Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Auszählen, bis es passt?

In Simbabwe begann die Neuauszählung der Stimmen - Mugabe: "Solange ich atme, wird das Land keine Kolonie mehr werden". Zwei Beiträge


Warten auf Ergebnisse

Neuauszählung von Stimmbezirken in Simbabwe angelaufen

Von Georg Krase *

Drei Wochen nach den Wahlen in Simbabwe gibt es immer noch kein endgültiges Ergebnis. Während Resultate der Parlamentswahlen angefochten werden, wächst der Unmut im Land.

Nach Reklamationen begann am Samstag (19. April) in Simbabwe die Neuauszählung in 23 von 210 Wahlbezirken. Die oppositionelle Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC) lehnte diese ab, weil sie Manipulationen befürchtet, war aber am Freitag mit einem entsprechenden Antrag vor Gericht gescheitert. Neu ausgezählt werden sowohl die Stimmen der Parlaments-, als auch die der Präsidentschafts- und der lokalen Wahlen. Alle fanden am 29. März statt.

Ein Ende des Konflikts um die simbabwischen Wahlen ist damit nicht abzusehen. Bisherige Ergebnisse gaben der MDC unter Morgan Tsvangirai 99 und einer von ihr abgespaltenen Fraktion 10 Sitze in der Nationalversammlung, die regierende Afrikanische Nationalunion von Simbabwe ZANU (PF) unter Robert Mugabe verlor mit 97 Sitzen die Parlamentsmehrheit. Nun ist das Ergebnis wieder offen. Ein Sieg der ZANU (PF) bereits in neun der 23 Wahlbezirke würde die Mehrheitsverhältnisse kippen. Im Rennen um die Präsidentschaft erreichte unabhängigen Beobachtern zufolge im ersten Wahlgang niemand die absolute Mehrheit.

Hatte der Chef der Wahlkommission ZEC, George Chiweshe, am Samstag (19. April) noch Ergebnisse der Neuauszählung in drei bis vier Tagen angekündigt, so wird inzwischen befürchtet, dass alles länger dauern könnte. Parteienvertreter und ausländische Beobachter überwachen die Auszählung. Bisher gab es keine Probleme, keine Partei habe sich beschwert, so die ZEC. Die oppositionelle MDC beschuldigt jedoch auch die ZEC der Parteilichkeit.

International nimmt die Besorgnis zu. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte am Vorabend einer Konferenz in Accra (Ghana), er werde mit afrikanischen Führern auch über Simbabwe sprechen. Sein Vorgänger Kofi Annan forderte die Afrikaner ebenfalls zum Handeln auf und sprach von einer gefährlichen Situation, einer Krise mit internationalen Implikationen. In Südafrika ist Simbabwe erneut zum innenpolitischen Thema geworden. Nicht nur die Opposition attackiert die bisherige Politik von Präsident Thabo Mbeki. Während Mbeki davon sprach, es gäbe keine Krise in Simbabwe, kritisierte sein innerparteilicher Rivale, ANC-Präsident Jacob Zuma, die Verzögerung der Veröffentlichung der Wahlergebnisse und wies auf regionale Auswirkungen der Situation in Simbabwe hin. Zuma hatte zuvor Morgan Tsvangirai zum Gespräch empfangen.

Als Tsvangirai vor wenigen Tagen dann jedoch so weit ging, Mbeki zur Niederlegung seines Vermittlungsmandats in Simbabwe aufzufordern, wurde er zurechtgewiesen. Der ANC stellte sich klar hinter Mbeki und dessen Mission in Simbabwe. Die Regionalgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) bestätigte unlängst Mbekis Mandat, der sich und seiner umstrittenen Politik der »stillen Diplomatie« die Abhaltung der Wahlen in Simbabwe unter relativ »normalen« Bedingungen zurechnet.

Morgan Tsvangirai bestätigte nunmehr, dass es bereits kurz nach den Wahlen Geheimgespräche zwischen ZANU (PF) und MDC über eine Regierung der nationalen Einheit gab. Dabei ging es auch um Garantien für Mugabe und hohe Militärführer. Doch dann wurden die Gespräche abgebrochen, offenbar hätten sich in der ZANU (PF) Hardliner durchgesetzt. Inzwischen mehren sich Berichte über brutale Angriffe auf Anhänger der MDC. Die Partei, die den Sieg bei den Präsidentschaftswahlen für sich reklamierte, hat in den letzten Tagen widersprüchliche Aussagen zur Teilnahme an einer Stichwahl gemacht. Offensichtlich verfügt derzeit keiner der politischen Kontrahenten über ausreichende politische Unterstützung, um die Krise in Simbabwe aus eigener Kraft zu überwinden.

* Aus: Neues Deutschland, 21. April 2008


"Größtes Problem sind die Preise" **

Robert Mugabe, Simbabwes 84jähriger Präsident, wandte sich am Freitag (18. April) erstmals nach den Wahlen mit einer Rede an die Nation. Anlaß war der 28. Jahrestag der Unabhängigkeit nach der über hundertjährigen britischen Kolonialherrschaft, der von bis zu 30000 Menschen im Gwanzura-Stadion von Highfield, einem Vorort Harares, in »Karnevalsatmosphäre« (Reuters) gefeiert wurde. Mugabe, ehemals Guerillakommandant der Befreiungsbewegung ZANU und langjähriger politischer Gefangener, erklärte unter Beifall: »Wir, nicht die Briten, haben die Demokratie errichtet, eine Demokratie, die Rassen- und Geschlechterdiskriminierung ablehnt.« 1980 hatten die ZANU und die ZAPU von Joshua Nkomo den Sieg über die von London gestützte Rassistenregierung des damaligen Rhodesien errungen. Die Übereinkunft mit dem britischen Empire, eine Landreform zugunsten der schwarzen Bevölkerung ernsthaft anzugehen, wurde seitens London zu keinem Zeitpunkt eingelöst.

Mit Blick auf die schwere Versorgungskrise und eine galoppierende Inflationsrate versicherte Mugabe nun, die Regierung versuche, in allen Bereichen des Lebens die Not zu lindern. »Wir wollen, daß die Farmer in der Lage sind, mehr zu produzieren, damit es mehr Lebensmittel und weniger Hunger gibt. Deshalb haben wir ihnen Traktoren und andere landwirtschaftliche Ausrüstung gegeben«, sagte er. Auch in den Städten werde das Leiden gemildert. «Wir wissen, daß das größte Problem die Preise sind.» Den Ausgang der Wahlen vom 29. März, deren Ergebnisse zum Teil bis heute nicht veröffentlicht sind, sprach der Präsident nicht an. Mit Blick auf die Opposition sagte er, diese würde von Großbritannien unterstützt. Bereits am Vortag hatte Mugabe in Harare erklärt, »solange ich atme, wird das Land keine Kolonie mehr werden«.

Oppositionsführer Morgan Tsvangirai von der Bewegung für einen demokratischen Wechsel (MDC), der sich bereits am Abend des Wahltages zum Sieger erklärt hatte, meinte auf einer Pressekonferenz in Johannesburg am Freitag, der 18. April 2008 sei der »traurigste Unabhängigkeitstag« bisher. Gegenüber der BBC hatte er zudem am Donnerstag (17. April) von »Geheimverhandlungen« des MDC mit der regierenden ZANU-PF kurz nach den Wahlen berichtet. Nach zwei Tagen habe die MDC gedacht, daß eine Einigung kurz bevorstehe. Doch dann seien die Gespräche plötzlich von der ZANU-PF abgebrochen worden.

Ebenfalls am Vorabend des »Independance day« wurde gemeldet, daß im südafrikanischen Durban der chinesische Frachter »An Yue Jiang« mit brisanter Fracht an Bord festgemacht habe. Laut nicht bestätigten Medienberichten befinden sich große Mengen Munition für Kalaschnikow-Gewehre, Tausende Granaten sowie Granatwerfer an Bord. Diese seien für Simbabwe vorgesehen, hieß es. China ist, so die Agentur AFP, »einer der größten Investoren in dem von westlichen Ländern weitgehend isolierten südafrikanischen Staat«. Die Beziehungen zwischen China und Simbabwe reichten »bis in die 70er Jahre zurück«, so AFP weiter.

** Aus: junge Welt, 19. April 2008

Weitere aktuelle Meldungen

Chinesischer Waffen-Frachter auf dem Weg nach Angola

Der mit einer Waffenlieferung für Simbabwe beladene chinesische Frachter ist Medienberichten zufolge auf dem Weg nach Angola. Der Frachter An Yue Jiang steuere den Hafen von Luanda an, berichtete der Nachrichtensender CNN unter Berufung auf das südafrikanische Verkehrsministerium. Das Schiff hatte Südafrika am Freitagabend verlassen, nachdem ein Gericht den Transport der Waffen durch südafrikanisches Territorium untersagt hatte. Außerdem hatten sich Hafenarbeiter laut CNN geweigert, das Schiff zu entladen. Sie fürchteten demnach, dass der simbabwische Staatschef Robert Mugabe die Waffen gegen die Bevölkerung einsetzen könnte.

Auf dem Frachter, der am Mittwoch im Hafen von Durban eingetroffen war, sollen sich nach südafrikanischen Medienberichten große Mengen Munition für Kalaschnikow-Gewehre sowie tausende Granaten und Granatwerfer befinden. Die Opposition in Simbabwe wirft Mugabe vor, "einen Krieg" gegen die Bevölkerung anzuzetteln, nachdem er bei der Präsidentenwahl Ende März gegen seinen Herausforderer Morgan Tsvangirai verloren habe.

Nach Angaben der Opposition sind seit den Wahlen am 29. März mindestens zehn Menschen gewaltsam ums Leben gekommen. Zudem seien rund 400 weitere Oppositionsanhänger festgenommen worden, sagte der Generalsekretär der Bewegung für einen demokratischen Wandel (MDC), Tendai Biti, in Johannesburg. "Die Lage ist hoffnungslos."

Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan rief derweil die politische Führer in Afrika zu mehr Engagement in Simbabwe auf. "Wir haben die Verantwortung, eine machbare Lösung zu finden", sagte er in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. In Simbabwe herrsche eine "ernste Krise", die Auswirkungen über das Land hinaus habe. Annan hatte zuvor an der Vereidigung der neuen Koalitionsregierung in Kenia teilgenommen, die durch seinen Vermittlung zustande gekommen war. Auf die Frage, ob er auch in Simbabwe vermitteln werde, antwortete Annan, bislang habe ihn niemand dazu eingeladen.

Quelle: AFP, 20. April 2008


Wahlbeobachter sprechen von massivem Wahlbetrug in Simbabwe

Bei der Neuauszählung der Stimmen in Simbabwe kommt es Wahlbeobachtern zufolge zu massiven Manipulationen. Die Neuauszählung der Ergebnisse der Parlamentswahl von Ende März in 23 Stimmbezirken sei mit gewichtigen Fehlern behaftet, erklärte die südafrikanische Wahlbeobachterin Dianne Kohler-Barnard am Montag.

Sie habe persönlich gesehen, wie Wahlurnen manipuliert worden seien. Außerdem seien die Wahlbeobachter zum Teil bewusst zu falschen Orten gebracht worden, um eine Kontrolle der Auszählung zu erschweren. Diese Anzeichen sprechen dafür, dass es eine konzertierte Aktion gibt, die Ergebnisse so zu fälschen, dass am Schluss ein Wahlsieg von Präsident Robert Mugabe steht, wie die südafrikanische Oppositionsabgeordnete der Demokratischen Allianz sagte.

Die Wahlkommission kündigte unterdessen an, dass die Neuzählung nicht drei Tage, sondern vermutlich eine Woche dauern wird, wie die staatliche Zeitung «Herald» berichtete. Die Regierung war bei der Parlamentswahl am 29. März knapp unterlegen. Die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl wurden seither nicht bekanntgegeben. Die Neuauszählung der Stimmen könnte dazu führen, dass Mugabes Partei ZANU-PF doch noch zur Wahlsiegerin erklärt wird. Der seit 28 Jahren regierende Mugabe klammert sich in dem verarmten Land an die Macht.

Die Berichte über Gewalt und Unterdrückung von Oppositionellen im Land reißen indes seit Tagen nicht ab. 3.000 Familien sollen infolge politischer Gewalt aus ihren Häusern vertrieben worden sein. Bis zu 500 Menschen wurden nach Oppositionsangaben verletzt, zehn weitere seien getötet worden.

Quelle: AP, 21. April 2008




Zurück zur Simbabwe-Seite

Zurück zur Homepage