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Investoren und Ideen gesucht

Russlands Präsident Medwedjew in den USA

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Der russische Präsident Dmitri Medwedjew ist zu einem dreitägigen Besuch in den USA eingetroffen. Auftakt war ein Treffen mit dem kalifornischen Gouverneur Arnold Schwarzenegger in San Francisco, mit dem Medwedjew am Mittwoch dann die Hightech-Hochburg Silicon Valley besuchte, um Geld, aber auch Talente für das Projekt der Wissenschaftsstadt Skolkowo vor den Toren Moskaus zu gewinnen. Heute wird er im Weißen Haus mit USA-Präsident Barack Obama zusammenkommen.

Das Programm für den dreitägigen USA-Besuch von Präsident Dmitri Medwedjew ist vollgepackt bis zum Rand. Der Schwerpunkt, so hieß es in einer Pressemitteilung des Kremls vor der Abreise, liege dabei auf der Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenschaft, Innovation, Technologie und Handel. Erste Station war daher die Pazifik-Metropole San Francisco, wo sich Medwedjew und die ihn begleitenden Chefs russischer Spitzenunternehmen mit den dortigen Business-Eliten trafen. Darunter sind zahlreiche Exilrussen, wie die Mitbegründer der Internet-Suchmaschine Google. Gestern standen ein Besuch der renommierten Stanford-Universität, wo sich der Präsident mit Wissenschaftlern und Vertretern der Öffentlichkeit treffen wollte, und eine Visite im Silicon Valley auf dem Programm.

Für die Modernisierung und den Umbau der russischen Wirtschaft, die weg von Rohstoffexporten und hin zu Hochtechnologien kommen müsse, hatte Medwedjew sich schon im Wahlkampf stark gemacht. Vergangene Woche, beim Wirtschaftsforum in St. Peterburg, warb er vor Investoren aus aller Welt für Russland als Land, das künftig Menschen aus aller Herren Länder die Möglichkeit bieten werde, ihre Träume wahr zu machen.

Das Beispiel Skolkowo

Ein Vorgeschmack darauf ist derzeit gleich hinter dem Moskauer Autobahnring im Entstehen begriffen – das Hochtechnologiezentrum Skolkowo, wo vergangenen September schon eine elitäre Wirtschaftshochschule den Betrieb aufnahm, die als bisher einzige weltweit gezielt Top-Manager für die Arbeit in den sogenannten BRIC-Staaten ausbildet. Gemeint sind die am schnellsten wachsenden Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien und China. An dem Skolkowo-Projekt wollen sich sowohl die EU im Rahmen ihrer Modernisierungspartnerschaft mit Moskau als auch die USA beteiligen. Ein weiteres Treffen von Unternehmern beider Staaten findet am heutigen Donnerstag in Washington statt, in Anwesenheit von Medwedjew und Gastgeber Barack Obama.

Zuvor wird es ein langes Vier-Augen-Gespräch beider Präsidenten geben. Auf der Agenda stehen neben dem G8-Gipfel und dem Treffen der G20-Gruppe am Wochenende in Kanada Fragen der bilateralen Zusammenarbeit sowie die großen internationalen Probleme. Dazu werden beide Politiker den Bericht der von ihnen bei Obamas Moskau-Besuch im Juli vergangenen Jahres eingesetzten Kommission entgegennehmen, die den Neustart der Beziehungen in die Wege leiten soll und aus 16 Untergruppen besteht.

Dabei wird es auch um den Stand der Vorbereitungen für die Ratifizierung des am 8. April in Prag unterzeichneten neuen Vertrags zur Begrenzung strategischer Offensivwaffen gehen. Zwar dürfte es in der russischen Duma, wo die Regierungspartei »Einiges Russland« über eine satte Zweidrittelmehrheit verfügt, keine Probleme geben. Doch im Washingtoner Senat fehlen Obamas Demokraten derzeit acht Stimmen zur Bestätigung. Medwedjew muss daher bei seinen Konsultationen mit den US-amerikanischen Abgeordneten auch Überzeugungsarbeit leisten.

Relikt des Kalten Krieges

Auf der Agenda stehen daneben die großen Dauerbrenner der internationalen Politik: Irans Kernforschungsprogramm, die Situation im Nahen Osten und auf der koreanischen Halbinsel sowie Afghanistan. Dazu kommen der Kampf gegen gemeinsame Bedrohungen wie Terrorismus, Extremismus, Drogen und grenzüberschreitende Kriminalität

Auch um Russlands Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO wird es bei dem Gipfel ein weiteres Mal gehen. Bereits drei russische Präsidenten und deren Amtskollegen in den USA versuchten sich an der Beseitigung der letzten Hemmnisse dafür – bisher ähnlich glücklos wie bei der Abschaffung eines der letzten Relikte aus der Zeit des Kalten Krieges, der Jackson-Vannick-Klausel, die russischen Unternehmen nach wie vor den Zugang zum US-amerikanischen Markt erschwert.

* Aus: Neues Deutschland, 24. Juni 2010


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