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Entwicklungshilfe für EADS

Ausbildung saudi-arabischer Grenzschützer durch Bundespolizei wird ausgeweitet. Einsatz soll privates Rüstungsgeschäft flankieren

Von Frank Brendle *

Die Ausbildung saudi-arabischer Sicherheitskräfte durch deutsche Bundespolizisten an der Nordgrenze des arabischen Landes ist der Bundesregierung zufolge »weitestgehend abgeschlossen« – nun steht seine Ausweitung auf andere Teile des Landes bevor. Das soll weitere fünf Jahre dauern.

Auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Die Linke) teilte die Bundesregierung jetzt mit, daß bislang 3304 saudische Grenzschützer von den deutschen Polizisten ausgebildet wurden. Für 2885 Mannschaftsdienstgrade gab es zudem eine Ausbildung am Sturmgewehr G3. Die Bundesregierung beteuert, es habe sich nicht um nicht ein Schießtraining gehandelt, sondern lediglich darum, »das sichere Führen« der Waffe zu üben.

Die Saudis zahlen den deutschen Bundespolizisten zusätzlich zu ihren Dienstbezügen, die die Bundesrepublik Deutschland trägt, eine Tagesprämie von 150 Euro. Bislang kamen auf diese Weise 2,3 Millionen Euro zusammen. Doch nicht alle auslandsbedingten Mehrkosten des deutschen Einsatzes werden von Saudi-Arabien getragen: Für Fahrzeuge, Büromieten und dergleichen hat der deutsche Steuerzahler seit Beginn des Einsatzes Ende 2008 bis heute 996790,52 Euro bezahlt, obwohl der Einsatz vorrangig dazu dient, ein milliardenschweres Exportgeschäft des Rüstungskonzerns EADS abzusichern. Das Unternehmen installiert an den Grenzen des Landes ein Überwachungssystem, das in der Lage sein soll, 9000 Kilometer Grenze zu kontrollieren. Nach Angaben einer saudischen Partnerfirma setzt EADS dabei 2,3 Milliarden Dollar um. Die gleichen Grenzschützer, die von der Bundespolizei eine »operative« Ausbildung erhalten, werden von EADS an der neuen Technik geschult. Die saudische Regierung hatte den Zuschlag an EADS vom Einsatz der deutschen Polizei abhängig gemacht. Mit im Spiel ist auch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die eigentlich Entwicklungshilfe leisten soll. Sie verwaltet unter anderem das vom saudischen Innenministerium finanzierte Projektbudget, mietet Büros, kümmert sich um Visa-Angelegenheiten und vermittelt Dolmetscher.

Die Gewerkschaft der Polizei klagte schon voriges Jahr darüber, daß EADS den Einsatz praktisch leitet. Die jetzige Regierungsantwort beschreibt die enge Zusammenarbeit von Polizei und Konzern: Es werden gemeinsame Büros genutzt, die Ausbildungszeiten werden abgesprochen, es gibt regelmäßige Besprechungen zwischen dem Projektleiter der Bundespolizei und dem Geschäftsführer von EADS. Orts­termine bei saudischen Grenzposten werden logistisch und organisatorisch von EADS vorbereitet. Regelmäßig kommen Polizisten, EADS-Vertreter und Verantwortliche des saudischen Innenministeriums zusammen. Was sie genau besprechen, bleibt aber geheim: Es gebe keine Protokolle, und die Informationen könnten »nicht anderweitig rekonstruiert werden«, heißt es.

Einen Bericht des MDR-Magazins Fakt, das vor wenigen Wochen behauptete, die berüchtigte saudische Religionspolizei nehme an den Ausbildungsmaßnahmen teil, weist die Bundesregierung als unzutreffend zurück.

In der Nordregion stehen jetzt nur noch einige jeweils sechswöchige Kurse auf dem Plan, dann werden dort die Büros aufgegeben. Die Ausweitung auf andere Regionen werde derzeit »konzeptionell vorbereitet«, so die Bundesregierung, der konkrete Einsatzbeginn und Umfang – zuletzt waren es 20 deutsche Polizisten im Norden – stünden noch nicht fest, man gehe aber von einem Zeitraum von weiteren fünf Jahren aus. Jelpke kritisiert die Unterstützung der Sicherheitskräfte der feudalen Diktatur als »Affront gegen die arabische Demokratiebewegung« und fordert den Abzug der Bundespolizisten.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 24. Juli 2012


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