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Klare Fronten in Riad

König Salman festigt seine Machtbasis und ernennt Hardliner zu Kronprinzen

Von Karin Leukefeld *

Saudi-Arabiens König Salman bin Abdulaziz will offenbar seine Machtbasis festigen. »Wir haben Ihre Bitte um Rücktritt erhalten, in der wir die Loyalität und wirkliche Brüderlichkeit spüren«, heißt es schwulstig in einem Schreiben, das der saudische Regimechef unter der Woche an seinen Halbbruder Prinz Muqrin bin Abdulaziz schickte. Der diente bisher als Kronprinz, ist aber nach mehr als einem halben Jahrhundert in der Staatsführung offensichtlich obsolet geworden. Inmitten regionaler Kriege und Turbulenzen, für die das Königreich wesentlich mitverantwortlich ist, hat Salman seinen Hof nun neu aufgestellt.

Prinz Muqrin war der letzte noch lebende direkte Sohn des Staatsgründers Abd Al-Aziz Ibn Saud. Noch nie war ein Kronprinz seines Amtes enthoben worden. Nun wurde er relativ offen verdrängt. Denn einen Tag vor seinem Schreiben an Muqrin hatte Salman bereits Prinz Mohammad bin Nayef, seinen Neffen, der auch Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident ist, zum Kronprinzen ernannt. Bin Nayef war viele Jahre lang Chef des saudischen Geheimdienstes. Zum zweiten Kronprinzen ernannte König Salman seinen eigenen Sohn, Prinz Mohammad bin Salman, der auch Verteidigungsminister ist.

Auch der saudische Außenminister Prinz Saud Al-Faisal erhielt einen Abschiedsbrief aus dem Königspalast. »Für die Nation haben Sie ihre Zeit und ihre Gesundheit geopfert«, heißt es in dem Schreiben. »Es ist uns schwer gefallen, Ihren Rücktritt zu akzeptieren.« Kein Außenminister der Welt hat jemals so lange sein Amt geführt wie Prinz Faisal, der die saudische Monarchie 40 Jahre lang vertreten hat. Erst im Januar 2015 war Faisal nach dem Tod von König Abdullah in seinem Amt bestätigt worden. Der neue oberste Diplomat Saudi-Arabiens ist nun Adel Al-Jubeir, der bisher Botschafter in Washington war. Damit sollen offenbar die US-amerikanisch-saudischen Beziehungen gefestigt werden. Mit einem weiteren königlichen Dekret verfügte König Salman zudem den Zusammenschluss des Königshofes mit dem des Kronprinzen, berichtete die saudische Nachrichtenagentur SPA.

Die umfassende Regierungsumbildung in Riad festigt den Einfluss von König Salman, der sich mit den Prinzen Muqrin und Faisal der alten Machtgarde seines Vorgängers und Vaters, König Abdullah, entledigt hat. Mit den Ernennungen seines 34jährigen Sohnes und Verteidigungsministers Mohammad zum Kronzprinzen und Al-Jubeirs, der nicht-königlicher Abstammung ist, zum Außenminister, öffnet der Monarch zudem der jungen Generation und einer aufstrebenden bürgerlichen Schicht die Türen zur Macht. Kronprinz bin Nayef gilt zudem als scharfer Gegner von islamistischen Militanten und Dschihadisten.

Die neuen Protagonisten im saudischen Königshaus gelten als Hardliner gegenüber dem Iran. Washingtons Kurs in Bezug auf Teheran hatte im saudischen Königshaus zuletzt große Irritationen ausgelöst. Riad hatte sich bisher – neben Israel – als unverzichtbarer Partner des Westens in der Region gesehen. Durch die bevorstehende Einigung der USA mit dem Iran über dessen Atomprogramm haben Washington und Riad sich jüngst voneinander entfernt. Riad ist offenbar bereit, den Iran dort, wo dieser seinen Einfluss trotz Jahrzehnte dauernder internationaler Sanktionen verstärkt hat, direkt oder indirekt durch bezahlte Söldnergruppen in kriegerische Auseinandersetzungen zu verwickeln.

Während sein Vorgänger, König Abdullah, trotz hohen Alters viel Energie auf Dialog mit den Nachbarstaaten, Vermittlung und die Modernisierung des Landes verwandte und versuchte, den Frauen sozial, wirtschaftlich und politisch mehr Rechte gegenüber der konservativen religiösen Elite zu verschaffen, sorgt König Salman wieder für klare Fronten. Die stellvertretende Ministerin für Bildung für Mädchen, Nora Al-Vayez, die seit 2009 im Amt war, wurde entlassen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 2. Mai 2015


Saudi-Arabien setzt Bombenkrieg fort

Zerstörungen auf wichtigstem Flughafen Jemens in Sanaa verhindern Lieferung von humanitären Hilfsgütern

Von Oliver Eberhardt, Abu Dhabi **


Die saudische Luftwaffe hat den Flughafen von Sanaa bombardiert; Iran habe versucht, Waffen an die Huthi-Milizen in Jemen zu liefern, heißt es zur Rechtfertigung. Ob die Vorwürfe stimmen, ist fraglich.

Es war eine der wenigen Hoffnungen für die Hilfsorganisationen gewesen: In Dschibuti hatten Frachtmaschinen voller Nahrungsmittel, Medikamente Zelte darauf gewartet, dass die Militärallianz Flüge nach Sanaa genehmigt. Doch stattdessen hoben Kampfflugzeuge ab, bombardierten den Flughafen der jemenischen Hauptstadt - und zerstörten damit eine der wenigen Verbindungen Nordjemens zur Außenwelt: Die saudische Grenze war für Hilfsorganisationen weitgehend geschlossen; seit Freitag ist sie ganz zu, nachdem Huthi-Kämpfer am Donnerstag auf saudisches Territorium eingedrungen waren und einen Militärposten angegriffen hatten. Im Hafen von Aden wird heftig gekämpft, die omanische Grenze ist weit entfernt. Im Inland erschweren Straßensperren und Kämpfe den Weg; Gruppierungen aus dem Umfeld von Al Qaida und Islamischem Staat haben Hilfskonvois geplündert. Von Sanaa aus hätte man zumindest den bevölkerungsreichen Nordteil des Landes einigermaßen versorgen können.

Iran habe versucht, über den dortigen Flughafen Waffen an die Huthi-Milizen zu liefern, begründet Saudi-Arabiens Verteidigungsministerium die Luftschläge. Das Flugzeug sei bereits im Landeanflug gewesen.

Doch daran gibt es erhebliche Zweifel: Die Maschine hätte entweder eine weite Strecke durch den jemenitischen Luftraum oder über eine Vielzahl an US-amerikanischen und saudischen Kriegsschiffen hinweg fliegen müssen.

Iran wie die Huthi selbst bestreiten die saudische Behauptung: »Die Regierung dort ist nicht so dumm, sich durch direkte Waffenlieferungen an den Pranger zu stellen«, sagt Ali al-Bukharati, Mitglied des Politkomitees der Ansar Allah (Unterstützer Gottes), wie die Organisation offiziell heißt: »Man hätte Geld schicken können, und wir hätten uns Waffen von afrikanischen Schmugglern beschafft.« Der Huthi-Experte Professor Ahmed Addaghaschi von der Universität Sanaa geht davon aus, dass es das von der Organisation praktizierte System der Zwangsbesteuerung in den von ihr kontrollierten Gebieten sei, über das sich die Organisation vor allem finanziert: »Mit Geld ist es so wie mit Waffen. Seit dem 11. September 2001 werden die Geldflüsse im Jemen streng kontrolliert.« Mehr als von Iran habe die Bewegung im Laufe der Zeit von den Strategien der Hisbollah in Libanon gelernt.

Die politische Nähe zu Iran bestreitet Huthi-Funktionär Bukharati indes nicht: »Wir teilen vor allem die außenpolitischen Positionen Irans. Aber wir wollen kein Regierungssystem, wie es dort herrscht.« Tatsächlich fordern die Huthi vor allem eine stärkere Repräsentation der einzelnen Bevölkerungsgruppen in den politischen Gremien. Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi, der 2011 an die Macht kam, hatte dies auch ursprünglich versprochen; die Gespräche dazu scheiterten allerdings.

Der Konflikt hatte bereits Jahre zuvor begonnen: Die ursprünglich als rein theologische Bewegung gegründete Organisation, die in den 90er Jahren Jugendliche im Zaidismus, einer schiitischen Richtung, unterrichtete, liefert sich bereits seit 2004 bewaffnete Auseinandersetzungen mit Regierungstruppen.

Teheran versprach schon 2014 kostenlose Öllieferungen und den Bau von Infrastruktur - Dinge, mit denen die Huthi auch bei sunnitischen Jemeniten punkten. Schon seit Langem wird im ärmsten Land der Arabischen Halbinsel kritisiert, dass die politische Nähe zu Saudi-Arabien sich nicht auszahle: Der Weg zu Jobs jenseits der Grenze blieb verschlossen; Öl muss zu Marktpreisen eingekauft werden. Doch mit ihrem Aufstieg zum Machtfaktor in Jemen sind die Huthi auch zum Spielball im Ringen um die regionale Führungsrolle geworden: Saudi-Arabien nutzt den Machtkampf in Jemen dazu, seinen Anspruch zu untermauern.

Und in Iran vergleichen konservative Politiker die Huthi mit der Hisbollah. Zwar war die Nähe zwischen beiden Organisationen schon da, bevor sich die Huthi Teheran zuwandten. Doch konservative Politiker stellen dies in diesen Tagen gern als Beweis für Irans Überlegenheit dar.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 2. Mai 2015


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