Kosovo: Lob für die alte Tante FAZ
Von Jörg Becker *
»Kosovo droht wieder Krieg«: So titelte am 18. Juli 2007 die »Frankfurter Rundschau« auf ihrer ersten Seite. In großem Druck. Und FR-Autor Thomas Kröter schrieb dann wortwörtlich weiter: »Eine Militäraktion der serbischen Zentralregierung gegen die hauptsächlich von Albanern bewohnte Region wäre nicht auszuschließen.« Also: Der serbische Feind steht wieder mal fest. Denn der einzige Satz in zwei Kosovo-Artikeln der ganzen FR von diesem Tag, der über direkte militärische Gewalt spricht, ist eben nur dieser Satz. Man präge sich diesen Satz für eine mögliche, demnächst von den USA einseitig verkündete Unabhängigkeitserklärung des Kosovo schon jetzt gut ein: »Die Gewalt liebenden Serben sind an allem Schuld!«
So ist das wohl bei einem sogenannten Relaunch einer linksliberalen Zeitung. Der Größenwechsel der FR am 30. Mai 2007 in das so- genannte halbnordische Format war offensichtlich weit mehr als eine nur formale Veränderung. Aus seriös wurde tabloid, aus viel wurde wenig und aus selber recherchiert wurde ein paste-and-copy von Agentur- und PR-Material. Während die »Bild«-Zeitung ihren pro-US-Kurs während des Irak-Krieges nicht durchhielt und ihre Leser Anfang April 2003, also kurz vor Kriegsende, mit der Abbildung des Guernica-Bildes von Pablo Picasso und einem positiven Artikel über diesen pazifistischen Künstler überraschte, wird die FR nun zum Revolverblatt.
Mit dieser Position steht die FR nicht alleine da. Am 27. Juli 2007 legte die »tageszeitung« im ähnlichen Sinn nach. In seinem Kommentar mit der Überschrift »Unaufhaltsame Eskalation« schrieb Erich Rathfelder: »Auf der serbischen Seite formieren sich zudem im Untergrund Freiwillige – noch unabhängig von der Regierung oder sogar gegen deren Willen. Sie wollen für ein serbisches Kosovo mit Waffengewalt kämpfen.« Wiederum sind es im gesamten Artikel nur Serben, denen dieser Autor eine Konfliktregelung mit direkter militärischer Gewalt unterstellt.
Zwar spricht taz-Rathfelder von »Freiwilligen« und FR-Kröter schreibt von »der Zentralregierung« – doch Hauptsache es sind »die Serben«. So verlängern die links-grüne taz und die sozialdemokratisch-linke FR – Wolfgang Clement ist Aufsichtsratsmitglied in der zu 51 Prozent dem M. DuMont Schauberg-Konzern gehörenden FR und 40 Prozent der FR gehören nach wie vor der SPD-eigenen Medienholding DDVG – notorisch und hartnäckig das Trauma, an dem die rot-grüne Koalition beinahe geplatzt wäre, nämlich deren Zustimmung zum völkerrechtswidrigen Krieg der NATO gegen Serbien im März 1999.
Dass demgegenüber hinter der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« durchaus ein kluger Kopf stecken kann, ist einem FAZ-Kommentar mit der Überschrift »Gewalt nicht belohnen« vom 23. Juli 2007 zu entnehmen – im Übrigen ebenfalls auf Seite 1. Da heißt es: »Will (Washington) lediglich vollenden, was es in den neunziger Jahren begonnen hat, als es die albanische Untergrund-armee UÇK unterstützte, um das gewalttätige serbisch-jugoslawische Regime zu schwächen? … Die Europäer sollten vorsichtig sein, ob sie ihre Hand dazu reichen.«
Schon in einem Artikel vom 2. Februar 2007 hatte die FAZ über Ross und Reiter solcher möglichen PR-Manipulationen hinter Artikeln à la Kröter und Rathfelder geschrieben. Sie benannte die beiden US-amerikanischen Gruppen The Independent Diplomat und Albany Associates als die beiden gegenwärtig wichtigsten PR-Firmen aus den USA, die die Weltpresse im Auftrag und Interesse der kosovarisch-albanischen Regierung unter Leitung von Agim Çeku anti-serbisch manipulieren.
Erstens: »The show must go on« – meint nicht nur Pink Floyd. Zweitens: Auch linksliberale Zeitungen können lügen.
* Der Medienwissenschaftler (60) leitet das KomTech-Institut für Kommunikations- und Technologieforschungin Solingen.
Aus: Neues Deutschland, 20. August 2007 (Kolumne)
Zurück zur Serbien-Seite
Zur Seite "NATO-Krieg gegen Jugoslawien"
Zur Seite "Medien und Krieg und Frieden"
Zurück zur Homepage