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Kein Grund zum Feiern für Simbabwe

Land steckt nach 27 Jahren Unabhängigkeit in dramatischer Krise

Von Georg Krase *

Die EU berät heute (23. April) über verschärfte Sanktionen gegen Simbabwe. Das Land versinkt immer mehr im ökonomischen Chaos und in politischen Problemen. Staatschef Mugabe schiebt die Verantwortung auf den Westen ab und zelebrierte unbeirrt 27 Jahre Unabhängigkeit des Landes.

Simbabwes Präsident Robert Mugabe steht schon lange ganz oben auf der Reiseverbotsliste der Europäischen Union. Seit 2002 hat die EU mittlerweile rund 130 führende Politiker, die für Menschenrechtsverletzungen in dem afrikanischen Staat verantwortlich gemacht werden, mit Einreiseverboten belegt und deren in der EU befindliches Vermögen eingefroren. Heute wollen die Außenminister der EU in Luxemburg über weitere Namen beraten.

Mugabe, der älteste Staatschef des Kontinents, wird es wie immer propagandistisch für sich zu nutzen wissen. Erst letzte Woche hatte er den Westen für die Probleme Simbabwes verantwortlich gemacht und 27 Jahre Unabhängigkeit zelebriert. Bei Kundgebungen, Militärparaden und Sportfesten in Harare und in den Provinzhauptstädten wurde die Befreiung von rassistischer weißer Herrschaft beschworen. Doch vom damals hoffnungsvollen Neubeginn im Land zwischen Sambesi und Limpopo nach dem Ende des Bürgerkriegs, vom Beginn der Aussöhnung zwischen Schwarzen und Weißen sowie einer prosperierenden Wirtschaft ist wenig geblieben. Im vergangenen Jahrzehnt hat die Politik Mugabes Simbabwe in eine schier unaufhaltsame ökonomische Talfahrt getrieben und zugleich das eigene politische Credo innen- wie außenpolitisch aufgegeben.

Simbabwes Zentralbank-Chef Gideon Gono bezeichnete die welthöchste Inflationsrate, die sich inzwischen 2000 Prozent nähert, als »wirtschaftliches HIV des Landes«. Nach mehr als einem Vierteljahrhundert Unabhängigkeit leben 80 Prozent der Simbabwer unter der Armutsgrenze, ebenso hoch ist die Arbeitslosigkeit. Die Lebenserwartung ist bei Frauen auf 34, bei Männern auf 37 Jahre gesunken, wozu natürlich Aids beigetragen hat.

Selbst wer Arbeit hat, kann davon kaum die Familie ernähren. Ein Laib Brot kostet fast ein Tageslohn. Tausende Frauen versuchen, sich zusätzlich etwas Geld mit Schmuggel und Schwarzhandel aus den Nachbarstaaten zu verdienen, darunter Lehrerinnen, Krankenschwestern, selbst Regierungsangestellte. Die Busse vom südafrikanischen Johannesburg nach Harare oder Bulawayo in Simbabwe transportieren mehr Waren als Personen. Es fehlt in Simbabwe an allem, an Nahrungsmitteln, Treibstoff und auch Elektroenergie. Die Knappheit hat Schwarzmarktpreise bis auf das Zehnfache hochgetrieben.

Mugabe aber machte am Unabhängigkeitstag erneut allein den Westen und dessen Sanktionen für die Misere verantwortlich. Konkret attackierte er wieder einmal Tony Blair. Der britische Premier wolle ihn noch vor dem eigenen Abtritt zur Strecke bringen. Das inzwischen reichlich verschlissene Argument von der Verantwortung des Westens zeigt immer noch Wirkung. Es trug dazu bei, dass auch die Regionalorganisation SADC die Wirtschaftsprobleme Simbabwes vor allem den Sanktionen zuschreibt. Die massive Kampagne gegen Mugabe und der Druck des Westens auf afrikanische Staaten – nun forderte auch der dänische Außenminister ein Eingreifen der Nachbarn Simbabwes – haben sich somit bisher als kontraproduktiv erwiesen.

Die afrikanischen Politiker, mancher sähe Mugabe lieber heute als morgen gehen, suchen Auswege aus dem Dilemma in Simbabwe. Eine weitere Zuspitzung kann nur zum völligen Kollaps des Landes führen – ein Horrorszenario für die Nachbarstaaten, in denen bereits jetzt zahlreiche simbabwische Flüchtlinge leben. SADC-Generalsekretär Tomasz Salomao unterstrich die enge Verknüpfung des Schicksals Simbabwes mit dem der Region: »Was gut ist für Simbabwe, ist gut für die Region. Was schlecht ist für Simbabwe, ist schlecht für die Region.« Es sei jetzt Zeit, weniger zu reden, als vielmehr zu handeln.

Damit sind vor allem erneute Vermittlungsbemühungen des südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki im Auftrag der SADC gemeint. Mbeki, dessen »stille Diplomatie« seit langem – bisher mit wenig Erfolg – auf eine Regelung für Simbabwe aus ist, ist sich der Schwierigkeit dieser Aufgabe bewusst. Die oppositionelle simbabwische Bewegung für den demokratischen Wandel (MDC) ist gespalten und deutlich geschwächt. Mbekis Briefe zum Auftakt seiner neuen Initiative waren denn auch an beide MDC-Fraktionen wie an Mugabe adressiert. Von der MDC soll es bereits eine Reaktion geben. Südafrika behandelt auch diese Mission vertraulich. Die Bedingungen in Simbabwe sind nicht die besten für eine Vermittlung.

Mugabe hat mit seinem brutalen Vorgehen gegen die Opposition unlängst wieder Härte demonstriert. Und obwohl nach wie vor von Unruhe innerhalb der regierenden ZANU-PF zu hören ist, hat deren Führung Mugabes erneute Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr bestätigt.

Aus: Neues Deutschland, 23. April 2007


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