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Farmbesetzungen

Ein Mittel gegen die Wirtschaftskrise?

Folgenden Artikel entnahmen wir der jungen welt vom 06. Juni 2000

Die Farmer stehen nach Visa Schlange
Simbabwe: Hunderte Landgüter sollen geräumt werden

In Simbabwe sollen die ersten 804 kommerziellen Farmen innerhalb von vier Wochen geräumt werden. Ein Sprecher der weißen Farmer-Union sagte dazu allerdings, daß die Ende letzter Woche in der Regierungszeitung The Herald veröffentlichte Liste - sie umfaßt sieben Seiten - keine Überraschung sei und die Farmer darüber schon lange Bescheid wüßten. Die Farmen gehören weißen und schwarzen Landwirten sowie ausländischen Konzernen. Die beiden südafrikanischen Multis Anglo American und Union Cold Storage, die einige ihrer ausgedehnten Rinderfarmen abgeben sollen, wollen die Enteignung anfechten.

Vincent Kwenda, Direktor des direkt beim Präsidenten angesiedelten Landakquisitionsbüros, sagte, daß zu Beginn der Woche die offiziellen Schreiben der Regierung an die Betroffenen verschickt wurden. Nach den Parlamentswahlen soll bereits Anfang Juli mit der Vergabe der Plots begonnen werden.

Obwohl Innenminister Dumiso Dabengwa schon vor einigen Tagen offiziell verkündet hat, daß die Polizei eingesetzt wird, um in den Farmgebieten Ruhe und Ordnung wiederherzustellen, ist noch nicht viel passiert. Mugabe persönlich hält feurige Wahlreden dagegen. Deshalb wird inzwischen auch bezweifelt, ob der Präsident die Landreform überhaupt noch so will, wie sie beschlossen wurde, oder ob Mugabe nicht eher beabsichtigt, die sogenannten Kriegsveteranen auch nach der Wahl auf strategisch wichtigen Plätzen überall im Lande zu belassen.

Bis zu den Wahlen wird auch das erste Kontingent der simbabweschen Truppen aus der Demokratischen Republik Kongo zurück sein. Verteidigungsminister Moven Mahachi hat das gerade angekündigt und dabei versichert, daß bis Ende Juli alle 5 000 simbabwischen Soldaten aus dem Kongo abgezogen sein werden. Die UNO-Friedenstruppe, allen voran die voraussichtlich drei Regimenter aus Südafrika, steht bereits Gewehr bei Fuß, um dort den Dienst zur Befriedung des Landes anzutreten. Simbabwe kann angesichts des eigenen Wirtschaftbankrotts dem verbündeten kongolesischen Präsidenten Laurent Kabila keine Militärhilfe mehr leisten. Wenn das Land nach den Wahlen je wieder ausländische Hilfe bekommen soll - und darauf ist Simbabwe dringend angewiesen - ist es gehalten, seine knappen Devisen im Inland einzusetzen.

Dem Vernehmen nach zieht der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki in geheimer Diplomatie die Fäden, um das wirtschaftliche Zusammenbrechen des Nachbarlandes zu verhindern. Für Simbabwe wird ein 800-Milliarden-Rand- Kredit aus Südafrika erwartet. Um den Verlust der Landwirte bei Überstellung ihrer Farmen zu kompensieren, soll Südafrika Großbritannien gebeten haben, die zurückgezogenen Kredite dafür freizugeben. Auch Norwegen und Saudi-Arabien haben Gelder dafür zugesagt. Nach Angaben der Banken in Simbabwe stehen die 804 aufgelisteten Landwirtschaftsbetriebe bei ihnen mit sechs Milliarden Zimbabwe-Dollar (1:20 zur D-Mark) in der Kreide. Ein fluchtartiger Abzug der Farmer würde bedeuten, daß die Banken schwere Verluste hinnehmen müßten.

Mittlerweile stehen die weißen Simbabwer an den Konsulaten Südafrikas, Kanadas, Neuseelands und Australiens Schlange, um ein Visum zu erhalten. Immer mehr Familien haben sich entschieden, noch vor dem Wahlwochenende Harare zumindest erst einmal für einen längeren Urlaub zu verlassen. Kanada und Australien veranstalten bereits Seminare, in denen sie Einwanderungswilligen die Bedingungen für eine Übersiedlung erklären. Umzugsfirmen und Immobilienmakler machen derzeit beste Geschäfte. War früher kaum noch ein Haus in der Hauptstadt zu erschwinglichen Preisen zu kaufen, so gibt es jetzt für jeden potentiellen Käufer zehn Häuser zur Auswahl.

Roswitha Reich, Harare

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