Sierra-Leone: Blutige Diamanten
Edelsteine gegen Waffen
Ein eiterer Bericht über die Rolle der Diamanten im Bürgerkrieg von Sierra Leone erschien am 17. Juni 2000 in der Süddeutschen Zeitung. Autor: Michael Bitala
Die Bezirksstadt Bo, ein kleiner staubiger Ort im Südosten von Sierra Leone, hat das Schlimmste hinter sich. Es gibt dort nur noch Wunden. Riesige, viele Quadratkilometer große weiße Löcher, die die Diamantenschürfer in den Dschungel geschlagen haben. Ein paar
Optimisten stehen noch im knietiefen Schlamm, heben den schweren nassen Sand aus und füllen ihn in Säcke. "Nein, gefunden haben wir schon lange
nichts mehr", sagt einer, "aber wir finden bestimmt noch welche." Früher, als es hier noch Edelsteine gab, als Bo noch in der Hand der Revolutionären Vereinigten Front (RUF) war, musste der Sand unter Aufsicht der Rebellen geschaufelt werden. "Da standen immer fünf, sechs bewaffnete Männer herum und passten auf", erzählt der katholische Pfarrer Patrick Koroma. "Derjenige, der den Sand dann nach Edelsteinen
durchsucht hat, durfte kein einziges Mal mit der Hand zum Mund gehen. Es hätte ja sein können, dass er einen Diamanten verschluckt."
Rund um Bo gibt es riesige weiße Zeltstädte. 200 000 Flüchtlinge leben dort zusammengepfercht, Pfarrer Koroma betreut sie. Die Menschen sind vor den Rebellen aus Angst um ihr Leben geflohen. Diese haben in dem seit 1991 dauernden Bürgerkrieg nicht nur Zehntausende von Zivilisten getötet, sie haben auch Tausende vergewaltigt oder ihnen Arme und Beine abgehackt - nur um die diamantenreichen Gegenden im Osten und im Süden des Landes, nahe der Grenze zu Liberia, menschenleer zu bekommen.
In Europa und in Amerika ist der Diamant das Symbol für Reinheit, Liebe und ewige Treue. Dort werden die meisten Edelsteine verkauft. In Afrika aber, wo ein Großteil der Steine gefördert wird, bedeuten sie fast überall Krieg, Vertreibung und Tod. Viele afrikanische Konflikte - etwa in Sierra Leone, in Angola und im Kongo - wären nicht möglich, wenn sich die Kriegsparteien nicht durch den Edelsteinverkauf finanzieren könnten. Die anfangs aus 400 Leuten bestehende RUF in Sierra Leone hat sich in nur kurzer Zeit auf 20 000 Rebellen vergrößert - nachdem sie die ersten Diamantenfelder erobert hatte.
Auch die Regierungen in Sierra Leone bedienten sich der Edelsteine. Erst wurde die südafrikanische Privatarmee Executive Outcomes angeheuert, um die RUF zu bekämpfen, dann die britische Söldnertruppe Sandline. Die fremden Soldaten wurden mit Schürflizenzen bezahlt. Am vergangenen Wochenende wurden Vorwürfe laut, dass Executive Outcomes wieder im Land sei. Diesmal, um die Diamantenfelder der RUF zu verteidigen, diesmal im Auftrag von Charles Taylor. Er ist der Präsident des Nachbarlandes Liberia und engster Vertrauter von RUF-Chef Foday Sankoh. Da dieser in Haft sitzt, kümmert sich jetzt anscheinend sein liberianischer Freund ums Geschäft.
Seit langem ist bekannt, dass die RUF ihre Waffen über Liberia bezieht. Dafür bekommt Liberia Diamanten aus Sierra Leone. Die Europäische Union will jetzt dagegen vorgehen. Am Dienstagabend nahm sie einen Vorschlag Großbritanniens an, knapp 100 Millionen Mark Hilfe für Liberia auszusetzen. Zudem fordern die Briten ein Embargo für Diamanten aus Sierra Leone.
So überzeugend der Vorschlag klingt, das Verbot wird scheitern, da der Diamantenhandel fast nicht kontrolliert werden kann. An der Diamantenbörse im belgischen Antwerpen, der größten der Welt für ungeschliffene Steine, wurden zwischen 1994 und 1998 6200 Kilogramm Diamanten aus Liberia verzeichnet, das sind 31 Millionen Karat. Doch im Nachbarland von Sierra Leone gibt es fast keine Edelsteinvorkommen. Maximal 20 bis 30 Kilo jährlich, so schätzen Experten, können dort gefördert werden. Ähnliche Zahlen gibt es auch für Guinea und die Elfenbeinküste. Die Waffen der Rebellen kommen zum Großteil aus Osteuropa und werden über Burkina Faso nach Liberia geflogen, von wo sie auf dem Landweg nach Sierra Leone gebracht werden.
Die amerikanische Regierung schätzt, dass rund 15 Prozent aller Diamanten aus afrikanischen Kriegsgebieten kommen. Und solange es einen Markt gibt, werden die Konflikte trotz aller Friedensverträge nicht beendet werden. Deshalb betet der katholische Pfarrer Patrick Koroma aus dem sierraleonischen Bo jeden Tag, dass in der Provinzstadt nie wieder Edelsteine gefunden werden. "Wo immer auch nur ein winziger Diamant auftaucht, bleibt kein Stein auf dem anderen, alles wird zerstört." Für ihn, sagt er, gibt es nur eine radikale Lösung: "Kein Mensch darf mehr Diamanten kaufen." Auch wenn es in den europäischen und amerikanischen Schmuckläden viele saubere Steine gebe - da man die Herkunft nicht prüfen könne, mache sich jeder Käufer mitschuldig an all den Kriegen, all den Toten und Verstümmelten in Afrika.
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