Problemen der Bevölkerung entfernt hätten.

Mugabe hat es in den vergangenen Jahren verstanden, die MDC mit langwierigen Auseinandersetzungen in der Regierung zu beschäftigen. Und er hat die politische Tagesordnung im Lande weiter bestimmt. So etwa mit seinem Vorstoß, ausländische Unternehmen zu zwingen, die Mehrheit der Anteile »einheimischen« Investoren zu überschreiben. Diese Form der Nationalisierung ist bei vielen Simbabwern populär. Selbst die heiß umkämpfte Landreform, die mit wilden Besetzungen durch treue Anhänger der ZANU-PF verbunden war, hat heute mehr Anhänger als früher, da einige der neuen Kleinbauern durchaus erfolgreich wirtschaften.

Am Rande der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der Afrikanischen Union in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba machte Mugabe den Versuch, die Staats- und Regierungschefs der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft SADC für rasche Neuwahlen in Simbabwe zu gewinnen. Doch wie Tsvangirai, der mehr Zeit braucht, um seine Wähler zu mobilisieren, wollen auch die SADC-Führer nichts überstürzen. Jacob Zuma, Südafrikas Präsident und von der SADC beauftragter Vermittler, wies in einem Bericht auf ungelöste Probleme hin, die Wahlen entgegenstehen.

Größtes Hindernis ist danach die Weigerung der führenden Militärs, womöglich einen Präsidenten Tsvangirai zu akzeptieren. Die SADC drängt die simbabwische Militärführung, jedes demokratisch zustande gekommene Wahlergebnis zu respektieren. Das Militär ist jedoch eng mit der seit 1980 regierenden ZANU-PF verbunden. Die Generäle kämpften einst als bewaffnete Rebellen zusammen mit Mugabe gegen das weiße Siedlerregime des Ian Smith. Sie sind heute aber auch wirtschaftlich eng mit den Machthabern verflochten und an den Minengeschäften beteiligt.

Die SADC und Mugabe streiten überdies über die Überwachung und die Durchführung der Wahlen. Zwei von der SADC bestellte Wahlkontrolleure sind der ZANU-PF nicht genehm. Ärger gibt es aber vor allem wegen der Finanzierung: Mugabe will, dass Südafrika die Wahlen des klammen Landes bezahlt. Der Nachbar möchte aber eine direkte Überweisung des Geldes an Simbabwe vermeiden und bevorzugt stattdessen die Finanzierung durch die Vereinten Nationen oder die SADC. Eine Wahlbeobachtung durch die Vereinten Nationen wiederum hat Simbabwes Präsident ausgeschlossen, dennoch wurden beim UN-Entwicklungsprogramm 135 Millionen US-Dollar für die Wahlen beantragt.

Unterdessen wächst die Besorgnis, dass die politische Gewalt vor den Wahlen zunehmen könnte. 2008 starben nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen vor und nach dem Urnengang über 200 Menschen bei Auseinandersetzungen zwischen Anhängern von ZANU-PF und MDC.

* Aus: neues deutschland, Montag, 10. Juni 2013


Keine Zeit für Zuma

Robert Mugabe läßt Simbabwe-Gipfel der SADC platzen

Von Christian Selz **


Der für den gestrigen Sonntag geplante Simbabwe-Gipfel der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas (SADC) ist ausgefallen. Nach Aussagen von SADC-Diplomaten hatte Simbabwes Präsident Robert Mugabe seine Teilnahme am Donnerstag kurzfristig abgesagt. Der 89jährige brauche mehr Zeit, um ein Urteil des Verfassungsgerichts zum Wahltermin in seinem Land zu studieren, teilte ein Vertreter seiner Regierung mit. Simbabwe steht unmittelbar vor einem Urnengang, den Mugabe in Übereinstimmung mit jenem Richterspruch noch bis spätestens Ende Juli abhalten will. Ob das Treffen der SADC-Regierungschefs daher überhaupt noch stattfinden wird, ist unklar. »Der Gipfel ist abgesagt. Wir hoffen, daß es einen neuen Termin geben wird«, ließ Clayson Monyela, Sprecher des südafrikanischen Außenministeriums, am Donnerstag vorsichtig verlauten. Wahrscheinlich ist dagegen, daß Mugabes Schritt die südafrikanische Regierung brüskiert. Deren Präsident Jacob Zuma hat sich als Chefunterhändler der SADC die Umsetzung »freier und fairer Wahlen« in Simbabwe auf die Fahnen geschrieben.

Zumas Aufgabe ist kompliziert und pikant: Einerseits darf er Mugabe, einen Bündnispartner aus der Zeit des Antiapartheidkampfes, nicht mit übermäßiger Einmischung verärgern. Anderseits muß er für international anerkannte Wahlen sorgen, um die in letzter Zeit wieder verstärkt in Afrika intervenierenden westlichen Mächte aus seinem an Platin, Gold und Diamanten reichem Nachbarland herauszuhalten. Nicht zufällig meldete sich bereits am Freitag die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki, zu Wort und forderte die Zulassung internationaler Wahlbeobachter in Simbabwe. Mugabe hatte bereits vor Monaten erklärt, keine westlichen Aufpasser ins Land lassen zu wollen. Die beiden prowestlichen Flügel des gespaltenen Movement for Democratic Change (MDC), die Simbabwe gemeinsam mit Mugabes Zimbabwe African National Union – Patriotic Front (ZANU-PF) in einer brüchigen »Koalition der nationalen Einheit« regieren, hatten sich dagegen für Beobachter ausgesprochen.

Hauptkonfliktpunkt zwischen den quasi-oppositionellen MDC-Splittern und der seit der Unabhängigkeit 1980 regierenden ZANU-PF ist der Wahltermin. Nach der Verabschiedung einer neuen Verfassung im März fordert Premierminister Morgan Tsvangirai (MDC-T) Veränderungen der eng mit der ZANU-PF verwobenen Sicherheitspolitik und des Medienwesens noch vor dem Urnengang. Mugabe beruft sich dagegen auf die verfassungsrechtliche Verpflichtung, rechtzeitig nach Ablauf der jetzigen Legislaturperiode wählen zu lassen. Diesen Zeitplan hatte auch das Verfassungsgericht gefordert. ­Tsvangirais Zeitspiel hat daher nicht nur sachpolitische Gründe, dahinter steckt auch die derzeitige Schwäche der zerstrittenen MDC-Flügel.

Der neoliberale Sparkurs von MDC-Finanzminister Tendai Biti dient kaum dazu, der Opposition Zulauf zu verschaffen. Während Tsvangirai vor allem mit diplomatischen Slapstick-Einlagen und Dauerabstinenz auffiel, hat die ZANU-PF ein Indigenisierungsgesetz durchgesetzt, das internationale Konzerne – insbesondere im Bergbau – verpflichtet, 51 Prozent ihrer Beteiligungen an simbabwische Unternehmenspartner, Kooperativen und den Staat zu verkaufen. Das stieß zwar in den Konzernzentralen auf wenig Gegenliebe, doch Simbabwe hat in den vergangenen Jahren trotz anhaltender Wirtschaftssanktionen seitens der EU und der USA einen langsamen, aber spürbaren Aufwärtstrend vollbracht. Der Tourismus wächst. Auf dem Land ist nach der Reform aus dem Jahr 2000 inzwischen mehr Fläche bestellt als zu Zeiten der weißen Farmer. Die Bauerngemeinschaften der 170000 schwarzen Farmer, die das Land übernahmen werden immer produktiver. Ähnliche Erfolge kann Südafrikas Landreformprogramm bisher nicht ansatzweise vorweisen.

Mugabe hätte daher eigentlich aus einer Position der Stärke zum Gipfel nach Maputo fahren können, wäre da nicht der innerparteiliche Zwist in der ZANU-PF. Die südafrikanische Wochenzeitung Mail&Guardian zitierte am Freitag Parteiinsider, wonach die Partei derzeit aufgrund der Flügelkämpfe – vor allem um die Nachfolge Mugabes sowie die stärkere Repräsentation von Jugend- und Frauenverbänden – selbst kaum bereit für Wahlen sei.

** Aus: junge Welt, Montag, 10. Juni 2013


Zurück zur Simbabwe-Seite

Zur Südafrika-Seite

Zurück zur Homepage