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Hoffnung in Simbabwe

Abkommen zwischen den gegnerischen Parteien geschlossen. Unterzeichnung am Montag. "Machtteilung" zwischen Mugabe und Tsvangirai unter Vermittlung Mbekis

Von Raoul Wilsterer *

Alle beteiligten Seiten bestätigten am Freitag: Der Deal von Harare ist unter Dach und Fach. Am Abend zuvor hätten sich die drei im simbabwischen Parlament vertretenden Parteien auf eine zukünftige »Machtverteilung« in dem krisengeschüttelten südostafrikanischen Land geeinigt. Über Monate war unter der Moderation von Südafrikas Präsidenten Thabo Mbeki zwischen Robert Mugabe, dem Staatschef Simbabwes und Vorsitzender der ZANU-PF, Morgan Tsvangirai, Spitzenmann der stärksten Parlamentspartei MDC (Bewegung für einen demokratischen Wandel) sowie Artur Mutambara, Fraktionsvorsitzender einer MDC-Abspaltung, verhandelt worden. Am Montag soll in Simbabwes Hauptstadt das »historische Abkommen« (Internetportal allAfrica.com) in »einem feierlichen Akt« unterzeichnet und veröffentlicht werden. Erst dann wird auch eine gründlichere Bewertung möglich sein.

Ob mit dem Dokument indes das erwartete Ende der politischen Krise erreicht werden kann, muß sich erst noch erweisen. Fest steht, daß zwischen den beiden Hauptparteien, repräsentiert von Mugabe und Tsvangirai, in Grundsatzfragen kaum verhandelbare Meinungsgegensätze existierten. So betonte Mugabe allzeit, daß er nicht den Ansatz einer Rückkehr zu kolonialen Besitzverhältnissen zulassen würde, während Tsvangirai als Hoffnungsträger sowohl der vormaligen Kolonialmacht Großbritannien als auch des ehemaligen weißen Großgrundbesitzes eine Öffnung des Landes nach Westen verlangte. Zuletzt verlautete aus Verhandlungskreisen, Tsvangirai habe eingelenkt. Er werde nicht an der 2000 eingeleiteten Landreform rütteln.

Die Hararer Tageszeitung The Herald meldete am Freitag, am Wochenende würden die Parteien die Zusammensetzung der neuen Staatsführung ausarbeiten. Was die Ökonomie betreffe, werde der Nahrungsmittelversorgung »absolute Priorität« eingeräumt. Die Beteiligten hätten ihren Willen erkennen lassen, so Mbeki, »endlich Lösungen bezüglich der vor dem Land stehenden Herausforderungen zu finden«. Das Abkommen enthalte Regelungen zu allen bisher strittigen Punkten, bemerkte Südafrikas Präsident, der damit seinen, ihm von der südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) erteilten Auftrag als erfüllt betrachten kann.

Vor allem während der wochenlangen Auseindersetzungen um die Präsidentschaftswahlen am 27. Juni war Mbeki unisono von den USA und der EU wegen angeblich zögerlichem Umgangs mit Mugabe kritisiert worden. Südafrika müsse endlich mit »starker Hand« gegen Simbabwe vorgehen, Sanktionen verhängen und gar militärisch intervenieren, so das Begehren aus Brüssel, Berlin, London und Wa­shington. Die SADC folgte dem nicht, bewies Rückgrat – eine weise Entscheidung angesichts weiterer zu erwartender Einmischungsversuche seitens der imperialistischen Staaten.

Wie diese indes zukünftig mit der »Machtteilung« umgehen werden, bleibt eine spannende Frage. Bisher war Mugabe als »persona non grata« geächtet, nunmehr wird er – gemeinsam mit Tsvangirai – weiter eine wichtige Rolle als Präsident innehaben. Bisher vorliegenden Informationen zufolge werden Mugabe die Streitkräfte und die Kontrolle über einen neu geschaffenen Staatsrat unterstehen. Tsvangirai soll als Premier die Federführung über die Regierung und die Kontrolle über die Polizeikräfte erhalten. Binnen 18 Monaten soll zudem eine neue Verfassung ausgearbeitet werden.

*Aus: junge Welt, 13. September 2008

Kenianisches Modell

Von Martin Ling **

Was lange währt, wird endlich gut. Viele Simbabwer dürften mangels Alternativen in dieser Formel ihren Hoffnungsschimmer für die Zukunft suchen. Mangels besserer Alternativen haben sich Oppositionsführer Morgan Tsvangirai und Langzeitherrscher Robert Mugabe nach intensiven Vermittlungsbemühungen von Südafrika zu einer großen Koalition nach kenianischem Muster breitschlagen lassen. Der mutmaßliche Wahlsieger wird Ministerpräsident, der mutmaßliche Wahlverlierer bleibt Präsident. Das erspart Simbabwe wie Kenia einen zweiten Wahlgang mit unwägbarem Verlauf und dem Risiko der Eskalation zum Bürgerkrieg. Das ist für beide Länder ein Gewinn.

In Kenia hat sich die Lage seit der Einigung im Frühjahr relativ stabilisiert. Politische Gewalt gehört dort vorerst nicht mehr zum Alltag. Das Modell der großen Koalition genießt Schonfrist, steht aber unter Erfolgsdruck. Für Simbabwes Spitzenduo gilt dasselbe: Tsvangirai und Mugabe sind zum Erfolg verdammt. Die Krise in Simbabwe, die Robert Mugabe mit seinem laut Nelson Mandela »tragischen Versagen« entscheidend zu verantworten hat, lässt sich nicht schnell beilegen. Doch schnelle spürbare Verbesserungen für die darbende Bevölkerung sind die Voraussetzung dafür, dass der Deckel auf dem Topf bleibt. Keine einfache Aufgabe.

** Aus: Neues Deutschland, 13. September 2008




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