Tsvangirai auf dünnem Eis
Simbabwes Premier sucht Unterstützung für das zerrüttete Land
Von Georg Krase *
Formell funktioniert die Arbeitsteilung zwischen Simbabwes Präsidenten
Robert Mugabe und
Premier Morgan Tsvangirai. Während ersterer das Land beim Gipfel der
Afrikanischen Union
repräsentierte, putzte Tsvangirai zuvor auf einer dreiwöchigen Reise die
Klinken. Der Lohn:
Hilfszusagen über insgesamt 500 Millionen Dollar von USA und EU.
Bilder mit Barack Obama im Weißen Haus in Washington, hochrangige
Gespräche in westlichen
Hauptstädten – das schmeichelte dem jetzigen Premier und einstigen
Oppositionsführer
Simbabwes, Morgan Tsvangirai. Zurück von seiner Tour nach Belgien,
Deutschland, Frankreich,
Großbritannien, Schweden und in die USA wurde er daheim jedoch sofort
wieder mit harschen
Realitäten konfrontiert. Es knirschte in der Einheitsregierung von
Mugabes Afrikanischer
Nationalunion Simbabwes (ZANU-PF) und Tsvangirais Bewegung für
demokratischen Wandel
(MDC). MDC-Minister boykottierten eine Kabinettssitzung unter Mugabe.
Die stellvertretende
Ministerpräsidentin Thokozani Khupe (MDC) klagte über Verletzungen der
politischen Vereinbarung
durch Mugabe. Die ZANU-PF blockiere Reformen, MDC-Abgeordnete und
oppositionelle Aktivisten
würden verfolgt. Khupe wollte einen Austritt der MDC aus der Regierung
nicht mehr ausschließen.
Tsvangirai reagierte sofort, er pfiff seine MDC-Kollegen zurück, die
Koalition sei nicht in Gefahr, er
werde gemeinsam mit Mugabe die Probleme regeln.
Bereits während der Reise hatte er die Kooperation mit Mugabe immer
wieder verteidigt und einen
Austritt aus der Regierung ausgeschlossen. Er und Mugabe seien gemeinsam
zum Erfolg oder zum
Scheitern verurteilt. Der Übergangsprozess in Simbabwe funktioniere,
Reformen gingen voran. Er
wies westliche Forderungen nach einem Rücktritt Mugabes zurück, das
würde zum Chaos in
Simbabwe führen. Mugabe sei Teil der Lösung für Simbabwe, ob man ihn mag
oder nicht. Nicht nur
Politiker im Westen, auch eigene Anhänger in Simbabwe waren von diesem
Sinneswandel bei
Tsvangirai verblüfft.
Tsvangirai wurde im Westen freundlich aufgenommen, seine
Gesprächspartner sahen Fortschritte in
Simbabwe, forderten aber mehr Reformen und blieben skeptisch gegenüber
der Machtteilung mit
Mugabe. Jetzt zeigte sich das Dilemma der westlichen Politik, die stets
den Sturz Mugabes als
Voraussetzung für die Stabilisierung Simbabwes betrachtet hatte.
Tsvangirai plädierte für die
Einheitsregierung. Der Übergangsprozess brauche Zeit, man müsse sehr
sensibel vorgehen. Er
verwies auf erste Erfolge – Simbabwes extreme Inflation wurde reduziert,
es gibt wieder
Nahrungsmittel und andere Güter, Schulen und Krankenhäuser arbeiten.
Die Reise war ein Durchbruch für Simbabwe, aber nicht der von Tsvangirai
verkündete
überwältigende Erfolg, den er mit neu definierten Beziehungen zu
westlichen Staaten begründete,
mit der EU gab es seit sieben Jahren erste offizielle Gespräche.
Simbabwe erhalte neben
humanitärer auch Hilfe für den Übergangsprozess. Ausgeblieben ist die
massive finanzielle
Unterstützung. Von benötigten 8,3 Milliarden Dollar wurden magere 500
Millionen zugesagt und an
Bedingungen geknüpft. Tsvangirai gab sich dennoch optimistisch, sprach
von Anreizen für
ausländische Investoren wie Mehrheitseigentum in Bergbau und Landwirtschaft.
Die Reaktionen auf seine Reise waren gemischt. Vizepräsidentin Joice
Mujuru (ZANU-PF) zeigte
sich frustriert über die finanziellen Ergebnisse, sprach aber von einem
erfolgreichen ersten Schritt,
Reisen von Ministern und eine Konferenz von Investoren würden folgen.
Für Tsvangirai geht es
politisch um sehr viel, er spürte bereits auf der Reise, auf welch
dünnem Eis er sich bewegt. In
London buhten ihn simbabwische Exilanten aus. Anhänger in Simbabwe üben
zunehmend Kritik an
seinem nahezu bedingungslosen Festhalten an der – eingeschränkten –
Macht.
Die positive Überraschung kam aus einer anderen Richtung. China gewährt
Simbabwe einen 950
Millionen-Dollar-Kredit, vielleicht indirekt ein Ergebnis der Reise.
Auch aus Südafrika, wo sich die
Mehrzahl der etwa zehn Prozent Auslands-Simbabwer aufhält, verlautete,
dass manche der
Flüchtlinge sich bereits auf die Rückkehr in die Heimat vorbereiten. Das
wäre ein optimistisches
Signal.
* Aus: Neues Deutschland, 7. Juli 2009
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