Die Schweiz und die UNO
"Keine Angst vor der Welt" sollen die Eidgenossen haben, empfiehlt Andreas Zumach
In der Schweit steht eine neuerliche Volksabstimmung bevor. Nach der zuletzt etwas unbefriedigend ausgegangenen Abstimmung über die Schweizer Armee geht es diesmal um den Beitritt der Schweiz zur Organisation der Vereinten Nationen. Viele Menschen - auch hier zu Lande - wissen gar nicht, dass die Schweiz neben dem Vatikan der einzige Staat der Welt ist, welcher der UNO bisher nicht angehört. Und das obwohl zahlreiche UN-Organisationen ihren Sitz in der Schweiz, insbesondere in Genf haben. Auch arbeitet die Schweiz in zahlreichen UN-Organisationen und -Gremien mit. Gleichwohl gibt es eine Reihe historischer Gründe für die UNO-Enthaltsamkeit der Eidgenossen. Im folgenden Beitrag wird darauf eingegangen. Andreas Zumach gehörte in den 80er Jahren zu den prominentesten Friedesnaktivisten in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist seit einigen Jahren als Journalist in Genf tätig und mischt sich aber auch hin und wieder direkt in die Friedensdikussion bei uns ein. Lesenswert ist sein informatives Bändchen, das er anlässlich des 50. Geburtstags der UNO veröffentlichte: "Vereinte Nationen", Reinbek bei Hamburg 1995 (rororo special). Den nachfolgenden Beitrag schrieb Andreas Zumach für die linke Schweizer Wochenzeitung WoZ. Wir dokumentieren den Text in Auszügen.
Die Uno ist «ein undemokratischer Machtklub», «eine Kriegsmacht ohne
demokratische Legitimation», und «in ihrem Namen wurden über 40 Kriege
geführt». Die Uno «wird von den USA dominiert, die die anderen Staaten
zu unmündigen Handlangern degradieren», sie ist «heute auf weltweiter
Ebene die gleiche Globalisierungsinstitution wie die EU im europäischen
Rahmen».
Die Zitate stammen aus der ersten Woche der Abstimmungskampagne
zum Uno-Beitritt. Sie kommen teils vom Rechtspopulisten Christoph
Blocher, teils von links-grünen GegnerInnen einer Uno-Mitgliedschaft der
Schweiz . Bei so viel Übereinstimmung quer durch das politische
Spektrum muss ja etwas dran sein an den Bedenken. Oder?
Tatsächlich gibt es haufenweise Anlass zu scharfer Kritik an der
UN-Organisation und vor allem an ihrem derzeit dominierenden Mitglied
USA. Wobei diese Kritik an den USA aus dem Munde Blochers wenig
glaubwürdig klingt. Während des Kalten Krieges hatte er mit den heissen
Kriegen der USA keine Probleme, und bei der Abstimmung von 1986
verteufelte er die Uno noch als «Instrument zur Verbreitung des
Kommunismus». Glaubwürdiger wären da die Linken und Grünen, die die
Aussenpolitik der USA schon damals kritisch betrachteten. Doch müssen
sich die Gegner beider Lager sagen lassen: Es ist der falsche Ansatz, die
Institution Uno zu schelten, wenn einzelne Mitgliedstaaten eine schlechte
oder falsche Politik betreiben oder sich dominant verhalten.
... Die
europäischen Staaten und andere Länder, die dazu in der Lage wären,
haben seit Ende des Kalten Krieges keinen ernsthaften Versuch
unternommen, innerhalb der Uno ein Gegengewicht zu den USA zu bilden.
Statt sich klar zu positionieren und strategische Koalitionen zu suchen,
beschränken sie sich zumeist auf folgenlose Nörgelei hinter den Kulissen.
Die einzige Ausnahme war 1998 die Entscheidung für die Einrichtung
eines Internationalen Strafgerichtshofes gegen den Willen und massiven
Druck Washingtons.
Nun argwöhnen aber auch manche Linken und Grünen, dass die Schweiz
nach einem Beitritt zwangsläufig zu einem «Anhängsel der USA» würde.
... Würde bei einem Uno-Beitritt gar
die direkte Demokratie unter die Räder kommen, weil das Völkerrecht
eidgenössisches Recht aushebelt?
Der Reihe nach: Ein Teil des seit 1945 - zum Grossteil im Rahmen der
Uno - entwickelten Völkerrechts ist internationales Gewohnheitsrecht.
Daran ist die Schweiz ohnehin gebunden - völlig unabhängig von einer
Uno-Mitgliedschaft. Würde zum Beispiel der vom Haager Uno-Tribunal
wegen Völkermordes angeklagte bosnische Serbenführer Radovan
Karadzic morgen in Zürich auftauchen, müsste die Schweiz ihn
festnehmen und nach Den Haag ausliefern.
Darüber hinaus hat die Schweiz die meisten der von der Uno
verabschiedeten Konventionen (zum Beispiel gegen Rassimus, gegen die
Diskriminierung von Frauen oder zum Schutz der Kinder) unterschrieben
und ratifiziert. ... Bleibt die Behauptung, nach einem Beitritt zur Uno könne die Schweiz vom Uno-Sicherheitsrat zur Beteiligung an Kriegen und Sanktionen
gezwungen werden. Die Teilnahme an militärischen Massnahmen, die der
Sicherheitsrat mandatiert hat (egal ob Blauhelm-Missionen oder
Kriegseinsätze), ist freiwillig. Dasselbe gilt für die Gewährung von
Überflugs- oder Transitrechten für ausländische Streitkräfte.
Wirtschaftssanktionen hingegen sind verbindlich für alle Uno-Staaten.
Doch wer dies zum Argument gegen einen Uno-Beitritt nimmt, sollte auch
offen sagen, gegen welche der seit 1945 verhängten dreizehn Sanktionen
er Einwände hat. Gibt es Linke oder Grüne, die Probleme haben mit den
Sanktionen gegen das südafrikanische Apartheidregime (gegen die die
Schweiz übrigens kräftig verstossen hat)?
Auch gegen die Sanktionen, die der Sicherheitsrat unmittelbar nach dem
Einmarsch der irakischen Truppen in Kuweit im August 1990 gegen
Bagdad verhängt hat, dürfte es kaum Einwände geben. Ein anderes Thema
ist die Fortführung dieser Sanktionen nach Ende des Golfkrieges bis zum
heutigen Tag. Dennis Halliday - bis 1998 höchster Uno-Repräsentant im
Irak - bezeichnet diese Sanktionen, (in deren Folge nach Feststellung von
Unicef bislang über 1,5 Millionen IrakerInnen gestorben sind) als einen
«Akt des Völkermordes» und einen «schweren Verstoss gegen die
Uno-Charta».
Wenn ein Uno-Mitgliedstaat diese Einschätzung teilt, muss er sich nicht
mehr an den Sanktionen beteiligen - das gestattet sogar die Uno-Charta.
...
Eine Schweiz, die als Uno-Mitglied ohne Furcht vor den USA
Überzeugungsarbeit für die Aufhebung der Sanktionen betreiben würde -
das wäre ein echter Gewinn für die Vereinten Nationen.
Aus: WoZ, 17. Januar 2002
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