Nur noch Freiwillige in Uniform
Schweden ohne Wehrpflicht in Friedenszeiten
Von Andreas Knudsen, Kopenhagen *
Nach 109 Jahren Existenz, zwei Weltkriegen und dem Kalten Krieg fasste
das schwedische Parlament jetzt mit knapper Mehrheit den Beschluss, die
Wehrpflicht abzuschaffen und durch eine freiwillige Grundausbildung und
einen möglichen nachfolgendenden Ausbildungsvertrag zu ersetzen.
Der Beschluss zur Abschaffung der Wehrpflicht wurde mit den Stimmen der
bürgerlichen Koalition angenommen, während Sozialdemokraten, Sozialisten
und Grüne dagegen votierten. Sie hatten Einsparungen im
Verteidigungsbudget vorgeschlagen sowie die Beibehaltung der
Wehrpflicht, um die Einbindung der Soldaten in die Zivilgesellschaft zu
bewahren. Die Freiwilligen müssen sich nun einem Eignungstest
unterziehen, bevor sie ausgewählt werden. Nach Angaben von
Verteidigungsminister Sten Tolgfors werden keine Rekrutierungsprobleme
erwartet, da sich jährlich rund 40 000 junge Leute für eine militärische
Karriere interessieren, während der Bedarf bei nur 4000 Wehrpflichtigen lag.
Der Vorteil der neuen Berufsarmee liege darin, dass sie ihre
Ausbildungsressourcen auf Freiwillige, also interessierte Rekruten,
konzentrieren kann. Dafür entfällt die bisher notwendige Einteilung in
Wehrpflichtige, die ihren Dienst nur in Schweden ableisteten, und
Berufssoldaten, die auch für internationale Einsätze zur Verfügung
standen. Mit der neuen Struktur sind alle rund 50 000 Armeeangehörigen
verpflichtet, an Krisen- und Kriegseinsätzen im Ausland teilzunehmen.
Der Minister hob zugleich hervor, dass die neue Struktur nicht mehr
geschlechterspezifisch unterscheidet, sondern nur noch auf Eignung
ausgerichtet ist und eine Diskriminierung von Frauen damit nicht mehr
stattfindet.
Die Freiwilligen, die angenommen werden, durchlaufen eine dreimonatige
Grundausbildung und können nach beiderseitiger Bestätigung eine
laufbahnspezifische Ausbildung beginnen. Nach einer gewissen Dienstzeit
soll die militärische Ausbildung durch eine zivile ergänzt werden, die
die Berufssoldaten nach Auffassung des Ministers auch zu einer
interessanten Arbeitskraft im Zivilleben machen werde. Er forderte die
Städte und Gemeinden, in denen Kasernenkomplexe liegen, dazu auf, den
künftigen Berufssoldaten geeigneten Wohnraum, ihren Kindern Schulen und
Kindertagesstätten und Angehörigen Arbeitsmöglichkeiten anzubieten, um
Anreize zum Bleiben nach Ablauf der Dienstzeit zu geben.
Die Umstellung auf Berufssoldaten wird auch mit der technologischen
Entwicklung der Waffentechnik begründet. In der bisherigen elfmonatigen
Wehrpflicht, die ohnehin nur von einem Zehntel eines Jahrganges
abgeleistet wurde und damit keine Wehrgerechtigkeit bot, konnten die
Wehrpflichtigen nicht die effektive Bedienung komplizierter
Waffensysteme und ihr Zusammenspiel mit anderen Waffengattungen
erlernen, heißt es. Hervorgehoben durch die Fürsprecher wird ebenfalls,
dass sich die Einheiten nun aus mehreren Altersgruppen mit
unterschiedlichem familiären Hintergrund rekrutieren werden und ein
solcher Mix bessere professionelle Möglichkeiten eröffne als Verbände,
die ausschließlich aus 18-Jährigen bestehen.
* Aus: Neues Deutschland, 6. Juli 2010
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