Bratislava bleibt hart
Kosovo-Frage an UN-Resolution gekoppelt
Von Hannes Hofbauer, Bratislava *
Die slowakische Regierung setzt für die Lösung des Kosovo-Problems strikt auf das Völkerrecht. Das hat auch nationale Gründe.
»Wir werden eine einseitig ausgerufene Unabhängigkeit Kosovos nicht akzeptieren«. Klipp und klar
stellt der außenpolitische Berater von Ministerpräsident Robert Fico, Pavol Hamzik, gegenüber ND
die Position der slowakischen Regierung dar. Damit hat die Slowakei innerhalb der EU – neben
Zypern – eindeutig Position bezogen und der von Washington und Brüssel betriebenen Aushöhlung
des Völkerrechts eine Absage erteilt.
Von der Helsinki-Schlussakte bis zum Selbstverständnis der UNO, nach dem die territoriale Integrität
eines Mitgliedes nicht angetastet werden darf, sprechen sämtliche völkerrechtliche Grundlagen nach
1945 für eine Verhandlungslösung der »Kosovo-Frage«. Die Slowakei steht auf diesen Grundlagen.
Konkret: Ohne eine neue UN-Resolution kann der Status quo auf dem Balkan nicht verändert
werden. Die derzeit gültige Resolution 1244, die Kosovo als »interimistisch von der UNO verwaltet«
als Teil Jugoslawiens (also Serbiens) betrachtet, steht wegen der Weigerung Russlands, diese zu
ändern, nicht zur Disposition.
Pavol Hamzik, kurzzeitig Außenminister unter Vladimir Meciar, lässt keinen Zweifel an der
Ernsthaftigkeit, mit der die Slowakei außenpolitisch auftritt. Er konzidiert die Einzigartigkeit der
Kosovo-Frage, fürchtet jedoch gleichzeitig den Präzedenzfall. Solange Serbien eine Sezession, wie
er es nennt, nicht akzeptiert, bleibt nichts als der Verhandlungsweg. Zudem kann man der
slowakischen Seite nicht erklären, warum es in Zukunft zwei albanische Staaten geben soll. »Wir
sehen in der Frage ein Potenzial für weitere Spannungen nicht nur auf dem Balkan oder in der Slowakei, sondern auch anderswo«, meint er.
Wieweit die Standhaftigkeit der Slowakei in der Kosovo-Frage mit der eigenen schmerzhaften
Geschichte zu tun hat, darauf gibt Hamzik keine eindeutige Antwort. »Eine ähnliche Entwicklung ist
in der Slowakei nicht denkbar«, meint er, spricht aber dann doch über die kaum versteckten
Ansprüche der rechten ungarischen Oppositionsparteien auf den südlichen Teil der Slowakei. »Die
Budapester Opposition führt ständig den Begriff vom ›einheitlichen ungarischen Land in der
Karpatenregion‹ im Munde« – und meint damit das Recht auf politische Selbstbestimmung der dort
lebenden Ungarn. 550 000 sind es in der Slowakei, 1,4 Millionen in Rumänien und 300 000 in der
serbischen Vojvodina.
Historisch nährt die brutale Madjarisierungspolitik im 19. Jahrhundert und mehr noch die Abspaltung
eines Drittels der Slowakei im Zuge des Wiener Schiedsspruchs 1938 die Angst vor
großungarischen Ambitionen. Auch aktuell sind diese nicht vollständig verschwunden, wenn z.B. der
ungarische Präsident Lázló Sólyom im Oktober 2007 »privat« den von der ungarischen Minderheit
besiedelten Süden der Slowakei besucht. Auch das bereits vor Jahren im ungarischen Parlament
verabschiedete Statusgesetz erhebt Ansprüche Budapests auf die insgesamt mehr als zwei
Millionen Auslandsungarn. Gründe genug, dass die Slowakei Sezessionsbestrebungen wie jener der
Kosovo-Albaner skeptisch gegenübersteht.
Was das weitere Prozedere im Fall Kosovo angeht, äußert sich Ján Skoda, Sprecher von
Außenminister Ján Kubis, vorsichtiger als Präsidentenberater Hamzik. Zwar meint auch er, dass es
jedem EU-Staat frei steht, die Unabhängigkeit nicht anzuerkennen, lässt allerdings
Kompromissbereitschaft durchblicken: »Wir werden auf die konkrete Situation im Februar oder März
2008 entsprechend reagieren.« Mit den USA und EU-Europa will sich der Außenminister nicht
anlegen. Weniger diplomatisch drückt sich der frühere slowakische Botschafter in der Schweiz, Abel
Kral, aus: »Die Politik der USA auf dem Balkan war und ist seit der Bombardierung Jugoslawiens
völlig unangemessen. Die Mehrheit der Slowaken ist dieser Meinung.« Dass die Unabhängigkeit
Kosovos von Anfang an, seit der NATO-Intervention 1999, von den USA betrieben worden ist,
darüber gibt es bis in hohe diplomatische Kreise der Slowakei keinen Zweifel. Direkte
Schuldzuweisungen an Washington werden allerdings nur ohne eingeschaltetes Mikrofon geäußert.
* Aus: Neues Deutschland, 2. Januar 2008
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