Simbabwe taumelt in den Abgrund
Verhandlungen über Machtteilung fehlgeschlagen / Neuer Anlauf für 27. Oktober geplant
Von Georg Krase *
In Swasiland scheiterte am Montag (20. Okt.) eine Beratung der regionalen Entwicklungsgemeinschaft des
Südlichen Afrikas (SADC) zur Krise in Simbabwe.
Wieder verhinderten die Machtansprüche der zerstrittenen simbabwischen Politiker die Bildung einer
Regierung. Am 27. Oktober soll in der simbabwischen Hauptstadt Harare ein neuer Versuch
unternommen werden.
Simbabwes Krise findet kein Ende. In Mbabane, der Hauptstadt des kleinen Bergkönigreiches
zwischen Südafrika und Mosambik, wollten die Staatschefs Swasilands, Angolas und Mosambiks als
Führungstroika des Organs für Politik, Verteidigung und Sicherheit der SADC mit Simbabwes
Politikern und deren Vermittler, Südafrikas früherem Präsidenten Thabo Mbeki, über die Bildung
einer Regierung für Simbabwe beraten. Doch Simbabwes Oppositionsführer Morgan Tsvangirai von
der Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC) erschien nicht: Er habe keinen Pass erhalten,
sondern nur ein provisorisches Reisedokument. König Mswati von Swasiland, derzeit Vorsitzender
des SADC-Organs, bot an, ihn mit seinem Privatflugzeug aus Harare abholen zu lassen. Doch Tsvangirai lehnte ab.
Damit verzögert sich die Lösung der Krise erneut. Obwohl die in Simbabwe bisher allein regierende ZANU-PF und die beiden Flügel der MDC sich Mitte September unter südafrikanischer Vermittlung auf eine Machtteilung geeinigt hatten, war die Bildung einer Regierung auch vergangene Woche nach viertägigen Verhandlungen gescheitert. Deshalb war die SADC um Einflussnahme gebeten worden.
Vereinbart wurde bisher, dass Robert Mugabe (ZANU-PF) Präsident bleibt. Morgan Tsvangirai
(MDC) soll Ministerpräsident und Arthur Mutambara von der kleineren MDC-Fraktion sein
Stellvertreter werden. Die ZANU-PF soll 15, die Tsvangirai-MDC 13 und der Mutambara-Flügel drei
Ministerien erhalten. 14 Ressorts hat Mugabe für seine Partei bereits vergeben, darunter
Schlüsselministerien wie Verteidigung, Auswärtiges, Justiz und Lokalverwaltung. Der MDC wies er
unter anderem Verfassungs- und Parlamentsangelegenheiten, Wirtschaftsplanung, Arbeit,
Wissenschaft und Technik zu. Offen blieb die Besetzung des Finanzministeriums, das Mugabe
eventuell abzugeben bereit ist, und des Innenministeriums. Und das ist der entscheidende
Streitpunkt. Mugabe als Präsident des Nationalen Sicherheitsrats, dem auch Tsvangirai angehören
soll, besteht auf voller Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Tsvangirai fordert dagegen aus gutem
Grund gerade für diesen Bereich eine Kompetenzaufteilung und beansprucht deshalb das
Innenressort. Diskutiert wurde auch die wechselnde Besetzung dieses Ministeriums. Die
Sicherheitskräfte sind ohne Zweifel ein entscheidender Machtfaktor, und Mugabes Gegner
befürchten, dass der alte Fuchs auf deren Treue zählt.
Das gegenseitige Misstrauen scheint ungebrochen. Thabo Mbeki als Vermittler wollte dennoch nicht
von einem toten Punkt in den Verhandlungen sprechen. Er war auch nach seinem Rücktritt als
Präsident Südafrikas von seinem Amtsnachfolger Kgalema Motlanthe mit der Vermittlung in
Simbabwe betraut worden. Bisherige Fortschritte waren neben Mbekis Vermittlung vor allem dem
Druck der SADC und der Afrikanischen Union (AU) zu verdanken.
Die Regierungsbildung in Simbabwe ist lange überfällig, die derzeitige Situation unhaltbar. Das
Parlament, in dem die beiden MDC-Flügel gemeinsam eine knappe Mehrheit haben, hat die Arbeit
bereits aufgenommen. Die Aufgaben sind gewaltig. Durch die Wirtschaftskrise hat die Inflationsrate
unglaubliche 231 Millionen Prozent erreicht. Zwei Millionen Menschen benötigen dringend
Nahrungsmittelhilfe, ihre Zahl wird sich in den nächsten Monaten auf mehr als fünf Millionen
erhöhen. Ausländische Investoren erwarten stabile politische Verhältnisse, ein Finanzminister aus
der bisherigen Opposition wäre für sie ein wichtiges Signal.
Auch Simbabwes Nachbarn wollen ein schnelles Ende der Krise. Ereignisse wie das geplatzte
Treffen in Mbabane strapazieren ihre Geduld. Botswana brachte bereits neuerliche Wahlen in
Simbabwe unter internationaler Aufsicht ins Gespräch. Afrikanischer Druck auf die Kontrahenten in
Simbabwe ist ein wichtiger Faktor. Auch dafür, dass das SADC-Treffen am 27. Oktober in Harare
nicht zu einem weiteren Fehlschlag wird.
* Aus: Neues Deutschland, 22. Oktober 2008
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