Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Akzeptierte Besatzung

Bei den laufenden Wiener Kosovo-Gesprächen wurde Harmonie demonstriert. Der Abzug von KFOR und UNMIK steht nicht zur Debatte

Von Hannes Hofbauer*

Serben und Kosovo-Albaner haben ihre Verhandlungen über die Zukunft der Provinz Kosovo gestern in Wien fortgesetzt. Im Zentrum stand dabei die Frage, wie Teile der Verwaltung zugunsten der serbischen Minderheit auf die Gemeinden verlagert werden können. Nach eineinhalbtägigen Gesprächen stellten sich die Delegationen aus Belgrad und Pristina Dienstag nachmittag in Wien getrennt der Presse. Der österreichische Diplomat Albert Rohan zog stellvertretend für den UN-Chefverhandler Martti Ahtisaari eine erste Bilanz. Die Unterredungen hätten in einem »kooperativen Geist stattgefunden«. Über den endgültigen Status der früheren jugoslawischen Provinz sei allerdings noch nicht gesprochen worden.

Zunächst gehe es darum, konkrete Themenkomplexe zu besprechen, so Rohan. Die fünf wichtigsten Blöcke würden Probleme der Dezentralisierung, des Eigentums, des (serbischen) Minderheitenschutzes, des Schutzes der serbischen Kirche und der zukünftigen »internationalen Präsenz« umfassen. Bislang wurde offensichtlich einzig über Vorschläge zu einer Reform der Gemeindeverwaltung diskutiert. Einer Teilung des Kosovo dürften solche Vorschläge jedoch keineswegs Vorschub leisten.

Leon Koen von der serbischen Delegation unterstrich die Notwendigkeit direkter Gespräche mit der kosovo-albanischen Seite. Er betonte, daß serbische Vorschläge zur Dezentralisierung des Kosovo Eingang in die Debatte gefunden hätten. Der eloquent auftretende Berater des serbischen Präsidenten Boris Tadic merkte indes auch an, daß am Ende »alles andere als eine Reintegration der Provinz (Kosovo) in den serbischen Staat nicht akzeptabel ist«. Die ausländischen Truppen im Kosovo betrachtet die serbische Seite als »Sicherheitskräfte, die von der Bevölkerung gewünscht werden«. Ihre Präsenz sei akzeptiert.

Der kosovarische Delegationsleiter Lufti Haziri, Minister für lokale Selbstverwaltung, betonte wiederholt die unbedingte Notwendigkeit eines »unabhängigen und souveränen Kosovo«, äußerte sich nur knapp zu den Reformen der Gemeindeverwaltung und blieb im übrigen der EU-Terminologie einer »Good governance« (guten Regierungsführung) verhaftet.

Trotz der offensichtlichen unüberbrückbaren Gegensätze bei den Gesprächen über den künftigen Status des Kosovo konnten Beobachter durchaus den Eindruck gewinnen, daß beide Seiten gewillt sind, den Vorgaben der UN-Verhandlungsgruppe Folge zu leisten. Daß dahinter der Einfluß und die Interessen der Besatzungstruppen aus KFOR und UNMIK stehen, wurde in Wien freilich nicht diskutiert. Daß die »internationale Präsenz im Kosovo« für Ahtisaari und Rohan eines der fünf wichtigsten Bereiche ist, der diskutiert werden muß und gleichzeitig nicht zur Disposition steht, ist im stillen Einvernehmen wohl schon entschieden worden. Die EU plant wie die USA bis auf weiteres, den kleinen Landstrich auf dem Balkan als Kolonialgebiet zu verwalten. Weder aus Belgrad noch aus Pristina sind – zumindest vorerst – kräftige Gegenstimmen zu vernehmen. Am 17. März wird das nächste formelle Treffen stattfinden. Neben der Fortsetzung der Dezentralisierungsdebatte wird es dann auch um einen wesentlichen Knackpunkt gehen: die Eigentumsfrage.

* Aus: junge Welt, 22. Februar 2006


Zurück zur Seite "Serbien-Montenegro"

Zur Seite "NATO-Krieg gegen Jugoslawien"

Zurück zur Homepage