Weg aus der Krise gesucht
Simbabwe: Die bisher verfeindeten Parteien bilden "Regierung der nationalen Einheit". Unterstützung aus den Nachbarländern. EU-Sanktionen bleiben bestehen
Von Raoul Wilsterer *
Ob der »feierliche Akt«, zu dem am Montag eigens führende Politiker aus Ländern des südlichen Afrika nach Harare gereist waren, zu einem »historischen« werden wird, vermag derzeit niemand zu sagen. Fest steht: Seit Monaten, ja Jahren des Gegeneinanders bildeten die Hauptrivalen der Vergangenheit eine Regierung der nationalen Einheit. Alle drei Parlamentparteien sind darin vertreten: Die bisher oppositionelle Bewegung für einen demokratischen Wandel (MDC-T) mit Premierministere Morgan Tsvangirai an der Spitze stellt 13 Minister, die ehemaligen Befreiungsbewegung ZANU-PF unter Präsident Robert Mugabe 15 und die MDC-M von Arthur Mutambara, eine Abspaltung der MDC-T, drei Kabinettsmitglieder.
Zwar wurde am Montag kein Regierungsprogramm vorgelegt, doch dürften zunächst die Anstrengungen zu einer schnellstmöglichen Überwindung der schweren Wirtschaftskrise im Zentrum der Aktivitäten stehen. In diesem Zusammenhang dürften sich die Haltungen der USA und der Europäischen Union (EU) als wenig hilfreich erweisen, die zwar verbal die Einigung in Harare begrüßten, jedoch bisher keine Anstalten zur Aufhebung der Sanktionen gegen das Land sowie führende Politiker und Wirtschaftskader in Erwägung gezogen werden. Aus Brüssel verlautete am Rande der EU-Außenministerkonferenz lediglich, daß man sich im Oktober mit dem Thema beschäftigen wolle.
Simbabwes Nachbarländer signalierten dagegen ihren Willen, den politischen Neuformierungsprozeß zu unterstützten. Dazu kam es in Harare unter anderem zu bilateralen Gesprächen mit Südafrikas Präsidenten Thabo Mbeki, dessen namibiascher Amtskollegen Hifikepunye Pohamba, Zambias amtierenden Präsidenten Rupiah Banda und dem derzeitigen Vorsitzenden der Afrikanischen Union (AU), Jakayah Kikwete (Tansania). Mugabe warb während der Zeremonie am montag für eine enge Zusammenarbeit des Regierungsbündnisses. «Laßt uns Verbündete sein», sagte er. Zugleich verwahrte er sich erneut gegen eine Einmischung des Westens. Tsvangirai rief zur innenpolitischen Versöhnung der gegnerischen Lager auf. Die »internationale Gemeinschaft« solle die Entwickung zu einem »neuen Simbabwe« unterstützen.
Absehbar sind indes erneute Kontroversen zwischen den Lagern: Laut des Abkommens soll in den kommenden 18 Monaten eine neue Verfassung diskutiert werden.
* Aus: junge Welt, 16. September 2008
Historisches Abkommen in Simbabwe
Mugabe Präsident und Tsvangirai Premier **
In Simbabwe haben Staatspräsident Robert Mugabe und Oppositionsführer
Morgan Tsvangirai am Montag (15. Sept.) ein Abkommen über die Teilung der Macht unterzeichnet. Die
Vereinbarung sieht die Bildung einer gemeinsamen Regierung der nationalen Einheit vor, um das
afrikanische Land aus der schweren wirtschaftlichen und politischen Krise zu führen. Auch Arthur
Mutambara, Anführer einer oppositionellen Splitterpartei, unterschrieb das Abkommen. Die EU
verzichtet vorerst auf eine Verschärfung der Sanktionen gegen Mitglieder der Mugabe-Regierung.
Wie es hieß, bleibt Mugabe Präsident von Simbabwe, behält das Oberkommando über die Armee
und steht künftig an der Spitze eines neu zu schaffenden Staatsrats. Regierungschef wird
Oppositionsführer Tsvangirai, der auch das Kommando über die Polizei bekommt. Offenbar soll
auch eine neue Verfassung ausgearbeitet werden. Weitere Einzelheiten wurden zunächst nicht
bekannt.
Die Zeremonie im Beisein afrikanischer Staatschefs in Harare wurde von Jubel und Beifall begleitet.
Mugabe und Tsvangirai schüttelten sich kurz die Hände. Der künftige Premierminister Tsvangirai
bezeichnete die Vereinbarung als Grundlage für einen Neuanfang. »Das Abkommen von heute ist
das Produkt schmerzvoller Kompromisse«, sagte er. Aber es biete die bestmögliche Chance für eine
demokratische Entwicklung Simbabwes. Er rief zu Versöhnung und Hoffnung auf. Spaltung, Hass
und Polarisierung müssten der Vergangenheit angehören. Das Land brauche Lebensmittel, Ärzte
und Lehrer.
Mugabe kritisierte in seiner Ansprache die Politik Großbritanniens und der USA. »Afrikanische
Probleme müssen von Afrikanern gelöst werden«, sagte er. Der Einmischung kolonialer Mächte
werde er sich stets widersetzen.
** Aus: Neues Deutschland, 16. September 2008
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