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Machtpoker am Golf

Saudi-Arabien, Bahrain und VAE werfen Katar Unterstützung der Muslimbrüder vor

Von Gerrit Hoekman *

Die Golfmonarchien Saudi-Arabien, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben am Mittwoch ihre Botschafter aus dem Nachbarland Katar abgezogen. Das teilte die Nachrichtenagentur Reuters mit. Die vier Staaten bilden gemeinsam mit Oman und Kuwait seit 1981 den Golfkooperationsrat. Basis des Gremiums ist die gegenseitige Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Mitglieder. Diesen Grundsatz verletze Katar. Die Deutsche Welle spricht von einem »erhitzten Treffen« des Rates am Dienstag abend in der saudischen Hauptstadt Riad.

Die drei Staaten werfen der Regierung in Katar vor, die radikalen Muslimbrüder in der arabischen Welt zu unterstützen – nicht nur in Syrien und Nord­afrika, sondern auch am Golf. In den vergangenen zwei Jahren haben etwa die Vereinigten Arabischen Emirate mehrfach angebliche Fundamentalisten verhaftet und abgeurteilt. Ihnen wurde vorgeworfen das Herrscherhaus stürzen zu wollen. »Die Emirate stellen sich gegen jede Form von islamischer Herrschaft und sie sperren jeden ein, der damit sympathisiert«, wetterte damals der einflußreiche ägyptische Islamgelehrte Jusuf Al-Qaradawi, der in Katar im Exil lebt. Katar ließ den Prediger gewähren, was in den Emiraten sauer aufstieß.

Zine Al Abidine Ben Ali in Tunesien, Muammar Al-Ghaddafi in Libyen und Hosni Mubarak in Ägypten – es ist ein offenes Geheimnis, daß Katar seit Beginn der Aufstände in der arabischen Welt kräftig am Sturz von Staatsoberhäuptern mitgewirkt hat. Das kleine Emirat am Persischen Golf, dessen Fläche nur halb so groß ist wie die von Hessen, ist beliebt bei islamischen Fundamentalisten. Denn aufgrund seiner Erdgas- und Ölvorkommen ist das Land, in dem 2022 die Fußballweltmeisterschaft stattfinden soll, wirtschaftlich und damit auch politisch ein Riese. Einen Teil der Erlöse pumpt der Alleinherrscher Emir Tamim Bin Hamad in fundamentalistische Bewegungen. Im Moment fließt zum Beispiel viel Geld an religiöse Rebellen in Syrien. Der ägyptische Präsident und Muslimbruder Mohammed Mursi erhielt bis zu seinem Sturz ebenfalls Hilfe aus Katar. Seine konservative Ideologie verbreitet das Emirat über den Fernsehsender Al-Dschasira. Während man dem mit ausländischen Journalisten bestückten englischen Kanal noch eine gewisse Neutralität nachsagen kann, unterstützt das arabische Programm vorbehaltlos die islamistischen Kräfte. Der Sender gilt inzwischen als Stimme der Muslimbrüder.

Katars Ziel: In so vielen arabischen Staaten wie möglich sollen dem Koran treue sunnitische Regierungen an die Macht. Der Emir hofft, so seinen Einfluß in der Region zu stärken und den der Saudis zu verringern. Vor allen Dingen aber will Katar die »schiitische Achse« Hisbollah-Damaskus-Teheran schwächen und unterstützt deshalb in Syrien die radikalislamistische Al-Nusra-Front. Ohne die üppige Unterstützung der Golfstaaten wäre die islamistische Front gegen die Regierung in Damaskus längst zusammengebrochen, da sind sich viele Nahostexperten einig. Auch Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate greifen den Aufständischen in Syrien nämlich finanziell unter die Arme. Allerdings fließt ihre Hilfe, so heißt es, in die Kasse der Freien Syrischen Armee (FSA), die zwar inzwischen auch stark religiös ausgerichtet ist, aber im Vergleich zur Al-Nusra-Front noch einigermaßen liberal erscheint. Eine ganze Reihe Saudis sollen in den Reihen der FSA kämpfen.

Offenbar wird den Herrschern in Riad und Dubai aber langsam mulmig angesichts der wilden Entschlossenheit der radikalen Kräfte in der Region. Die Sorge: Sobald die Fundamentalisten mit den weltlichen Machthabern fertig wären, könnten sie sich gegen die dekadente Herrscherfamilie in Saudi-Arabien wenden. Folgerichtig gehörten Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate zu den ersten, die das ägyptische Militär überschwänglich zu Mursis Sturz beglückwünschten.

* Aus: junge Welt, Freitag, 7. März 2014


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