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Sierra Leone - Zu den Hintergründen des Konflikts

Vieles dreht sich um Diamanten

"In Sierra Leone, Angola und Kongo sterben Tausende, werden ganze Länder in Schutt und Asche gelegt, weil Kriegstreiber sich um den Zugriff auf lukrative Diamantenfelder streiten."

Zu diesem ebenso einfachen wie erschütternden Urteil kommt der Journalist und Afrika-Experte Hans Brandt (Johannesburg) in einem Artikel für die Frankfurter Rundschau. Unter der Überschrift "Blutige Klunker - Afrikas Bürgerkriege bringen Diamanten ins Zwielicht: Die Branche bemüht sich um Kontrolle des illegalen Handels" zieht er Verbindungslinien zwischen den Bürgerkriegsschauplätzen in Afrika und den Profiteuren der Kriege vor Ort und auf dem internationalen Diamanten-"Parkett". Wir dokuemntieren ein paar Auszüge:


"In aller Welt steigt der Druck auf Diamantenhändler, ihre Geschäfte besser zu kontrollieren. De Beers, der britisch-südafrikanische Konzern, der mehr als 60 Prozent des weltweiten Handels in der Hand hat, ... garantiert, dass seine Steine "ethisch einwandfrei" sind. Gerade ist in Sierra Leone jener Krieg wieder ausgebrochen, der seit Anfang der neunziger Jahre der wohl grausamste des Kontinents war. Die Rebellen der RUF (Revolutionäre Vereinigte Front) unter Foday Sankoh verstümmelten Tausende, vergewaltigten, mordeten und brandschatzten. ... Eine Terrorstrategie, die nur ein Ziel hatte: die Kontrolle der Diamantenfelder an der Grenze zwischen Sierra Leone und Liberia."

("Blutige Diamanten")

"Mit großem Aufwand hatten die Vereinten Nationen im vergangenen Jahr den Handel untersucht, mit dem die Unita-Rebellen in Angola seit Jahrzehnten ihren Krieg gegen die angolanische Regierung finanzieren. Denn UN-Sanktionen gegen die Rebellen haben bisher wenig Wirkung gezeigt. Bis zu vier Milliarden Dollar soll Unita seit 1992 mit dem Verkauf der Edelsteine verdient haben. Damit wurden Waffen angeschafft, die Hunderttausende in Angola das Leben kosteten und Millionen zu Füchtlingen im eigenen Land machten. Zwei Triebfedern dieses Geschäftes machte der Bericht der Vereinten Nationen aus: die mangelnde Kontrolle der Herkunft von Diamanten aus aller Welt und die Bereitschaft wichtiger Käufer, jeden Stein ohne großes Zaudern zu kaufen. Besonders kritisiert wurden die Praktiken im belgischen Antwerpen, dem größten Umschlagplatz für die edlen Steine. Zum Teil wurden die Unita-Steine direkt nach Antwerpen gebracht und in das "legale" System der Weiterverarbeitung eingespeist."

(Angola, Sierra Leone und Kongo)

"...
Eine kanadische Menschenrechtsorganisation wies vergangenes Jahr darauf hin, dass Liberia offiziell 25-mal mehr Diamanten exportiert, als es selbst produziert. Der Überschuss kommt aus Sierra Leone, meist von der RUF, und wird mit Hilfe des Präsidenten von Liberia, Charles Taylor, weitergeleitet. Denn Taylor, ein enger Vertrauter von Sankoh, ist selbst ein ehemaliger Rebellenchef, der für einen jahrelangen grausamen Bürgerkrieg in Liberia verantwortlich war, bei dem es auch um Diamanten ging. Die belgische Regierung hat sich vehement gegen die UN-Vorwürfe gewehrt, aber gleichzeitig eine Verschärfung der Importbestimmungen angekündigt. Auch der "Hohe Diamantenrat", der den größten Teil des Geschäfts in Antwerpen regelt, will mit den internationalen Organisationen kooperieren, denn Konzerne haben erkannt, dass der Handel mit den "blutigen Steinen" eine Bedrohung ihrer Existenz ist. Euopäische Menschenrechtsgruppen, darunter "medico international" in Frankfurt, rufen in ihrer Kampagne "Fatal Transactions" (Tödliche Transaktionen) zu einem Verbot des Handels mit Edelsteinen aus Kriegsgebieten auf. Die Ware von Händlern, die gegen das Verbot verstoßen, soll beschlagnahmt werden, fordern sie. Die Reaktion von De Beers auf diese Forderungen war auf den ersten Blick erstaunlich: Statt die Kritiker zu beschimpfen, ging der Konzern auf deren Forderungen ein. "Lasst die Finger von Konflikt-Diamanten", rief der Chef von De Beers, Gary Ralfe, seine Kollegen bei einer der wichtigsten Konferenzen der Branche in Tel Aviv im März auf. "Das ist von großer Bedeutung für die gesamte Branche."

...
"Die Diamanten, die von De Beers zum Verkauf angeboten werden, stammen aus keinem Gebiet in Afrika, das Rebellen kontrollieren, die gegen eine international anerkannte Regierung des jeweiligen Landes kämpfen", garantierte der Konzern öffentlich in diesem März.

Die Garantie, dass seine Steine "ethisch einwandfrei" sind, ist Teil einer neuen Marketingstrategie, mit der der langjährige Monopolist darauf reagiert, dass seine Kontrolle über den Weltmarkt nachlässt. Statt früher 90 Prozent aller Diamanten fließen heute nur noch etwa 60 Prozent durch das "Einkanalsystem", wie der Konzern sein Kartell beschönigend nennt. Bergwerke in Australien, Kanada und Russland verkaufen ihre Produktion inzwischen zum größten Teil an der "Central Selling Organisation" (CSO) von De Beers vorbei direkt an Schleifer und Juweliere.

De Beers setzt deshalb darauf, nur noch Edelsteine mit dem eigenen Namen zu vermarkten. Mit Laserstrahlen werden die Juwelen, für das menschliche Auge unsichtbar, als echte De-Beers-Steine markiert. So soll De Beers zur eigenständigen Qualitätsmarke werden, die sich von anderen Diamanten "ohne Zertifikat" unterscheidet. ... Nelson Mandela, Ex-Präsident von Südafrika, begrüßt die Flexibilität des Konzerns. "Ein Diamantenboykott würde schwere wirtschaftliche Folgen für das südliche Afrika haben", warnte Mandela im November. "Vor allem in Namibia und Botswana würde die Wirtschaft zusammenbrechen." Beide Länder sind fast völlig vom Diamantenexport abhängig und vertraglich exklusiv an De Beers gebunden. Deshalb forderte auch Mandela, dass die Konzerne eine "progressive Haltung zu Menschenrechten" zeigen.

Das Vorbild De Beers ist für die über Familien- und Freundschaftsbande eng vernetzte Diamantenbranche in aller Welt tonangebend. Viele könnten diesem Beispiel folgen. Damit würde der Markt für Kriegstreiber, die ihr Morden mit Diamanten finanzieren, enger.

Dennoch wird es immer Menschen geben, die dem Bombengeschäft nicht widerstehen können. "Hier kaufe ich Diamanten für 50 000 Dollar", vertraute ein Händler aus Europa Journalisten in Sierra Leone an. "In Antwerpen verkaufe ich sie für vier Millionen." Und wenn die geschliffenen Klunker üppig im Dekolleté glitzern, wer sieht dann schon die Blutspuren?
Auszüge aus: Frankfurter Rundschau, 19.05.2000 (Zwischenüberschriften von uns)

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