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Unbehagen über Ukraine lässt auch Nordeuropa reagieren

Schweden erhöht Verteidigungsetat / Finnland wird künftig NATO-Hilfe akzeptieren

Von Andreas Knudsen, Kopenhagen *

Auch wenn sich die Sicherheitslage für sie nicht unmittelbar verändert hat, verfolgen Russlands nordeuropäische Nachbarn intensiv die ukrainische Krise.

Sowohl Schweden als auch Finnland sehen sich im Gefolge des Ukrainekonflikts genötigt, ihre geostrategische Lage zu überdenken und daraus Maßnahmen abzuleiten.

Schwedens Allianzregierung, die aus vier bürgerlichen Parteien besteht, kündigte an, die Verteidigungsausgaben ab dem kommenden Finanzjahr jährlich um 5,5 Milliarden Kronen, das sind rund 600 Millionen Euro, erhöhen zu wollen. Die Mittel kommen aus einer Umschichtung im Staatshaushalt, indem die Finanzhilfe an Russland zur Beseitigung nuklearer Hinterlassenschaften eingestellt wird.

Die Orientierung der Streitkräfte, auch international operieren zu können, soll zwar beibehalten werden, aber Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt erwähnte ausdrücklich eine künftig höhere Präsenz schwedischer Schiffe und Flugzeuge in der Ostsee, um die Souveränität der langen Küstenlinie wahren zu können. Dazu sollen in den nächsten Jahren zwei U-Boote und zehn Jagdflugzeuge »Gripen« angeschafft werden. Die Beschaffung neuer U-Boote steht allerdings schon seit mehreren Jahren auf dem Einkaufsplan und ist keine neue Initiative. Sie ist aber nun zur Chefsache erklärt worden. Neubeschaffungen soll es auch im Heeresbereich geben. Kritiker verweisen allerdings darauf, dass die Umstellung der schwedischen Streitkräfte in den vergangenen Jahren zu schnell vor sich gegangen ist, um Friedensdividende ernten zu können. Die Wehrpflicht wurde für Friedenszeiten abgeschafft, aber es erwies sich, dass die Rekrutierungsgrundlage für Freiwillige nicht gegeben ist. Das führt unter anderem dazu, dass einige Schiffseinheiten am Kai festliegen, weil ihnen die Besatzungen fehlen. Welche Lücken es in der Luftverteidigung gibt, zeigte sich Ostern 2013, als russische Tu-95-Bombenflugzeuge einen Scheinangriff auf Stockholm simulierten und nur dänische Abfangjäger, die auf der NATO-Basis in Litauen stationiert sind, reagieren und sie abdrängen konnten.

Finnland schloss die Verhandlungen über ein sogenanntes Gastgeber-Abkommen mit der NATO vorfristig ab. Darin wird der Allianz im Krisenfall die Benutzung finnischen Territoriums und der Infrastruktur erlaubt. Über die Vereinbarung wurde schon seit Längerem verhandelt, aber die Veröffentlichung zum jetzigen Zeitpunkt hat tiefe symbolische Bedeutung. Parallel wird eine intensive Diskussion geführt, ob die finnischen Streitkräfte in der Lage sind, das Land zu verteidigen, bis Hilfe von außen kommen kann. Die Regierung bestreitet, dass das Abkommen ein Schritt auf dem Weg zur NATO-Mitgliedschaft ist, aber das Stimmungsbarometer in der Bevölkerung für einen solchen Schritt steht günstig wie nie zuvor. Ein Beitritt ohne gleichzeitige schwedische Aufnahme ist aber schwer vorstellbar, da beide Länder eine intensive militärische Kooperation betreiben und kosten- und personalaufwendige Überwachungssysteme gemeinsam unterhalten. Im Übrigen steigen auch finnische Flugzeuge des Öfteren auf, um Luftraumverletzungen durch russische Militärflugzeuge abzuwehren.

Sowohl Finnland wie Schweden haben in den vergangenen Jahren große Übungen der Land- und Luftstreitkräfte veranstaltet, an denen auch Verbände und Flugzeuge aus NATO-Staaten teilgenommen haben. Es kann erwartet werden, dass diese Aktivitäten im Rahmen des NATO-Partnerschaftsabkommens in den nächsten Jahren intensiviert werden. Russland selbst hat seine militärischen Aktivitäten sowohl auf der Kolahalbinsel wie in der Arktis in den vergangenen zwölf Monaten verstärkt und erhöhte Präsenz angekündigt, um die erwartete Erweiterung der ökonomischen Zone im Arktischen Meer militärisch abzusichern.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 6. Mai 2014


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