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König trifft Sultan

Saudi-Arabiens Herrscher Salman empfing am Montag den türkischen Präsidenten Erdoğan

Von Karin Leukefeld *

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist am Montag zu Gesprächen mit König Salman bin Abdulazid Al-Saud von Saudi-Arabien zusammengetroffen. Bereits am Samstag war Erdoğan in Dschidda eingetroffen, um die kleine Pilgerfahrt Umra auszuführen. Pressebilder zeigten den türkischen Präsidenten mit anderen Gläubigen in Mekka und Medina.

In Riad geben sich derzeit Herrscher verschiedener muslimischer Länder die Klinke in die Hand. Vor Erdoğan hatte der ägyptische Präsident Abdel Fattah Al-Sisi mit dem neuen König Salman gesprochen. Nach Erdoğan wird der pakistanische Ministerpräsident Nawaz Scharif am Königshof erwartet. Ihre Aufwartung hatten seit Mitte Februar die Emire aus Katar und Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten gemacht.

In der offiziellen Mitteilung der saudischen Nachrichtenagentur hieß es über die Gespräche zwischen Salman und Erdoğan, dass sich über »Angelegenheiten der bilateralen Zusammenarbeit in verschiedenen Gebieten« unterhalten wurde. Es sei um »Themen des allgemeinen Interesses« gegangen.

Erdoğan und die türkische AKP-Regierung unterstützen seit vier Jahren offen die Muslimbruderschaft. Diese hatte – nicht zuletzt mit Zustimmung aus Washington, Brüssel und Doha – infolge der Unruhen in der arabischen Welt deutlich an Macht hinzugewonnen. In Ägypten und Saudi-Arabien wird die Bruderschaft indes als Gefahr angesehen. Ägypten hat sie verboten und als »Terrororganisation« gelistet.

Mit dem Empfang Erdoğans will der saudische König offenbar den Führungsanspruch in der arabisch-islamischen Welt festigen. Riad suche die »Einheit der Sunniten« gegen den »Terror des Islamischen Staates (IS)« und gegen den Iran, interpretierte Nawaf Obaid von der US-amerikanischen Harvard-Universität den Besuch Erdoğans. Der neue König unternehme deutliche Anstrengungen, um die saudische Außenpolitik zu reaktivieren.

Saudi-Arabien ist nicht nur die stärkste Wirtschaftsmacht im Mittleren Osten; es gilt als größter Ölexporteur weltweit. Als »Hüter der Heiligen Stätten« in Mekka und Medina beansprucht das Königreich zudem die religiöse Führung in der muslimischen Welt. Die saudische Interpretation der Religion schließt allerdings Strömungen wie den schiitischen Islam aus, deren Vertreter als »Ungläubige« verfolgt werden.

Die Türkei wird als Partner des wahhabitischen Regimes in Riad gebraucht, erklärte Obaid. Nur so könne ein Umgang »mit dem Iran und dem IS« gefunden werden. Wie auch die anderen Staaten des Golfkooperationsrates gehört Saudi-Arabien zu der von den USA geformten Militärkoalition gegen die Dschihadistenmiliz.

Die Türkei ziert sich noch, der »Koalition der Willigen« in der neuen Variante beizutreten. Der Direktor des US-Inlandsgeheimdienstes, James R. Clapper, räumte Ende Februar ein, er glaube nicht, dass Ankara sich durch das von den USA finanzierte Ausbildungsprogramm für syrische Kämpfer genötigt sehe, sich in der Anti-IS-Koalition mehr zu engagieren. »Ich glaube, die Türkei hat andere Prioritäten und andere Interessen«, sagte Clapper vor dem US-Senat.

Washington und Ankara hatten am 19. Februar ein Abkommen unterzeichnet, um überprüfte syrische Kämpfer »auszubilden und auszurüsten«. Während die Vereinigten Staaten darauf bestehen, dass die Kombattanten gegen den IS kämpfen, heißt es in der Türkei, diese würden auch gegen die syrische Regierung eingesetzt werden.

Pentagon-Sprecher John Kirby sagte, Ziel des Programms sei es, die Rebellen in die Lage zu versetzen, »ihre Gemeinden zu verteidigen, ihre Nachbarn zu schützen und dann in die Offensive gegen den IS zu gehen«. Es gehe nicht um Syriens Präsident Baschar Al-Assad, erklärte Kirby weiter: »Daran hat sich nichts geändert. Es gibt keine Politik, die eine US-amerikanische Militärlösung gegen Assad« vorsehe.

Türkische Medien bezeichnen dies als Augenwischerei. Auf türkischer Seite wird das Ausbildungsprogramm vom Geheimdienst MIT beaufsichtigt. Dieser ist mindestens seit 2012 direkt in den Waffenschmuggel an Kampfverbände in Syrien involviert und dürfte sich kaum verpflichtet fühlen, Einschränkungen der USA einzuhalten.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 4. März 2015


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