Verfassung für Simbabwe?
Interview mit Stefan Liebich (LINKE), Vorsitzender der Parlamentariergruppe Südliches Afrika *
Sie waren kürzlich in Simbabwe,
haben dort Mitarbeiter der Organisation
Help e.V. getroffen, die
vor allem Hilfe zur Selbsthilfe
leisten will. Wie steht es um den
Aufbau einer sich selbst versorgenden
Gemeinschaft über 30
Jahre nach der ersten Landreform?
Es gib nach wie vor viel zu tun.
Momentan werden z. B. alte Bohrlöcher
für die Wasserversorgung
reaktiviert. Flächen, die vorher
nicht landschaftlich nutzbar waren,
sollen so zu fruchtbarem Boden
werden. Ziel ist, dass die Menschen
auch ohne die Unterstützung
aus Deutschland nachhaltig wirtschaften
können. Bei einer Arbeitslosigkeit
von 80 Prozent ist es
auch dringend notwendig, dass
sich Familien mit Nahrung selbst
versorgen können.
Haben Sie mit den Nahrungsmittelproduzenten
vor Ort auch
über die Auswirkung der Wirtschaftsabkommen
gesprochen, die
Simbabwe mit der EU unterschrieben
hat?
Vornehmlich interessiert die
Landwirte gerade etwas anderes.
Viel wichtiger ist die Dürre. Sollte
es nicht bald regnen, muss die
Weltgemeinschaft hier einer Hungersnot
entgegenwirken. Was die
Produkte im Land betrifft, ist es
weniger die EU, die den Markt
überschwemmt, sondern viel mehr
Südafrika. Die Preise in den Supermärkten
orientieren sich dabei
teilweise an denen in Europa, was
natürlich einen Großteil der Bevölkerung
von diesen Produkten
abschneidet. Die Regierung hat
nicht die finanziellen Mittel, regionale
Produkte mehr zu fördern.
Help vergibt auch Kleinkredite.
Wie beurteilen Sie dieses Konzept
für Simbabwe?
Generell halte ich es für sinnvoll,
jemandem finanziell unter die Arme
zu greifen, um auf dem Markt
Fuß zu fassen, wenn es dort Potenzial
gibt. Allerdings muss man
natürlich in Betracht ziehen, dass
die wirtschaftliche Lage in Simbabwe
gerade sehr schwierig ist.
Wegen der hohen Arbeitslosigkeit
fehlen den Menschen für solche
Ideen einfach die Abnehmer.
Mittlerweile hat man sich nach
vielem Hin und Her auf einen vorläufigen
gemeinsamen Verfassungsentwurf
geeinigt, der
Grundlage für Neuwahlen sein
soll. Ein gutes Zeichen?
Ich glaube, dass das Land mit der
Einigung der drei Parteien über
diesen Entwurf einen riesigen
Schritt nach vorn gemacht hat. Als
ich vor einem halben Jahr in Simbabwe
war, sah es überhaupt nicht
danach aus, dass sich dort bald etwas
bewegt.
Wie schätzen Sie den Entwurf
ein?
Es gibt einige positive Änderungen,
die die Machtteilung zwischen
Premier und Präsident betreffen.
Aber es gibt natürlich auch einiges
zu kritisieren, etwa dass man sich
darauf geeinigt hat, die Todesstrafe
beizubehalten.
Es gab Beschwerden seitens der
Zivilbevölkerung, die mit eingebunden
war, nicht genügend gehört
worden zu sein. Wie ernst ist
dieser Vorwurf?
Der Entstehungsprozess war
schon sehr ambivalent. Es soll
Propagandaveranstaltungen gegeben
haben, auf denen für einen
starken Präsidenten Robert Mugabe
geworben wurde, alle weiteren
Themen waren damit quasi abgehandelt.
Dennoch ist es ein Entwurf,
dem man hoch anrechnen
muss, dass die Bevölkerung überhaupt
beteiligt wurde.
Fragen: Christin Odoj
* Aus: neues deutschland, Samstag, 17. November 2012
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