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"Lex Duvalier" lässt Diktatoren zittern

Schweiz regelt Rückgabe von Fluchtkapital

Von Hans-Ulrich Dillmann, Santo Domingo *

Am 1. Februar tritt in der Eidgenossenschaft ein Gesetz in Kraft, das regelt, dass in der Schweiz deponierte Vermögen ehemaliger Diktatoren künftig leichter an die Bevölkerung des jeweiligen Landes zurückgegeben werden können. Der arme Karibikstaat Haiti erhofft sich davon einen Geldregen aus der Ära Duvalier.

Der 1. Februar ist ein schwarzer Tag für Despoten, die während ihrer Herrschaft oder bei ihrem erzwungenen Abgang die Staatskasse geplündert und das Geld in der Schweiz auf anonymen Konten deponiert haben. Dafür sorgt das etwas sperrig »Rückerstattung unrechtmäßig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen« genannte Gesetz, das in der Schweiz als »Lex Duvalier« kursiert. Es soll künftig verhindern, dass Potentaten das Schweizer Bankgeheimnis nutzen, um Raubgelder zu verstecken.

Sieben Millionen Schweizer Franken – umgerechnet 5,4 Millionen Euro – entdeckten haitianische Fahnder vor Jahrzehnten auf helvetischen Konten, die Haitis Diktator Jean-Claude Duvalier alias »Baby Doc« über Tarnfirmen und -stiftungen angelegt hatte. Seit Jahren tobte ein Streit zwischen der haitianischen und der Schweizer Regierung über die Freigabe dieser Gelder, zu denen der 1986 aus Port-au-Prince ins französische Exil geflohene »Baby Doc« Zugang hatte. Bei der Flucht nahm Duvalier die Staatskasse mit. Zuvor hatte er schon Gelder ins Ausland transferiert. Insgesamt ist von einer Summe zwischen 300 und 800 Millionen US-Dollar die Rede. Um wie viel sich der Duvalier-Clan wirklich bereichert hat, darüber gibt es keine Informationen.

»Baby Doc« besaß Konten in den USA und in Steueroasen, aber nur in der Schweiz wurden die haitianischen Regierungsbeauftragen fündig. Die Schweiz, so lobte jetzt das Mitglied des Direktorats für internationales Recht im Berner Außenministerium, Pierre-Yves Morier, sei das erste Land, das mit der »Lex Duvalier« ein wirksames Instrument zur Rückgabe krimineller Gelder geschaffen habe.

Einige der bekanntesten Diktatoren der Vergangenheit – beziehungsweise deren Familien – bekommen jetzt die neue Gesetzgebung zu spüren: Ferdinand Marcos, Alberto Fujimoris peruanischer Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos, der ehemalige mexikanische Staatschef Carlos Salinas und der nigerianische Diktator Sani Abacha. Der 1998 Verstorbene bunkerte allein 700 Millionen US-Dollar auf eidgenössischen Nummernkonten.

In den vergangenen zehn Jahren habe die Schweiz insgesamt 1,7 Milliarden US-Dollar konfisziert und an die entsprechenden Staaten rückübertragen, betonte der Leiter des Direktorats für internationales Recht im Berner Außenministerium, Valentin Zellweger, auf einer Tagung über Korruptionsbekämpfung.

Die Rücküberweisung der 5,4 Millionen Euro von den Duvalierkonten wird der erste Testfall für die Wirksamkeit der neuen Gesetzesregelung werden. Das Geld wird nicht an die Regierung überwiesen, sondern die Eidgenossenschaft wird die Raubgelder in Absprache mit Haitis Regierung in soziale Projekte fließen lassen, heißt es in Bern.

Vielleicht steht auch die überraschende Rückkehr Duvaliers nach Haiti mit der Rückgabe der Gelder in Verbindung. Beobachter munkeln, der ehemalige Potentat soll ziemlich verarmt sein, nachdem er in den vergangenen 25 Jahren das Geld mit vollen Händen ausgegeben habe. Sie sehen in Jean-Claude Duvaliers Reise nach Port-au-Prince Mitte Januar einen letzten verzweifelten Versuch, die Rückgabe der Gelder auf den Schweizer Konten hinauszuzögern. Das vermutete Kalkül: Wird Duvalier im gegen ihn in Haiti angestrengten Verfahren freigesprochen, könnte er wieder an seine eingefrorenen Raubmillionen gelangen.

Duvalier ist wegen »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« sowie »Freiheitsberaubung, Zerstörung von Privateigentum, physischer und psychischer Folter, Verletzung der bürgerlichen und politischen Rechte und Diebstahl« angeklagt. Auch des Menschenhandels soll er sich schuldig gemacht und dafür kassiert haben. Die haitianische Unterstützungsgruppe für Repatriierte und Flüchtlinge (GARR) fordert deshalb eine Erweiterung der Anklage »wegen Sklavenhandels«. Die GARR betreut vor allem haitianische Arbeitsmigranten, die aus der Dominikanischen Republik abgeschoben wurden. Jahrzehnte bestand zwischen den beiden Staaten, die sich die zweitgrößte Karibikinsel Hispaniola teilen, ein Abkommen über den Einsatz haitianischer Erntearbeiter. Während die sogenannten Braceros aus Haiti für einen Hungerlohn schuften mussten, ließ sich Duvalier deren Arbeitskraft persönlich mit jährlich zwei Millionen Dollar vergüten.

* Aus: junge Welt, 31. Januar 2011


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