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Und wieder wurde Putin Mann des Jahres

Die Zustimmungswerte des Präsidenten sinken, doch niemand kann es mit ihm aufnehmen

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Sogar das Lewada-Zentrum, das einzige unabhängige Meinungsforschungsinstitut Russlands, hat Wladimir Putin erneut zum Mann des Jahres gekürt. Ein Blick auf die Stimmungslage vor dem Jahreswechsel.

Putin schwächelt, aber er bleibt die Nummer eins: Für den zurückgekehrten Präsidenten haben bei repräsentativen Umfragen in 45 der 83 Regionen Russlands Mitte Dezember 28 Prozent gestimmt. 2008 waren es allerdings noch 44 Prozent. Danach ging es langsam aber kontinuierlich abwärts mit den Zustimmungsraten.

Federn lassen musste auch Regierungschef Dmitri Medwedjew. Mit ganzen acht Prozent trat er sogar den zweiten Platz der Rangliste an Verteidigungsminister Sergej Schoigu ab. Der gehört zu Putins Freundeskreis und war schon als oberster Katastrophenschützer der mit Abstand populärste Minister in Russland. USA-Präsident Barack Obama kam in der russischen Rangliste mit fünf Prozent auf Rang vier, von den Staatschefs der ehemaligen Sowjetrepubliken, nach denen ebenfalls gefragt wurde, schaffte es keiner unter die ersten Zehn.

Bei der Frage nach der Frau des Jahres machte die kürzlich verstorbene Operndiva Galina Wischnjewskaja das Rennen, gefolgt vom alternden Popstar Alla Pugatschowa und Valentina Matwijenko, Präsidentin des Föderationsrates. Kanzlerin Angela Merkel schaffte es auf Platz fünf, andere Ausländerinnen scheiterten mit weniger als jeweils einem Prozent schon im Vorlauf.

31 Prozent der Befragten glauben, das zu Ende gehende Jahr sei für Russland schwieriger gewesen als 2011, fast ebenso viele - 32 Prozent - gaben zu Protokoll, 2012 sei für ihre Familie schwieriger gewesen als das Vorjahr. 47 Prozent konnten in beiden Fällen keine Veränderungen feststellen. ebenso viele bezeichneten 2012 als erfolgreich für sie ganz persönlich. In Krisenzeiten sah das anders aus. Jahre wie 1988, als die Perestroika voll zuschlug, oder 1998, als Russland nach Banken- und Finanzcrash nur knapp am Staatsbankrott vorbeischrammte, nahmen 79 bzw. 82 Prozent im Vergleich zum Vorjahr als schwieriger wahr. Allerdings nur für Russland. Als schwerer für die eigene Familie wurden sie lediglich von 40 bzw. 48 Prozent eingestuft

Bei der Frage nach Emotionen, die sich in diesem Jahr bei ihnen verstärkt haben, machten 37 Prozent ihr Kreuz bei Müdigkeit und Gleichgültigkeit. Nur zehn Prozent sehen der Zukunft ohne Angst entgegen, an sich selbst glauben ganze 15 Prozent, an die Menschheit sieben. Diese Werte gehören zu den schlechtesten des letzten Jahrzehnts, am höchsten fielen sie 2008 aus, als Medwedjew sein vierjähriges Gastspiel im Kreml antrat. Obwohl sich damals die weltweite Finanzkrise auch in Russland schon bemerkbar machte.

Bei der Frage nach den wichtigsten Ereignissen des Jahres machen traditionell Schiffsuntergänge, Flugzeugabstürze und Naturkatastrophen das Rennen. So auch 2012. Bei. 30 Prozent hatten sich vor allem die Überschwemmungen in Südrussland eingeprägt, bei denen im Juli 170 Menschen starben und 12 000 obdachlos wurden. Jeweils 29 Prozent hielten die Präsidentenwahlen im März und die Erhöhung der Tarife für Wohnnebenkosten im Juli für wichtig. Auf Platz acht landete das Anti-Putin-Gebet der feministischen Punk-Gruppe Pussy Riot. Fußball-EM und Olympia in London rangierten weit vor Russlands Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO (Platz 11) und den Massenprotesten (Platz 14). Dafür interessierten sich ganze elf und acht Prozent.

* Aus: neues deutschland, Montag, 31. Dezember 2012


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