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Diplomatisches Geplänkel

Trotz harscher Kritik an US-Politik gegenüber Moskau: Rußlands Regierung betont Interesse an Verbesserung der Beziehungen

Von Knut Mellenthin *

Trotz des »widersprüchlichen Verhaltens« der US-Regierung ist Rußland an der Entwicklung und Vertiefung der Beziehungen zwischen beiden Staaten interessiert. Das bekundete Juri Uschakow, außenpolitischer Berater von Präsident Wladimir Putin, am Montag. Anlaß war der Besuch des Nationalen Sicherheitsberaters von Präsident Barack Obama, Thomas Donilon, in Moskau.

Auf der einen Seite, sagte Uschakow, wolle die Obama-Administration »die Verbindungen zu uns auf vielen Gebieten aktiv weiterentwickeln, und das ist eine ganz positive Sache. Aber andererseits will sie für die bilaterale Zusammenarbeit nicht kämpfen und will sich nicht gegen einige Russophobe durchsetzen, die unsere Kooperation zu stören versuchen.«

Putins Berater spielte damit hauptsächlich auf die am Freitag vom Finanzministerium der USA veröffentlichte Liste mit den Namen von 18 Russen an, die nicht in die Vereinigten Staaten reisen dürfen und deren amerikanische Guthaben, falls denn solche bestünden, gesperrt werden sollen. Grundlage dieses Schritts ist das Magnitski-Gesetz, das im November/Dezember 2012 vom Kongreß beschlossen und am 14. Dezember von Obama unterzeichnet wurde. Rußland antwortete am Sonnabend, indem das Außenministerium die Namen von 18 US-Amerikanern bekanntmachte, gegen die analoge Maßnahmen gelten. Unter ihnen sind vier Personen, denen Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit dem Gefangenenlager Guantánamo und anderen Haft- und Folterpraktiken vorgeworfen werden.

Der Sprecher des russischen Außenministeriums, Alexander Lukaschewitsch, hatte die Veröffentlichung der Liste durch die US-Regierung als »unfreundlichen Akt« kritisiert, mit dem »den bilateralen Beziehungen und dem gegenseitigen Vertrauen ein schwerer Schlag versetzt« worden sei. »Der Krieg der Listen ist nicht unsere Entscheidung, aber wir konnten diese offene Erpressung nicht unbeantwortet lassen.« Die Begriffe Schlag und Schaden für die Beziehungen zwischen beiden Ländern benutzte auch Putins Pressesprecher Dmitri Peskow. Das Vorgehen Washingtons stehe im Widerspruch zur Tatsache, daß »die Weltlage und die Zahl regionaler Konflikte die Notwendigkeit einer Annäherung zwischen Rußland und den Vereinigten Staaten zeigt«.

Man weiß allerdings auch in Moskau, daß die Vorlage der Namensliste keine böswillige Entscheidung ­Obamas war, sondern daß das von beiden Häusern des Kongresses mit über 90prozentiger Mehrheit beschlossene Gesetz ihn eindeutig dazu verpflichtet – erstmals vier Monate nach Inkrafttreten. Die Frist wurde fast vollständig ausgeschöpft.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die harte Kritik Rußlands eher als Entlastungsversuch für die Obama-Regierung dar: Diese ist schweren Vorwürfen aus beiden Parteien ausgesetzt, daß 18 Namen viel zu wenig seien. »Ängstlich« nannte der demokratische Abgeordnete James McGovern die Liste. Er selbst hatte dem Weißen Haus ein Verzeichnis übergeben, in dem 280 Personen genannt waren. Der republikanische Senator John McCain sagte, er sei über die vorgelegte Aufstellung »tief enttäuscht«; sie sei sogar geradezu »schädlich«.

Donilons Besuch in Moskau hatte offenbar wesentlich die Funktion, einen Terminplan für die nächsten Treffen zwischen beiden Präsidenten zu besprechen. Putin hat, wie sein Berater Uschakow jetzt erneut hervorhob, »schon vor langer Zeit« eine Einladung an Obama zu einem offiziellen Besuch in Rußland ausgesprochen, und diese gelte immer noch. Der US-Präsident scheint es jedoch nicht eilig zu haben. Zunächst, so vertröstete sein Sicherheitsberater, werden sich die beiden im Juni am Rande des G-8-Gipfels im nordirischen Fermanagh »treffen«, was als Code für einen erweiterten Fototermin interpretiert werden kann. Zu einem richtigen Gespräch wird es wahrscheinlich erst im September während der Zusammenkunft der G-20-Führer in St. Petersburg kommen. Aber der von Putin erhoffte Staatsbesuch wäre das immer noch nicht.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 17. April 2013


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