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Entfremdung zwischen Saudi-Arabien und den USA

Bushs Irak-Krieg und Drohgebärden gegen Teheran bringen die Herrschenden in Riad auf Distanz zu Washington

Von Rainer Rupp *

Seit Jahrzehnten habe »Saudi Arabien mit seinem bei weitem wichtigsten Kunden, den USA, zusammengearbeitet, um den Ölmarkt stabil zu halten und gemeinsame politische Ziele durchzusetzen. Aber neue Kräfte, einschließlich eines schwachen Dollars und eines nach Öl dürstenden Asiens haben die Hebelwirkung der USA neutralisiert und das Verhältnis zwischen den beiden Ländern getrübt«, lamentierte jüngst die Los Angeles Times. Vor dem Hintergrund der Preisexplosion beim wichtigsten fossilen Rohstoff wird den US-Amerikanern schmerzhaft bewußt, daß das innige Verhältnis, das über ein halbes Jahrhundert die Beziehungen zwischen Washington und dem größten Staat auf der Arabischen Halbinsel prägte, Geschichte ist. Diese Beziehungen beruhten auf einem Deal, den das saudische Königshaus bereits in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts mit den USA vereinbart hatte (siehe Spalte) und der sich auf eine einfache Formel reduzieren läßt: Schutz gegen billiges Öl, das zudem von allen Käufern in Dollar bezahlt werden muß. Das führte weltweit zu einer ungeheuren Nachfrage nach dem US-Geld, begründete und sicherte dessen Rolle als Weltleitwährung maßgeblich.

Der arabische Ölstaat wurde zum »Swing producer«, der je nach US-Bedarf und Lage auf dem Weltmarkt seine Fördermenge variierte. Die erste Warnung, daß dies nicht immer so weitergehen würde, bekam Washington 1973, als Saudi-Arabien und die arabischen Golfstaaten aus Protest gegen die US-Unterstützung für Israel im Yom-Kippur-Krieg den Hahn zudrehten (erste Ölkrise). Gänzlich verdorben haben es sich die USA mit den Saudis aber erst mit ihrer Besatzungspolitik in Irak. Dort hatten sie die schiitischen Parteien zu ihren Regierungsmarionetten gemacht, und die Saudis befürchten nun, daß dies langfristig dem ebenfalls dieser Glaubensrichtung anhängenden Iran und dessen religiösen Führern in die Hände spielt.

Inzwischen haben die Saudis begonnen, ihre Sicherheitspolitik nicht länger ausschließlich an den USA zu orientieren. Seit dem 11.September 2001 war es ohnehin mit dem gegenseitigen Vertrauen vorbei. Der britische Guardian berichtete im Juli 2002, daß das saudische Königshaus nach und nach seine privaten »Ersparnisse« aus den USA abgezogen und in die Schweiz transferiert habe. Aus eidgenössischen Bankenkreisen verlautete später, daß es sich um fast 500 Milliarden US-Dollar gehandelt habe.

Während die US-Amerikaner die Saudis auf eine harte Gangart gegenüber dem Iran verpflichten wollen, ist Riad nicht an einem weiteren destabilisierenden Krieg in der Region interessiert. Am 19. Mai 2008 schrieb die saudische Zeitung Al Riyadh: »Der US-Präsident erteilt uns Lektionen in Demokratie und Menschenrechten, aber er ist der erste, der diese ethischen Forderungen bricht und Gewalt zur Erreichung seiner strategischen Ziele einsetzt, wie geschehen in Irak oder bei der Unterdrückung der Freiheit in Palästina«.

* Aus: junge Welt, 21. Juni 2008




Machtzentrale im Ölzeitalter: Der Staatskonzern Saudi Aramco

Bereits in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erwarb die Standard Oil of California erste Ölkonzessionen auf saudiarabischem Territorium. Zuvor waren es vor allem finanzschwache britische Gesellschaften, die sich seit dem 20ern im Wüstenkönigreich auf die Suche nach dem fossilen Rohstoff begeben hatten und allesamt aufgaben.

Standard Oil of California war eine der zahlreichen Gesellschaften, die aus dem 1911 zerschlagenen Monopolisten, der Standard Oil Company des John D. Rockefeller, hervorgegangen war und dank zügiger Aktienaufkäufe weiter unter Kontrolle des berüchtigten Industriellenclans stand. Sie begann im Gebiet Dhahran zu explorieren und nahm die Ölförderung als Californian-Arabian Standard Oil Company auf.

Das Geschäft versprach gigantisch zu werden. 1944 wurde aus der Californian-Arabian Standard Oil die Arabian-American Oil Company Aramco. In diese Gesellschaft traten als Anteilseigner zusätzlich die ebenfalls aus dem Rockefeller-Imperium hervorgegangenen US-Ölfirmen Standard Oil of New Jersey (Esso, später Exxon), Texas Oil (später Texaco) und Socony Vacuum (später Mobil Oil, verschmolz 1998 mit Exxon) ein.

Dank eines Deals mit dem Herrscher des rückständigen und dünnbesiedelten arabischen Feudalstaates, Abdul Aziz Ibn Saud, sicherten sich die US-Ölbarone die Ausbeutung der dortigen Felder. Diese sollten sich später als die größten und ertragreichsten der Welt erweisen.

Die Saudis sahen die US-Dominanz zunehmend als Problem. Nach dem Jom-Kippur-Krieg 1973 übernahmen sie zunächst 25 Prozent der Aramco. Bis zum Jahr 1980 ging die Ölgesellschaft dann vollständig in den Besitz des Staates über und wurde in Saudi Aramco umbenannt.

Saudi Aramco ist heute der größte Konzern der Welt. Das Staatsunternehmen fördert jährlich die gigantische Menge von mehr als 520 Millionen Tonnen Erdöl. 2005 setzte es 450 Milliarden US-Dollar um. Mit dem Ghawar-Ölfeld beutet Saudi Aramco zugleich das weltweit größte bekannte Einzelvorkommen aus. Gerüchten zufolge soll dieses Feld den Gipfel seiner Fördermenge (gemäß Peak-Oil-Theorie) bereits überschritten haben. (kf)

* Aus: junge Welt, 21. Juni 2008




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