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Ohne Führerschein, aber mit Stimmzettel

König Abdullah verfügte, dass Frauen ab 2015 in Saudi-Arabien wählen dürfen

Von Karin Leukefeld *

Frauen bekommen in Saudi-Arabien das Wahlrecht – frühestens ab 2015. Die Ankündigung von König Abdullah kommt zwar einer kleinen Sensation gleich. In anderen Lebensbereichen bleiben Frauen allerdings benachteiligt wie eh und je.

Der saudische König Abdullah (86) hat angeordnet, dass Frauen in Zukunft wählen und sich für die Parlamente auf lokaler Ebene auch zur Wahl stellen dürfen. Nach Rücksprache mit Geistlichen und Beratern sei er zu dem Schluss gekommen, Frauen in Zukunft nicht mehr von öffentlichen Ämtern auszuschließen, sofern diese dem islamischen Recht entsprächen.

Frauen können künftig auch in der Schura vertreten sein, dem Rat, vor dem der Monarch auch diese Anordnung verlas. Die Schura ist ein parlamentsähnliches, in der Hauptstadt Riad ansässiges beratendes Gremium mit derzeit 150 Abgeordneten, die vom König ernannt werden. Der Rat hat ein Komitee für Außenpolitik, eines für Energie und eines für Menschenrechte, der Sprecher des Gremiums kann dem König Gesetzesvorschläge unterbreiten. Das Wahlrecht für Frauen wurde von der Schura bereits vorgeschlagen.

Für die Kommunalwahlen am morgigen Donnerstag gilt die neue Verordnung jedoch noch nicht. Es sind erst die zweiten Gemeindewahlen in der Geschichte Saudi-Arabiens, zu denen 5000 männliche Kandidaten für die Hälfte der Sitze in 285 Lokalparlamenten antreten. Die andere Hälfte der Abgeordneten wird vom König ernannt.

Die saudische Gesellschaft ist die wohl konservativste in der arabischen Welt. Männer und Frauen sind in der Öffentlichkeit voneinander getrennt, Frauen dürfen nicht dort arbeiten, wo auch Männer arbeiten. Frauen dürfen ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht reisen und auch keine medizinischen Eingriffe vornehmen lassen. Sie dürfen nicht selber Auto fahren, sondern sind auf ihre männlichen Angehörigen oder Taxis angewiesen. Anfang des Jahres hatten Frauen zu einer Protestaktion aufgerufen: Sie fuhren allein Auto und ließen sich dabei filmen, um das Video anschließend zu veröffentlichen. US-Außenministerin Hillary Clinton hatte die Kampagne öffentlich unterstützt.

Die jüngste Entscheidung des Königs sei »historisch und sehr mutig«, freute sich die 32-jährige Manal al-Scharif, eine derjenigen, die mit ihrem Auto selber durch die Hauptstadt gefahren waren. Sie bezeichnete den König als »Reformisten«.

Mit Norah al-Fayez hatte König Abdullah erstmals 2009 eine Frau in seine Regierung berufen, als stellvertretende Bildungsministerin für Frauen. Im April hatte eine Frau gegen ihren Ausschluss von den Lokalwahlen in Mekka geklagt. Ebenfalls im April hatte eine Gruppe Frauen versucht, sich in Dschidda in das Wahlregister eintragen zu lassen – ohne Erfolg. Doch es ändere sich etwas in Saudi-Arabien, das sei ein gutes Zeichen, sagte die Soziologin und Politikwissenschaftlerin Fawzia Abu Khaled dem Sender »Al Dschasira«. Selbst konservative Kräfte sähen ein, dass neben der Stimme der Männer noch andere Stimmen zu berücksichtigen seien. Bis auf wenige Proteste, die umgehend niedergeschlagen wurden, hat der »Arabische Frühling« Saudi-Arabien bisher nicht erreicht.

* Aus: Neues Deutschland, 28. September 2011


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