Serbien entschuldigt sich für Srebrenica
Parlamentsresolution vermeidet den Begriff "Völkermord" / Opferangehörige äußern sich beleidigt
Das Parlament der Republik Serbien entschuldigte sich in der Nacht zum Mittwoch (31. März) in einer
Resolution für die von Serben im Juli 1995 begangenen Verbrechen an bosnischen Muslimen aus
Srebrenica. Die Bezeichnung »Völkermord« wurde in dem Dokument vermieden. Angehörige von
Opfern nannten die Entschuldigung daher »bedeutungslos«.
Nach 13-stündiger Debatte stimmten 127 von 173 anwesenden
Abgeordneten – insgesamt hat Serbiens Parlament 250 Sitze – für eine
Resolution, in der die
Gräueltat während des Bürgerkriegs in Bosnien (1992-95) »auf das Schärfste« verurteilt wird. Das
Parlament drückte den Familien der Opfer sein Mitgefühl aus und entschuldigte sich dafür, dass
Belgrad seinerzeit nicht genug unternommen habe, um das Verbrechen zu verhindern.
Truppen der bosnisch-serbischen Armee und Paramilitärs waren im Juli 1995 in die unter dem
Schutz niederländischer UN-Blauhelme stehende muslimische Enklave Srebrenica einmarschiert
und hatten mehr als 7000 Männer und Jungen verschleppt. Die meisten wurden in den folgenden
Tagen an verschiedenen Orten Bosniens getötet. Der mutmaßliche Hauptverantwortliche, der
frühere bosnisch-serbische Armeechef Ratko Mladic, ist bis heute flüchtig.
Das Internationale Jugoslawientribunal (ICTY) und der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag
hatten das »Massaker von Srebrenica« als einzigen Fall von Völkermord während des
Bosnienkrieges bewertet. Der IGH urteilte 2007 zugleich, dass Serbien keine direkte Verantwortung
für die Verbrechen trage, die in diesem Krieg begangen wurden. Es müsse sich jedoch eine indirekte
Mitverantwortung für die Geschehnisse zurechnen lassen, weil es nicht alle seine Möglichkeiten
genutzt habe, um Kriegsverbrechen und Völkermord zu unterbinden.
Die von der serbischen Regierung – einer Koalition von Demokratischer und Sozialistischer Partei –
eingebrachte Resolution vermeidet das Wort »Völkermord«. Andernfalls wäre die Mehrheit für den
Beschluss kaum zustande gekommen. Ohnedies kritisierte die Opposition, dass der Text der
gesamten serbischen Bevölkerung die Schuld an den Morden gebe. Die Serben würden wieder als
»ewig Schuldige« angeprangert, der »eigene Staat« werde in den Schmutz gezogen. Die Kritiker
hatten verlangt, auch die serbischen Kriegsopfer zu erwähnen. Dies soll nach Berichten serbischer
Medien nun in einer weiteren Resolution geschehen. Der sozialistische Innenminister Ivica Dacic
kündigte an, diese zweite Resolution werde schnell vom Parlament verabschiedet werden, weil
diesmal alle Parteien zustimmten.
Für einige Anhänger der Regierungskoalition ging die Entschuldigung in der Srebrenica-Resolution
indessen nicht weit genug. Der Abgeordnete Nenad Canak sagte, es handle sich nur um »die Spitze
des Eisbergs der Vergangenheit, der wir uns stellen müssen«. Serbische Menschenrechtler
sprachen von einem »Zeichen für Belgrads Entschlossenheit, auf dem europäischen Weg
weiterzugehen«. Tatsächlich dient die Resolution nach dem Willen ihrer Initiatoren vor allem der
Annäherung Serbiens an die EU. Belgrad will im kommenden Jahr den Status eines
Beitrittskandidaten zugesprochen bekommen. So verspricht die Entschließung denn auch eine
Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige
Jugoslawien. Davon und von einem Erfolg bei der Fahndung nach Ratko Mladic macht die EU
Fortschritte im Beitrittsprozess abhängig.
Hinterbliebene der Opfer wiesen die serbische Entschuldigung dagegen als »bedeutungslos«
zurück. Da in der Resolution das Wort »Völkermord« fehle, »bedeutet das für uns wirklich nichts«,
sagte Hajra Catic, Vorsitzende der »Frauen von Srebrenica« in Sarajevo, »für uns ist das eine
Beleidigung und für die Opferfamilien wäre es besser, eine solche Deklaration wäre gar nicht
verabschiedet worden.«
* Aus: Neues Deutschland, 1. April 2010
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