Nato-Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien: "Gerechtigkeit für Dragoljub Milanovic"
Im Folgenden dokumentieren wir eine Petition an die serbische
Regierung, die von Gordana Milanovic-Kovacevic initiiert wurde. Der
Sachverhalt, um den es geht, ist dem ausführlichen Text der Petition zu
entnehmen. Unterstützer/innen wenden sich bitte an die Initiatorin
(siehe unten). Das Kasseler Friedensforum unterstützt seit zehn Jahren
die Kinder der bei dem Luftangriff ums Leben gekommenen Mitarbeiter des
Fernsehsenders (Aktion "Sieben Brücken").
Petition
In der Nacht vom 22. auf den 23. April 1999, feuerten um 2:06 Uhr
NATO-Bomber ein schweres Geschoss auf das in der Aberdareva-Straße Nr. 1
gelegene Gebäude von Radio-Fernsehen Serbiens ab. Durch die Explosion
wurden 16 Mitarbeiter getötet und darüber hinaus enorme Schäden verursacht.
Obwohl dies eindeutig ein Kriegsverbrechen gegen Zivilisten darstellte
und obwohl – die bekannten NATO-Kommandostukturen in Betracht ziehend –
klar ist, wer die Befehlshaber sind, und sehr leicht feststellbar ist,
wer dieses Verbrechen begangen hat, wurde nicht ein einziger von ihnen
für diese monströse Tat zur Verantwortung gezogen. Juristische Verfahren
gegen die NATO-Führung, die in der Republik Jugoslawien eingeleitet
wurden, sind eingestellt worden, der Internationale Gerichtshof für das
ehemalige Jugoslawien in Den Haag sah gar keinen Grund, gegen die
Verantwortlichen innerhalb der NATO vorzugehen und der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte erklärte sich für nicht zuständig,
juristische Schritte gegen diesen Verstoß gegen das Recht der
RTS-Mitarbeiter auf Leben einzuleiten.
Die einzige Person, die jemals für dieses Verbrechen verurteilt wurde,
ist der damalige Chef derjenigen Institution, die Ziel dieser
Luftschläge war, nämlich der Generaldirektor der RTS, Dragoljub
Milanovic, der nur durch einen seltsamen Zufall dem Schicksal seiner 16
Mitarbeiter entging. Damit wurde diesem verabscheuungswürdigen
Verbrechen ein weiteres hinzugefügt und der Gipfel der Schamlosigkeit
erreicht.
2002 wurde Dragoljub Milanovic wegen „des Verstoßes gegen die
öffentliche Sicherheit” nach Artikel 194, § 1 und 2 des damals gültigen
Strafgesetzes der Republik Serbien zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt. So
wie dieses Verbrechen im Strafgesetzbuch formuliert war, traf es auf
Milanovic gar nicht zu.
Bei dieser schändlichen Verhandlung wurde als Hauptbeweis für seine
Schuld der von der Regierung herausgegebene, vermeintlich geheime
staatlich-militärische „Befehl 37”, die Mitarbeiter an einen
Reserveaustragungsort nach Košutnjak außerhalb von Belgrad zu versetzen,
dem sich Milanovic angeblich widersetzte, herangezogen. Während der
Verhandlung wurde allerdings dieser Befehl nicht als unterschriebenes,
mit Stempel versehenes, registriertes und protokolliertes Dokument
vorgelegt, sondern war der Text dieses „Befehls”, ohne Unterschrift und
Stempel, wahrscheinlich aus irgendeinem Computer herausgezogen worden,
ein Text, von den man nicht weiß, wer ihn, wann und zu welchem Zweck
verfasst hatte.
Nach der “Aussage” von Slobodan Perišic, dem damaligen Assistenten des
RTS-Generaldirektors, der schon am 10. April 1998 von Milanovic mit
allen die Verteidigung und Sicherheit betreffenden Vollmachten,
inklusive der Unterschriftsberechtigung von Dokumenten, ausgestattet
worden war, wurde das Original dieses famosen Befehls am 5. Oktober 2000
samt seiner Aktentasche verbrannt. Wer auch nur annähernde Kenntnis von
Verwaltungsvorgängen hat, weiß, dass kein einziges Dokument, sogar eins
von kleinster Bedeutung, nur in einem einzigen Exemplar angefertigt
wird, sondern dass eine unterschriebene und gestempelte Kopie des
Dokuments bei der ausstellenden Behörde sowie der betroffenen
Organisation aufbewahrt werden müssten. Der allerletzte Ort, an dem sich
ein solches Dokument und seine Originalkopie eineinhalb Jahre nach
seiner Ausstellung hätte befinden dürfen, ist Slobodan Perišic’s
Aktentasche.
So verurteilte das Gericht Dragoljub Milanovic zu zehn Jahren Gefängnis
aufgrund eines Papiers, das höchst wahrscheinlich aus irgendeinem
Computer herausgezogen wurde, das weder unterzeichnet, noch gestempelt,
noch archiviert war!
Der so genannte „Befehl 37“ räumt sogar unter Punkt 6 dem
Generaldirektor das Recht ein, die Außerkraftsetzung des Befehls zu
erlauben bzw. den Befehl nicht auszuführen.
Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass Radio-Fernsehen Serbiens
eine Zivileinrichtung ist, und dass das internationale Menschenrecht
militärische Angriffe auf derartige Einrichtungen verbietet und als
Kriegsverbrechen einstuft. Niemand kann dafür verantwortlich gemacht
werden, nicht vorhergesehen zu haben, dass jemand eine illegale Handlung
vornimmt, besonders eine so schwerwiegende wie ein Kriegsverbrechen.
Sonst überträgt man die Verantwortung für gesetzeswidriges Handeln auf
denjenigen, der vorausgesetzt und geglaubt hat, dass das Gesetz befolgt
wird, was auf eine Negierung des Gesetzes hinausläuft. In Dragoljub
Milanovic’s Fall wurde eine solche Umkehrung vorgenommen, und somit die
ureigenste Bedeutung von Gesetz und Justiz unterminiert.
Des weiteren war sowohl vor als auch nach dem Beginn der
NATO-Luftangriffe das RTS-Gebäude in Aberdareva Anlaufstelle für
technische Hilfsdienste für zahlreiche Journalistenteams aus
verschiedenen Ländern, inklusive NATO-Mitgliedstaaten, was bedeutet,
dass sie sich dort oft für längere Zeit aufhielten. Es war sogar so,
dass der damalige Informationsminister in der Regierung der Republik
Serbien, Aleksandar Vucic, vom amerikanischen Sender CNN eingeladen war,
in dieser Nacht um 3h (Ankunft wegen der Vorbereitungen etwaa 1/2 Stunde
davor) direkt in die berühmte Larry-King-Live–Fernsehshow eingeschaltet
zu werden (im Gegensatz zum „Befehl 37“ ist dies durch eindeutiges
Beweismaterial in Form eines Telegramms von CNN an Vucic belegt). Die
Mutter des Ministers, Angelina Vucic, eine RTS-Journalistin, befand sich
zur Zeit des Angriffs auch in dem Gebäude in Aberdareva und überlebte im
Gegensatz zu ihren Kollegen nur durch Zufall. Auch Dragoljub Milanovic
selbst hielt sich seit Beginn der Bombardierungen täglich in dem Gebäude
auf und arbeitete dort jeweils bis spät in die Nacht. In der Nacht des
Anschlags verließ Milanovic den Sender etwa 10 Minuten vor dem Angriff.
Insofern hat niemand, auch nicht Dragoljub Milanovic, sich vorstellen
können, dass die NATO auf so drastische Weise gegen die Menschenrechte
verstoßen würde und das RTS-Gebäude, eine eindeutig zivile Einrichtung
im Zentrum von Belgrad, in dem sich zur Zeit des Angriffs viele
Zivilisten befanden, direkt mit einer hochgradig zerstörerischen Bombe
beschießen würde.
Die mit der Anklage gegen Dragoljub Milanovic befassten Gerichte
ignorierten alle diese eindeutigen Fakten, ließen ein ungültiges und in
Wahrheit nicht existentes Beweismittel zu und wandten fälschlich einen
Artikel des Strafgesetzbuches an, der sich auf eine völlig andere
Sachlage bezieht, um so zu einer Verurteilung zu kommen.
Besonders alarmierend ist die Tatsache, dass sogar Eltern und Verwandte
einiger der getöteten RTS-Mitarbeiter Opfer perfider Manipulationen
wurden und in ihrer Trauer und Verzweiflung über den erlittenen Verlust
die Behauptung akzeptierten, dass der RTS-Generaldirektor und die
Staatsspitze Serbiens schuld am Tod ihrer Angehörigen waren, und nicht
diejenigen, die den Beschuss des Gebäudes in Aberdareva befohlen oder
durchgeführt hatten.
Dragoljub Milanovic trat am 1. April 2003 seine zehnjährige
Gefängnisstrafe an.
Da er die Bedingungen für eine bedingte Gefängnisbefreiung gemäß Artikel
46 des serbischen Strafgesetzbuches erfüllt, hat er bei Gericht seine
Begnadigung beantragt. Bis heute hat er darauf keine Antwort erhalten.
Unter Berücksichtigung des vorher Angeführten fordern wir folgendes:
WIR FORDERN GERECHTIGKEIT FÜR DRAGOLJUB MILANOVIC! WENN AUCH EINE
VERSPÄTETE GERECHTIGKEIT! AN ERSTER STELLE VERLANGEN WIR SEINE SOFORTIGE
FREILASSUNG AUS DEM GEFÄNGNIS!
WIR FORDERN, DASS FÜR DAS VERBRECHEN, DAS AM 23.APRIL 1999 DURCH DIE
BOMBARDIERUNG DES SERBISCHEN RADIO-TELEVISIONSGEBÄUDES IN BELGRAD VERÜBT
WURDE, DIE BEFEHLSHABER UND DIE VOLLSTRECKER ZUR VERANTWORUNG GEZOGEN
WERDEN. NUR SO KANN AUCH DEN OPFERN DIESES VERBRECHENS GERECHTIGKEIT
WIEDERFAHREN!
WIR FORDERN, DASS DIE SCHAMLOSE BOTSCHAFT ZURÜCK GENOMMEM WIRD, DIE
DURCH DIE ANKLAGE UND VERURTEILUNG VON DRAGOLJUB MILANOVIC AN ALLE
KRIMINELLEN IN DER WELT ERGEHT: NEHMT EUCH DIE FREIHEIT ZU TÖTEN, UND
EURE VERBRECHEN WERDEN DENEN ZUGESCHRIEBEN, DIE DIE OPFER DERSELBEN SIND!
* Unterstützung dieser Petition:
Bitte eine eMail unter Angabe von Name, Beruf/Funktion und Wohnort an
Gordana Milanovic-Kovacevic, die Initiatorin der Petition, senden
(gordana.m-k@gurrage.de).
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