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Sambias neuer Präsident beklagt sein Erbe

Arbeiter streiken für größeren Anteil am Wirtschaftsaufschwung

Von Armin Osmanovic, Johannesburg *

In Sambia mehren sich Streiks und Proteste gegen Niedriglöhne und schlechte Arbeitsbedingungen. Der neue Staatschef macht die Vorgängerregierung dafür verantwortlich, die den Wirtschaftsaufschwung nicht allen zugutekommen ließ. Michael Sata, im September zum Präsidenten Sambias gewählt, hatte große Erwartungen geweckt. Er versprach, die Arbeits- und Lebensbedingungen rasch zu verbessern, und richtete markige Worte an chinesische und indische Investoren, die wegen niedriger Löhne und Nichtbeachtung der Arbeitsgesetze in der Kritik stehen. Satas Konkurrent und Amtsvorgänger Rupia Banda dagegen hatte darauf gesetzt, dass die Sambier die Fortschritte des Landes – wie hohes Wirtschaftswachstum, Infrastrukturausbau und eine Rekordernte – würdigen. Banda verlor die Wahl, denn bei der Mehrheit der Bevölkerung waren die Früchte des Wachstums nicht angekommen.

Insbesondere die wachsende Nachfrage nach Kupfer hatte zum Aufschwung beigetragen. Sambias Wirtschaft wird vom Kupferbergbau geprägt, das Metall macht 85 Prozent der Exporte aus. Als die Preise in den 80er und 90er Jahren fielen, hatten sich westliche Unternehmen zurückgezogen, doch China sprang ein und ist heute größter Investor in Sambia. Derzeit baut ein chinesisches Unternehmen ein Wasserkraftwerk, das zwei Milliarden US-Dollar kosten soll. China ist zugleich einer der wichtigsten Handelspartner Sambias; der Warenaustausch ist förmlich explodiert: Im Jahr 2000 betrug sein Wert 100 Millionen USDollar, 2010 waren es bereits 2,8 Milliarden.

Der Bergbauboom, der das Wirtschaftswachstum nach langen Jahren der Stagnation auf 7,6 Prozent (2010) anhob, hat eine kleine Mittelklasse anwachsen lassen. Im Schatten des wirtschaftlichen Erfolgs staute sich jedoch viel Ärger bei jenen auf, die nicht oder nicht ausreichend am Kuchen teilhaben. Dieser Groll macht nun auch dem neuen Präsidenten Sata und seiner Patriotischen Front zu schaffen.

Nur einen Monat nach den Wahlen wird vielerorts gestreikt. So sind in der Industriestadt Ndola 100 Arbeiter einer indischen Fabrik, die Plastiktüten und Kartonverpackungen produziert, in den Ausstand getreten. 50 US-Dollar pro Monat – deutlich weniger als der Mindestlohn von 84 Dollar – erhalten die Arbeiter nach eigenen Angaben. In einer nahe gelegenen Zementfabrik, die in chinesischen Händen ist, traten die Beschäftigten ebenfalls in den Streik. Hier fordern die Arbeiter 705 Dollar pro Monat. Betroffene Firmen geben sich überrascht. Natürlich halte man die Arbeitsgesetze ein, versicherte ein Manager der Zementfabrik. Auch erhielten die Arbeiter zusätzliche Leistungen wie Kranken- und Sterbeversicherungen.

Sambias Gewerkschaft (ZCTU) hat die Arbeitskämpfe nicht organisiert, es handelt sich demnach um »wilde« Streiks. Gewerkschaftschef Leonard Hikaumba ist jedoch besorgt angesichts der verbreiteten Unzufriedenheit und fordert die Regierung zum Handeln auf. »Die Streiks haben das Potenzial, unsere Wirtschaft zum Erliegen zu bringen«, äußerte sich Hikaumba gegenüber der Zeitung »Mail & Guardian«. Die Regierung verweist freilich auf ihre Vorgängerin. Arbeitsminister Fackson Shamenda glaubt, dass die Aktionen Ausdruck jahrelanger Unterdrückung der Arbeitnehmer sind. Er fordert die Unternehmen zur Beachtung der Gesetze auf. Zudem hat die Regierung angekündigt, den Mindestlohn rasch zu erhöhen.

* Aus: neues deutschland, 26. Oktober 2011


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