Pink Panzer
Kriegsgegner in Schweden markierten als erste militärische Orte - mit Farbe
Von Jan Tölva *
Bei der Kampagne »War starts here« weisen Antimilitaristen darauf hin, wo in ihren Ländern Kriege geübt, vorbereitet, geplant werden. In der Bundesrepublik passiert das derzeit am Truppenübungsplatz der Bundeswehr in der Colbitz-Letzlinger Heide. Die Idee geht zurück auf die schwedische Gruppe Ofog.
Militarismus und Waffenproduktion dürften nur bei den Wenigsten die ersten Assoziationen sein, wenn von dem Nicht-NATO-Staat Schweden die Rede ist. Dennoch hat sich in dem skandinavischen Land in den letzten Jahren eine vergleichsweise große antimilitaristische Bewegung herausgebildet. Zentraler Akteur dieser Bewegung ist das Ofog-Netzwerk, das seit nunmehr zehn Jahren kontinuierlich zu antimilitaristischen Themen arbeitet.
Passend zu seinem Namen, der übersetzt »Unfug« bedeutet, aber auch »sich nicht fügen« meint, liegt das Hauptaugenmerk des Netzwerks weniger auf großen Worten, als viel mehr auf direkten Aktionen. »Einige schwedische Aktivisten waren 2002 in Großbritannien und haben dort an antimilitaristischen direkten Aktionen wie etwa Blockaden teilgenommen«, erzählt Kristina Johansson von »Ofog«. »Als die dann nach Hause kamen, wollten sie so etwas auch hier in Schweden aufziehen.«
Es dauerte jedoch noch eine ganze Weile, bis es dem neu gegründeten Ofog-Netzwerk gelang, nicht nur bei Aktionen im Ausland Präsenz zu zeigen, sondern auch daheim Akzente zu setzen. Spätestens ab 2008, als die Gruppe unter dem Motto »Avrusta!« (»Entwaffnen!«) eine Kampagne gegen den schwedischen Waffenexport initiierte, war sie jedoch auf der nationalen Bühne angekommen. Immerhin ist Schweden achtgrößter Waffenexporteur der Welt und die Produktion von Waffen und anderen militärisch genutzten Gütern stellt in dem Land einen nicht unwesentlichen Wirtschaftsfaktor dar. Auch die Beteiligung Schwedens an der Besetzung Afghanistans, wo derzeit 500 schwedische Soldaten stationiert sind, gibt immer wieder Anlass zu Kritik.
Momentan konzentriert sich die Arbeit des Netzwerks auf das militärische Testgelände »North European Aerospace Testrange« (kurz: NEAT) nahe der nordschwedischen Stadt Luleå. Rüstungskonzerne aus der ganzen Welt, auch aus Deutschland, können hier ihre Raketen testen - sieben Tage die Woche, ohne Grenzen, wie es in der Selbstdarstellung heißt. Dort fand im vergangenen Jahr das erste »War starts here«-Camp - ähnlich dem Camp, das in dieser Woche in der Altmark nahe Magdeburg für Unruhe sorgt - statt. »An der Kampagne sind Gruppen aus ganz Europa beteiligt«, erklärt Johansson, »es geht dabei darum zu zeigen, dass Krieg nichts ist, das irgendwo weit weg stattfindet, sondern direkt hier bei uns vor der eigenen Haustür.«
Um genau das aufzuzeigen hat die Gruppe eine Karte Schwedens erstellt, in der alle wichtigen Einrichtungen des militärischen Apparats wie Truppenübungsplätze und die zahlreichen Fabriken, in denen Waffen oder anderes militärisches Gerät produziert werden, eingezeichnet und pink markiert sind. Pink gehört zur Farbpalette für Bedrohungsszenarien des amerikanischen Verteidigungsministeriums Pentagon.
Die Aktivisten gehen in Sachen Markieren jedoch teilweise auch einen noch viel direkteren Weg. So wurden im vergangenen Jahr in Stockholm und im nordschwedischen Umeå mehrere Panzer im Schutze der Nacht mit pinker Farbe angemalt. Ähnliches spielte sich in kürzlich in Luleå ab, wo Militärflugzeuge von Friedensaktivisten mit pinken »Peacezeichen« verschönert wurden.
Da direkte Aktionen nicht selten mit Gesetzesübertretungen einhergehen, mussten sich Mitglieder des Netzwerks in der Vergangenheit immer wieder für ihr Tun vor Gericht verantworten. So wurden zwei von ihnen im Mai 2010 zu je vier Monaten Haft verurteilt, weil sie in einer Fabrik der Firma Saab Bofors Dynamics nahe Stockholm 14 Bazookas unbrauchbar gemacht hatten.
Derlei Repression war und ist jedoch offenbar nicht geeignet, Ofog von seinem Kampf gegen Militarismus und Waffenexporte abzuhalten. So wird es wahrscheinlich auch in Zukunft wieder Meldungen über pink angemalte Militärfahrzeuge geben - und das, wenn es nach Johansson geht, nicht nur in Schweden: »Wir freuen uns, dass es jetzt auch in Deutschland ein Camp gibt. Vielleicht ziehen ja auch bald Gruppen aus anderen Ländern nach!«
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 12. September 2012
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