Serbien hat gewählt: Die EU jubelt, Moskau reagiert zurückhaltend sich
Zahlreiche Pressestimmen zum Ausgang der Präsidentenwahl - Kosovo wird wohl unabhängig - Das Völkerrecht dankt ab
Selten hat sich die EU derart massiv in eine Wahl eingemischt wie dieses Mal in Serbien. Dass das nicht unbedingt den Gepflogenheiten der internationalen Diplomatie entspricht, wie die in Peking erscheinende Zeitung GUANGMING RIBAO anmerkt, soll hier nur am Rande erwähnt werden. Es ist dennoch von Bedeutung. Denn für die EU sind damit wohl endgültig die Weichen auf die Abtrennung der Provinz Kosovo vom serbischen Staat gestellt. Und das war auch der Zweck der Einmischung. Ohne irgendwelche Sympathien mit dem unterlegenen Kandidaten der nationalistischen Radikalen Partei zu hegen, hätte dessen Sieg zumindest die Möglichkeit offen gehalten, eine völkerrechtskonforme Lösung des Kosovoproblems zu erreichen oder zumindest den Preis für die Abtretung Kosovos nach oben zu treiben. So aber scheint der Prozess der Zerstückelung der einstigen Bundesrepublik Jugoslawien unaufhaltsam seinem vorläufigen Ende zuzustreben. "Vorläufig" deshalb, weil auch mit der Sezession des Kosovo die albanisch-nationalistischen Träume (es gibt eben nicht nur einen serbischen Nationalismus!) von einem Großalbanien, das auch noch weitere Teile Makedoniens einschließt, nicht erledigt sind.
Zu den Verlierern muss auch Russland gezählt werden. Auch wenn erste Stellungnahmen aus Moskau staatsmännisch neutral klingen, ist ihnen die Enttäuschung anzumerken. Mit der angekündigten Westintegration Serbiens wurde Russland noch weiter aus EU-Europa herausgedrängt. Fast kann man sagen: Die von der EU zu verantwortende Exklusion Russlands beschleunigt die Renaissance der alten Ost-West-Konfrontation, allerdings mit einer zugunsten des Westens veränderten Machtverteilung.
Pst
Im Folgenden dokumentieren wir zahlreiche Artikel und erste Reaktionen auf die "historische" Wahl in Serbien.
Serbien auf EU-Kurs mit Kosovo-Stein im Gepäck
Von Iwan Sachartschenko *
Tausende hatten in der Nacht zum Montag (4. Februar) die Wiederwahl von Präsident Boris Tadic auf den Straßen in Belgrad gefeiert.
Dabei schwenkten sie jubelnd mit Nationalfahnen Serbiens und der EU. Tadic setzt sich bekanntlich für eine EU-Integration und für die Beendigung der Isolation Serbies ein.
Dabei trennte ihn nur ein kleiner Abstand von seinem Kontrahenten Tomislav Nikolic, Kandidat der Radikalen Partei, der nach der ersten Wahlrunde noch vorne gelegen hatte.
Wie Tadic nach dem Wahlsieg erklärte, hat Serbien mit dieser Wahl gezeigt, dass es ein demokratischer Staat ist und sich für die europäische Zukunft entschieden hat.
Die Europäische Union begrüßte ihrerseits das Wahlergebnis und wünschte Tadic ein schnelleres Voranschreiten Serbiens in Richtung EU-Beitritt.
Bereits am 7. Februar sollen Serbien und die EU ein Abkommen über engere Handelsbeziehungen und eine Erleichterung der Visa-Formalitäten unterzeichnen, was ein erster Schritt zur „europäischen Zukunft“ werden soll.
Völlig offen bleibt dabei allerdings die umstrittene Kosovo-Frage: Was soll mit dieser zwei Millionen Einwohner zählenden abtrünnigen Provinz geschehen, in der nur rund 100 000 Serben leben.
Die Kosovo-Albaner streben nach Unabhängigkeit, die von der EU und den USA unterstützt wird - trotz der ablehnenden Haltung Serbiens, einschließlich des serbischen Präsidenten Tadic. Nun muss dieser nach einem Kompromiss mit den Europäern suchen.
Wozu braucht aber die EU eine Unabhängigkeit der Provinz? Nach Ansicht von Beobachtern hoffen die europäischen Strategen darauf, dass das alte Problem vor den EU-Grenzen auf diese Weise gelöst werden könnte. Außerdem kann sich die EU die Kosovo-Albaner vorerst nur schwer als EU-Kandidaten vorstellen. Man kann annehmen, dass die Europäer einem EU-Beitritt Serbiens nur ohne diesen Anhang zustimmen würden, weil sie aus dem Kosovo viele Verbrecherbanden befürchten.
Es ist aber längst keine Tatsache mehr, dass alle Probleme mit der Unabhängigkeitsausrufung der Provinz vom Tisch wären. Der unabhängige Staat Kosovo wird starke Finanzspritzen für seine Wirtschaft brauchen. Vorerst kann niemand voraussehen, wie groß diese Unterstützung sein muss und wie lange sie den Kosovo-Albanern erwiesen werden muss. Ohne die Normalisierung der Wirtschaftssituation kann man aber äußerst schwierig von einer Stabilität in dieser Provinz sprechen.
Ein weiteres Ziel der Unterstützung des Unabhängigkeitsstrebens der Kosovo-Albaner durch die EU und die USA ist wohl mit der Angst vor einer Ausdehnung des „russischen Einflusses“ verbunden.
Dabei sollte nicht vergessen werden, dass Russland stets betont hat: Es würde nur solche Lösungen unterstützen, die beide Konfliktseiten - die Serben und die Kosovo-Albaner - zufrieden stellen würden. Moskau ist lediglich gegen einseitige Schritte.
Insofern wäre es nicht ganz korrekt, den Wahlsieg Tadics als eine „Niederlage Moskaus“ auszulegen. Nach Ansicht von Wladmir Gutnik, Leiter des Zentrums für Europäische Studien am russischen Institut für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen, hätte Russland bei einem Wahlsieg Nikolics mehr Probleme gehabt. „Mit einer Unterstützung dieses radikalen Politikers hätte Moskau Spannungen in den Beziehungen mit der EU verschärft“, stellte er fest.
Dabei lässt sich Tadic kaum als ein 100-prozentig prowestlicher Politiker einordnen. In Wirklichkeit ist er für ausgewogene Beziehungen zu Russland, den USA und der EU. Zwar sieht man in Tadic den künftigen „Architekten“ des Kompromisses um das Kosovo-Problem, aber seine eigene Macht im Land ist aber ziemlich beschränkt. Für seinen Kurs braucht er eine Koalition mit einem Regierungschef, der vom Parlament ernannt wird.
Davon, wie sich die Beziehungen zwischen dem Präsidenten und dem Regierungschef gestalten, hängt nach Ansicht vieler Beobachter auch die Reaktion Serbiens auf eine Abtrennung des Kosovos, das 15 Prozent der Landesfläche einnimmt. Das Kosovo wäre dann der siebte Staat, der aus dem Bestand Ex-Jugoslawiens kommt. Moskau verweist in diesem Zusammenhang auf die Gefahr einer Separatismus-Welle, darunter auch in Europa.
Dabei prognostizieren serbische Experten große Veränderungen im politischen Leben ihres Landes. So erwarten sie, dass Premier Vojislav Kostunica angesichts der zunehmenden Widersprüche in der Koalitionsregierung zurücktreten wird. Diese Regierung war im Mai vergangenen Jahres nach mehrmonatigen Verhandlungen gebildet worden.
Kurz vor der Präsidentenwahl hatte sich Kostunica geweigert, Tadic zu unterstützen. Zugleich verweigerte er auch eine Unterstützung für Nikolic. Kostunica versprach eine scharfe Reaktion auf eine Umsetzung der Pläne Brüssels, 1800 Polizisten im Kosovo zu stationieren, wenn die Provinz einseitig die Unabhängigkeit verkündet. Als mögliche Maßnahmen wurden in der Presse eine Aufkündigung der diplomatischen Beziehungen mit jenen Ländern, die die Kosovo-Unabhängigkeit anerkennen würden, sowie eine Blockade von Strom- und Wasserlieferungen Serbiens in das Kosovo diskutiert.
Dennoch muss es nicht unbedingt zu einem Rücktritt Kostunicas kommen, weil seine Meinungsdifferenzen mit Tadic hinsichtlich der Annäherung mit der Europäischen Union gar nicht so unterschiedlich sind. Angesichts der Gefahr einer Regierungsspaltung und unter dem Druck der Anhänger Nikolics könnten sich Premier Kostunica und Präsident Tadic zu ihrer weiteren „Vernunftsehe“ als einzige Notlösung entschließen.
Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.
* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 4. Februar 2008
Pressestimmen
EU erleichtert über Boris Tadics Wahlsieg
Boris Tadic ist am Sonntag (3. Februar) wieder zum Präsidenten Serbiens gewählt worden. Mit 50,5 Prozent besiegte der prowestliche Staatschef den Nationalisten Tomislav Nikolic, der 47,7 Prozent erreichte. Serbiens Weg in die EU ist damit offen.
Die EU-Kommission zeigte sich so wie die meisten Mitgliedstaaten erleichtert über den Ausgang der Wahl. Kommissionspräsident José Manuel Barroso sprach von einem „Sieg für die Demokratie in Serbien und für die gemeinsamen europäischen Werte“. Die EU werde nun den Annäherungsprozess Serbiens an die EU beschleunigen.
Ob sich die in den vergangenen Wochen und Monaten wegen der Kosovo-Frage deutlich abgekühlten Beziehungen zwischen Brüssel und Belgrad wieder bessern, hängt vor allem von der serbischen Regierung und Premier Vojislav Koštunica ab. Dieser hat mit seinen Drohungen, das Stabilitäts- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit der EU nicht zu ratifizieren, falls die EU eine Zivilmission in den (dann unabhängigen) Kosovo entsendet, große Verärgerung ausgelöst. Vor allem in Deutschland sieht man den Verkauf des staatlichen Ölmonopolbetriebs an die russische Gasprom und andere Beteiligungen russischer Unternehmen als „unfreundlichen“ Akt. Deutschland hat deswegen beim letzten Außenministertreffen der EU in Brüssel „eine loyalere“ Zusammenarbeit Serbiens mit der EU gefordert.
„Es wird sich jetzt zeigen, ob sich Koštunica mit dem Verlust des Kosovo abfindet, die Wahlkampf-Rhetorik ablegt und zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zurückfindet. Dann stehen Serbien alle Türen offen. Bleibt er bei seiner harten Haltung, wird es sehr, sehr schwierig,“ sagte ein hoher Diplomat in Brüssel.
Aus: Der Standard (Wien), 4. Februar 2008 (Auszug)
Am Morgen nach der Wiederwahl von Präsident Tadic schreibt die in Belgrad erscheinende Zeitung DANAS: *
"Sieger ist das europäische Serbien. Bei der Entscheidung zwischen Tadic und Nikolic haben sich die Wähler für die Sicherheit entschieden. Die Tatsache, dass der Verlierer seine Niederlage sofort zugegeben und dem Sieger gratuliert hat, ist ein Beweis der demokratischen Reife. Die hohe Wahlbeteiligung macht klar, dass die Menschen wussten, wie ernst die Lage ist."
Wie DANAS erscheint auch die Zeitung BLIC in Belgrad, und sie glaubt:
"Die Serben haben die Wahl als ein Referendum begriffen, bei dem es nur zwei Möglichkeiten gab: den Weg der Reformen mit Boris Tadic oder den Weg zurück in die Isolation. Die Mehrheit hat sich für die Reformen entschieden und für Europa", betont der Kommentator der serbischen Zeitung BLIC.
Die kroatische Presse schaut aufmerksam auf das Nachbarland. VECERNJI LIST etwa notiert unter der Überschrift "Schicksalswahl":
"Die Serben haben die mühsamen demokratischen Veränderungen gewählt und die Anlehnung an Europa. Dieser Kurs wird schon seit sieben Jahren beschritten, wenn auch nicht besonders erfolgreich. Der andere Weg des Radikalen Nikolic wäre voller Ungewissheiten gewesen, und er hätte eine Orientierung an Russland mit sich gebracht", bemerkt VECERNJI LIST aus Zagreb.
"Die Erleichterung ist groß im fortschrittlichen Teil Serbiens, aber auch bei den westlichen Partnern," vermutet die BASLER ZEITUNG.
"Grund zum Jubeln hat aber niemand. Dass eine so große Zahl Serben einem Radikalnationalisten vertraut, stellt Serbiens politischer Elite und ihren Freunden im Westen ein schlechtes Zeugnis aus. Die Nikolic-Anhänger rekrutieren sich vor allem aus dem Heer der Modernisierungsverlierer. Die politische Elite hat es nicht verstanden, ihnen wenigstens die Hoffnung auf baldige Besserung zu geben", kritisiert die BASLER ZEITUNG.
Auch das AFTONBLADET aus Stockholm glaubt:
"Viele Serben haben nicht deshalb für Nikolic gestimmt, weil sie die Verbindungen zur EU kappen wollten, sondern wegen der wirtschaftlichen Probleme. Aber Tadic hat es am Ende geschafft, und nun steht auch die Europäische Union vor gewaltigen Herausforderungen. Das Kosovo dürfte in Kürze seine Unabhängigkeit erklären, und dann müssen die EU-Mitgliedstaaten an einem Strang ziehen", erklärt das schwedische AFTONBLADET.
"Viele Beobachter sind sicher, dass an der Unabhängigkeit des Kosovo nichts mehr vorbeiführt", heißt es im portugiesischen DIARIO DE NOTICIAS.
"Aber wie diese Abspaltung sich im einzelnen vollziehen wird, das kann über Krieg oder Frieden auf dem Balkan entscheiden. Tadic hat gewonnen, aber er wird nicht vergessen, wie knapp er im Amt bestätigt wurde. Er muß auch an seine heikle Koalition mit Regierungschef Kostunica denken: Der hat ihm jüngst die Unterstützung entzogen - wegen des Kosovo", erinnert der DIARIO DE NOTICIAS aus Lissabon.
Die in Peking erscheinende Zeitung GUANGMING RIBAO schreibt:
"Es ist üblich, sich bei Wahlen im Ausland strikt neutral zu verhalten. Im Widerspruch dazu hat die EU vor der Abstimmung in Serbien unmissverständlich ihre Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass Tadic im Amt bestätigt werden möge. Ein Grund ist die Kosovofrage, in der die Europäer gespalten sind. Da ist es für Brüssel umso wichtiger, dass Serbiens Außenpolitik keinen antieuropäischen Kurs einschlägt".
* Zusammengestellt nach: Deutschlandfunk, 4. Februar 2008
Weitere Pressestimmen **
"La Repubblica" (Rom):
"Bei der Wahl ging es darum, den Weg für eine endlich normale Zukunft zu bahnen. Deshalb hat Boris Tadic gewonnen. Nur ganz knapp, wie sein Rivale, der ultraradikale Tomislav Nikolic, mit etwas Bitterkeit bemerkte. Auf dem Spiel stand hier viel mehr als nur ein normales Rennen um das höchste Amt im Staat. Vielmehr handelte es sich um eine Art Referendum zwischen Russland und Europa, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Das Thema Kosovo hat die ohnehin schon schwierige Wahl noch schwieriger gemacht (...). Aber Kosovo selbst hat seine Wahl schon vor langer Zeit getroffen und wird unabhängig sein. Es fragt sich nur wann, ob morgen, in einer Woche oder irgendwann in der Zukunft."
"Frankfurter Rundschau":
"Freude ist durchaus angebracht. Aber wer die Wahl zwischen Boris Tadic und Tomislav Nikolic für Serbiens 'endgültige Entscheidung' zwischen Russland und Europa gehalten hat, dürfte sich in den nächsten Tagen noch kräftig wundern. Der starke Mann in Belgrad heißt nach wie vor weder Tadic noch Nikolic. Er heißt vielmehr Vojislav Kostunica, ist Regierungschef und denkt gar nicht daran, sich zwischen Europa und Russland zu entscheiden. Wie das serbische Wahlvolk zwischen europäischer Integration und nationaler Eigenständigkeit - so laviert der Premier zwischen den politischen Lagern. Bleibt er seiner Politik treu, wozu er jetzt allen Grund hat, wird Kostunica nach dem Triumph seines linksliberalen, pro-europäischen Rivalen Tadic gegenüber Brüssel erst recht den starken Mann markieren."
"Süddeutsche Zeitung" (München):
"Mit dem Votum haben viele Serben klar gemacht, dass es für sie keine glaubwürdige Alternative zur Integration des Balkanlandes in die Europäische Union gibt. Für diese Integration steht der wiedergewählte Tadic. Zwar lehnt auch er die vom Westen befürwortete Abtrennung des Kosovo ab, die in den nächsten Wochen erfolgen soll. Tadic ist aber nicht bereit, deswegen Serbien von Europa abzukoppeln. Sein ultranationalistischer Herausforderer Tomislav Nikolic hingegen wollte das Land am liebsten in ein russisches Gouvernement verwandeln, das dem Westen den Rücken kehrt, wenn dieser die Unabhängigkeit der südserbischen Provinz anerkennt. (...) Die Mehrheit ließ sich aber nicht von populistischen Parolen blenden. Denn das Geld für die Entwicklung Serbiens kommt nicht aus Moskau, sondern aus Brüssel..."
"Basler Zeitung":
"Die Erleichterung ist groß im fortschrittlichen Teil Serbiens, aber auch bei den westlichen Partnern. Serbien wird den mühseligen Weg Richtung EU weitergehen. Grund zum Jubeln hat aber niemand. Dass eine so große Zahl Serben einem Radikalnationalisten vertraut, stellt Serbiens politischer Elite und ihren Freunden im Westen ein schlechtes Zeugnis aus. Die Nikolic-Anhänger rekrutieren sich vor allem aus dem Heer der Modernisierungsverlierer. Die politische Elite hat es nicht verstanden, diesen Verlierern wenigstens die Hoffnung auf baldige Besserung zu geben. Der Sozial-Nationalismus der Radikalen jedoch spricht sie an. Es fehlt eine Linke, die diesen Menschen eine Stimme gäbe."
"Dnevnik" (Ljubljana/Laibach):
"Eigentlich wird künftig nicht viel anders sein als bisher. Zumindest für eine Weile. Serbien bleibt auch nach der Wahl über die Frage des Kosovo, seine (Serbiens) nicht allzu glorreiche Rolle, was den 'Untergang' von Jugoslawien betrifft, die nicht durchgeführte Erneuerung (...) und über seine Position in der Welt gespalten. (...) Während in Serbien ungeachtet des Wahlausgangs eine neue Krise bevorsteht - und vielleicht neue Parlamentswahlen -, muss Europa ernsthaft nachdenken, ob es sich weiterhin lohnt, eine Politik gegenüber Serbien zu machen, die teilweise absurd nachgiebig und unfair den anderen Staaten gegenüber im EU-Warteraum ist. Das ständige Adaptieren der (eigenen politischen) Züge an den Zeitpunkt der serbischen Wahlen, sowie einmal das Angebot des einen, dann wieder des anderen europäischen Abkommens - das alles mit der offenen Absicht, Tadic bei einer 'fairen' Wahl zu helfen - geht nicht zu Ehren von Brüssel. Serbien muss ermöglicht werden, dass es seinen eigenen Weg wählt. Die Bedingungen für den Weg nach Europa liegen auf dem Tisch - wie Serbien den Weg gehen wird, kann nicht mehr die Sorge Brüssels sein."
** Quelle: Der Standard (Wien), online, 4. Februar 2008
Reaktionen aus Moskau ***
Nach Serbien-Wahl: Moskau sieht gute Möglichkeiten für weitere Zusammenarbeit mit Belgrad
MOSKAU, 04. Februar (RIA Novosti). Russland ist bereit, mit jedem Politiker zusammenzuarbeiten, den Serbiens Bevölkerung unterstützt. Das erklärte Konstantin Kossatschow, Chef des auswärtigen Staatsduma-Ausschusses, am Montag vor Journalisten in Moskau. Im Zuge der Wahlkampagne hatte "Russland eine auffallend neutrale Position bezogen", sagte Kossatschow.
"Beide Kandidaten sind gleichermaßen bereit, Beziehungen mit Russland zu entwickeln", fügte er hinzu. "Beide schließen einen EU-Beitritt Serbiens nicht aus, für beide gilt Serbiens Nato-Beitritt als ausgeschlossen", sagte der russische Außenpolitiker. Zugleich sei Tadic bei der Lösungswahl flexibler und kompromissbereiter gewesen, während Nikolic sich immer für radikale, kompromisslose und konfrontationsbetonte Lösungen einsetzte.
"Ich denke, dass wir mit der ,alten-neuen' Führung Serbiens weiterhin unter anderem in der Frage der Unterstützung der territorialen Integrität Serbiens zusammenarbeiten können, wie das bisher der Fall war", fügte Kossatschow hinzu.
Serbien: Nach Tadics Wahlsieg Kabinettsumbildung und Kostunicas Rücktritt erwartet
BELGRAD, 04. Februar (RIA Novosti). Nach der Wiederwahl des serbischen Präsidenten Boris Tadic erwarten viele Beobachter Neubesetzungen in der Regierung und große Veränderungen in der Innenpolitik.
Goran Svilanovic, ehemaliger Außenminister Jugoslawiens, erwartet einen baldigen Rücktritt des Premiers Vojislav Kostunica. "Wenn Kostunica Serbien Gutes wünscht und wenn er dem Gehör schenkt, was die Bürger sagen, muss er seinen Rücktritt einreichen", sagte der Ex-Minister. "Seine Partei muss dann im Parlament die neue Regierung unterstützen, die ein Vertreter der Demokratischen Partei leiten wird."
Kostunica, Chef des Bündnisses der Demokratischen Parteien, hatte sich kurz vor der Wahl geweigert, Tadic zu unterstützen. Er begründete diesen Schritt damit, dass Tadic zu großen Zugeständnissen für die Europäische Union in Bezug auf den Kosovo-Status bereit sei.
Die Serben, die für Tadic gestimmt haben, gaben damit Kostunica zu verstehen, dass sie eine weitere EU-Integration wünschen, während sich der Premier gegen die Unterzeichnung eines Abkommens über die politische Kooperation mit der EU ausspricht.
Der Analytiker Vladimir Goati erwartet bereits in naher Zukunft ein Stühlerücken in der Regierung. "Es geht nur darum, wie lange der Premier das aushalten kann", sagte der Experte. Damit nahm er Stellung zu den zunehmenden Widersprüchen in der Koalitionsregierung.
Zur Koalition gehören Tadics Demokratische Partei, das Bündnis der Demokratischen Parteien Serbiens unter Leitung von Premier Kostunica und die Partei Neues Serbien sowie die Partei G17 plus.
Nach der Auswertung von 98,8 Prozent der abgebenden Wahlzettel bei der Präsidentenwahl am Sonntag in Serbien liegt Amtsinhaber Tadic mit 50,57 Prozent in Führung. Sein Konkurrent von der Radikalen Partei, Tomislav Nikolic, bekam 47,71 Prozent.
Serbiens Bevölkerung zählt rund zehn Millionen Einwohner, von denen rund zwei Millionen im Kosovo lebende Albaner sind, die die serbischen Wahlen traditionell boykottieren.
Die Wahlbeteiligung lag bei 67,23 Prozent. Serbiens Präsident wird für fünf Jahre gewählt.
Keine militärische Hilfe für Serbien bei Kosovo-Unabhängigkeit - Russlands Generalstabschef
WOLGOGRAD, 01. Februar (RIA Novosti). Serbien wird Russland kaum um militärische Hilfe bitten, sollte es zu einer einseitigen Erklärung der Unabhängigkeit des Kosovo kommen. Das sagte der Generalstabschef der russischen Streitkräfte, Juri Balujewski, RIA Novosti.
"Uns hat bislang niemand um solch eine Hilfe gebeten und ich nehme nicht an, dass es solch einen Appell geben wird", äußerte er. Ihm zufolge existieren zwischen Russland und Serbien keine Abkommen im militärischen Bereich. Zudem schloss Balujewski aus, die in den westlichen Grenzgebieten Russlands stationierten Truppen aufgrund einer möglichen einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovo in höhere Bereitschaft zu versetzen.
Er betonte, dass Moskau kategorisch gegen die Unabhängigkeit des Kosovo sei und vorschlage, eine Kompromisslösung zu suchen.
*** Aus: RIA Novosti, Februar 2008
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