Westliches Diktat
Saudi-Arabien und NATO schüren Konflikte in Syrien und Irak
Von Karin Leukefeld, Beirut *
Den Krieg in Syrien als »konfessionellen Krieg zwischen Sunniten und Schiiten« zu bezeichnen »ist ein großer Fehler«, sagte Hassan Nasrallah, der Generalsekretär der libanesischen Hisbollah Anfang November zum Ende des Aschura-Festes in Beirut. Das Fest erinnert an den Tod von Imam Hussein und wird weltweit von schiitischen Muslimen gefeiert. Hussein, ein Enkel des Propheten Mohammed, verlor sein Leben 680 christlicher Zeitrechnung in einer Schlacht bei Kerbala (Irak). Dabei ging es um die Nachfolge des Propheten, der Streit entzweit sunnitische und schiitische Muslime religiös bis heute. Hunderte von Jahren wurde der Zwist in innermuslimischen Religionsdebatten ausgetragen. Heute wird die Religion mehr denn je für politische Zwecke benutzt. Stellvertretend für die Interessen regionaler und internationaler Kontrahenten werden Religionsgemeinschaften gegeneinander gehetzt. Mahnende Stimmen gehen im medial angeheizten Kampfgetümmel meist unter.
Er sage »allen Schiiten in der Region, Sunniten sind nicht unsere Feinde«, so Nasrallah in seiner abschließenden Aschura-Botschaft. »Es gibt keinen Krieg zwischen uns und den Sunniten. Wir alle befinden uns in einem Krieg gegen extremistische Gruppen wie den ›Islamischen Staat im Irak und in Syrien‹.« Hisbollah kämpfe auch gegen Israel, »aber nicht gegen Sunniten«.
Die westlichen Interventionen in der Region hätten es in den letzten 100 Jahren geschafft, dass die Bevölkerung im Irak, Syrien und Libanon heute »mehr konfessionell eingestellt« sei als während des Ersten Weltkrieges, erläutert Sofia Sadeh im Gespräch mit junge Welt in Beirut. Die emeritierte Historikerin hat an der Libanesischen Universität in Beirut Geschichte des Mittleren Ostens gelehrt. Seit 100 Jahren mische sich der Westen in die Belange der arabischen Völker ein.
Marie Debs vom Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Libanons zeigte sich im jW-Gespräch ebenfalls skeptisch in bezug auf die Zukunft der Region. Im Libanon nähmen die Probleme zu und das Land sei politisch gelähmt. Nach Kämpfen im nordlibanesischen Grenzgebirge Qalamoun, im Bekaa-Tal und in der Hafenstadt Tripoli, hatte es am Wochenende Kämpfe an der südlichen Grenze auf dem von Israel besetzten Golan bei den Schebaa-Farmen gegeben. Medien berichteten, dass die Al-Nusra Front gegen die syrische Armee und Drusenmilizen gekämpft und viele Kämpfer verloren habe. Mindestens 26 Drusen seien ebenfalls getötet worden. Kämpfer der Al-Nusra-Front versuchten demnach, ihre Verletzten in den Libanon zu bringen, um sie dort in Krankenhäusern behandeln zu lassen. Die Libanesische Armee verweigerte der Gruppe jedoch den Grenzübertritt, was zu weiteren Kämpfen führte. Allerdings ließen die Libanesen Rettungswagen und einen Arzt zu den Verletzten passieren. Die Kämpfe, so Debs, würden von Saudi-Arabien, der Türkei und den NATO-Staaten angefacht, das vertiefe die innergesellschaftlichen Vorbehalte der verschiedenen Religionsgruppen im Libanon. »Christen im Nordlibanon haben in ihren Dörfern eigene Milizen aufgestellt, um sich jederzeit verteidigen zu können.«
Die Krise in der Region sei »sehr tief und nicht einfach zu lösen«, so Debs. Auf einer Konferenz des Arabischen Linken Forums, einem Zusammenschluss von linken und fortschrittlichen Parteien in der Region, habe eine Diskussion darüber begonnen, ob die Linke sich nicht bewaffnen müsse, um sich sowohl gegen die US-Intervention als auch gegen den »Islamischen Staat« verteidigen zu können, der nach Syrien und Irak auch im Libanon und in Jordanien vorrücken wolle.
* Aus: junge Welt, Dienstag, 11. November 2014
Karin Leukefeld
referiert beim 21. Friedenspolitischen Ratschlag am 6./7. Dezember in Kassel. Hier geht es
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