Casamance bleibt Sorgenkind
In Senegals südlicher Provinz wird trotz Friedensabkommen gekämpft
Von Anton Holberg *
Senegal gilt als einer der stabilsten Staaten Afrikas. Sorgen macht nur die südliche Provinz
Casamance, die vom Rest des Landes durch Gambia getrennt ist. Mehrere Friedensabkommen
konnten die Region nicht endgültig befrieden. Der langjährige Rebellenchef Abbé Augustin
Diamacoune Senghor ist nun gestorben.
Die Provinz Casamance ist die fruchtbarste in ganz Senegal. Die Ausbeutung ihrer Ressourcen
durch die Zentralregierung bei gleichzeitiger politischer Benachteiligung ihrer Bewohner nährt jedoch
seit über 20 Jahren separatistische Bestrebungen, die 1990 in einen Bürgerkrieg zwischen der
Regierung und der Bewegung der Demokratischen Kräfte der Casamance (MFDC) mündeten.
Sechs Friedensabkommen zerbrachen seitdem. Auch seit dem letzten von 2004 kehrte keine
wirkliche Ruhe ein, da verschiedene von der MFDC abgespaltene Gruppen auf eigene Faust
weiterkämpften. Diese Auseinandersetzungen haben seit Mitte August 2006 sogar zugenommen.
Vorläufiger Höhepunkt war die Ermordung von El-Hadj Oumar Lamine Badji, eines führenden
Mitglieds der Regierungspartei, am 31. Dezember. Keines gewaltsamen Todes starb am 15. Januar
im Pariser Exil Abbé Augustin Diamacoune Senghor, der Gründer und bis September 2004
Generalsekretär der MFDC, der 78 Jahre alt wurde.
Insgesamt haben die Kämpfe etwa 17 000 Einwohner der Region zur Flucht gezwungen, großenteils
nach Gambia. Hintergrund des Konfliktes sind die regionalen Besonderheiten der Casamance. Etwa
60 Prozent der Bewohner gehören zum Volk der Diola. Anders als die Ethnien im Norden, und hier
nicht zuletzt die Wolof, die alleine 43,3 Prozent der senegalesischen Bevölkerung stellen, ist bei den
Diola und benachbarten Ethnien traditionell die größte politische Einheit das Dorf.
Die Casamance ist überdies der Teil des ansonsten muslimischen Senegals mit dem höchsten
Anteil an (katholischen) Christen und Animisten – zusammen etwa 25 Prozent. Von den
staatstragenden Wolof und anderen Völkern des Nordens werden sie abschätzig als Waldmenschen
betrachtet. Nach der Unabhängigkeitserklärung Senegals schickte die Regierung in Dakar denn
auch vor allem Funktionäre aus dem Norden in die Casamance. Die Forderung der Diola nach
politischer Eigenständigkeit fußt wesentlich auf dieser Erfahrung.
Unmittelbarer Auslöser dafür, dass die MFDC die Forderung nach Unabhängigkeit erhob und den
bewaffneten Kampf aufnahm, war die Ermordung von 25 Anhängern bei einer Protestdemonstration
in Ziguinchor am 18. Dezember 1983. Im Jahr darauf gründete die Bewegung ihren bewaffneten
Arm unter dem Diola-Namen Atika, der Pfeil. Der Kampf forderte einige hundert Menschenleben. Die
Erfolgschancen, der Casamance zur Unabhängigkeit zu verhelfen, waren trotz einer zumindest
politischen Unterstützung seitens Gambias und auch Guinea-Bissaus nie besonders groß. So kam
es nach der Übernahme der Präsidentschaft durch den langjährigen Oppositionschef Abdoulaye
Wade im Jahr 2000 zu Verhandlungen zwischen der MFDC und der Regierung. Ende 2004 wurde
ein Friedensabkommen unterzeichnet, das zwar die Amnestie für die Kämpfer und eine stärkere
Beachtung auch der ökonomischen Interessen der Region vorsieht, aber keineswegs ein nationales
Selbstbestimmungsrecht. Trotz des großen Wunsches der Zivilgesellschaft nach Frieden hat dieses
Abkommen keine endgültige Befriedung gebracht.
Aus: Neues Deutschland, 25. Januar 2007
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