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Wenn die Pipeline leerbleibt

Russisch-iranischer Erdgas-Deal könnte Aus für Nabucco bedeuten

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Wer sichert sich den Zugriff auf die Erdgasvorkommen im Kaspischen Meer? Die EU könnte das Nachsehen haben.

Für Europa wäre es eine schlechte Nachricht, wenn es stimmt, was die gewöhnlich gut informierte Moskauer Wirtschaftszeitung »Kommersant« berichtet. Demzufolge haben Iran und Pakistan per Regierungsabkommen den Bau einer Gas-Pipeline besiegelt, an dem sich auch der russische Konzern Gazprom beteiligen will. Der staatsnahe Monopolist, der freie Gasmengen aus dem iranischen Süd-Pars-Vorkommen auf den indischen Subkontinent lenken will, käme dabei sowohl als Betreiber der Pipeline als auch als Bauauftragnehmer in Frage, sagte ein Konzernsprecher dem Blatt. Sobald aus Teheran ein konkretes Angebot komme, ließ sich inzwischen Vize-Energieminister Anatoli Janowski von der halbamtlichen Nachrichtenagentur »RIA Nowosti« zitieren, werde Moskau sich dem Projekt anschließen. Denn es sei für Russland »extrem vorteilhaft«.

In der Tat. Pläne für den Bau der Nabucco-Pipeline, die über 3300 Kilometer vom aserbaidschanischen Baku über die Türkei nach Österreich führen und Europa den Zugriff auf die Gasvorkommen im Kaspischen Meer unter Umgehung Russlands sichern soll, hätten sich damit wohl erledigt. Dabei hatte sich die EU erst Anfang Mai auf ihrem Sondergipfel »östliche Partnerschaft« in Prag von den Ex-Sowjetrepubliken im Südkaukasus, die dabei als Lieferanten und Transitländer fungieren sollen, ein weiteres Mal Unterstützung für das Vorhaben zusichern lassen.

Politisch aufgeladen wie die BTC – eine Pipeline, die seit 2006 Öl aus Aserbaidschan von Baku über Tiflis zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan pumpt und Russland dabei außen vor lässt – ist Nabucco unter rein wirtschaftlichen Aspekten ein ähnlich riskantes Unterfangen. Denn die Kosten belaufen sich nach gegenwärtigem Stand auf mindestens neun bis zehn Milliarden Euro. Und dürften, ähnlich wie bei der BTC, weiter eskalieren. Der Bau, der im kommenden Jahr beginnen soll, rechnet sich daher nur bei voller Auslastung: 31 Milliarden Kubikmeter pro Jahr.

Wo diese Menge herkommen soll, ist jedoch fraglich. Turkmenistan, Kasachstan und Usbekistan haben den Löwenanteil ihrer Förderungen mit langjährigen Verträgen an China und vor allem an Russland verkauft. Aserbaidschan hält sich eine ähnliche Option weiterhin offen und dürfte seine Entscheidung vor allem von den Entwicklungen im Konflikt um Berg-Karabach abhängig machen. Beim über zwanzigjährigen Gerangel um die zu Aserbaidschan gehörende, aber von Armeniern bewohnte Region stand Moskau bisher auf Seiten seines traditionellen Verbündeten Armenien.

Rentabel würde Nabucco daher nur durch Einspeisung von iranischem Gas. Das dürfte aber mit der Konkurrenzpipeline statt nach Westen Richtung Osten fließen, was für Moskau und Teheran gleichermaßen vorteilhaft wäre. Russland würde sich mit dem Iran-Deal definitiv die Kontrolle über die Gasvorkommen im gesamten Mittleren Osten und damit auch das Preisbildungsmonopol sichern. Denn Hauptabnehmer Indien, der bei anhaltendem Wachstumstempo 2025 jährlich etwa 145 Milliarden Kubikmeter Gas braucht, hat keine Alternativen. Iran aber könnte mit den Einnahmen und mit russischer Hilfe seine maroden Förderanlagen endlich auf Vordermann bringen. Die sind wegen des jahrzehntelangen US-Lieferembargos so verschlissen, dass gegenwärtig sogar für den Eigenbedarf Gas aus Turkmenistan importiert werden muss.

* Aus: Neues Deutschland, 2. Juni 2009


Putin berät in Helsinki über Nord-Stream-Projekt

MOSKAU, 02. Juni (RIA Novosti). Der russische Regierungschef Wladimir Putin reist am Mittwoch (3. Juni) zu einem Arbeitsbesuch nach Finnland, wo er Fragen der bilateralen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Energetik, der Hochtechnologien, der Holzverarbeitung und der grenzüberschreitenden Kooperation erörtern wird.

Wie RIA Novosti am Dienstag vom Pressedienst der Regierung erfuhr, wird sich Putin in Helsinki mit Staatspräsidentin Tarja Halonen treffen, mit Premier Matti Vanhanen verhandeln und an einer Rundtisch-Konferenz für russische und finnische Unternehmer teilnehmen.

„Bei den Verhandlungen werden auch praktische Fragen der Förderung des Projektes zum Bau der Gaspipeline Nord Stream behandelt, die der Energiesicherheit Europas dienen soll“, sagte der Gesprächspartner der Agentur.

Bei Nord Stream handelt es sich um eine prinzipiell neue Exportroute für russisches Gas nach Europa. Die Pipeline soll Russland und die Europäische Union durch die Ostsee verbinden und vom russischen Wyborg bis nach Greifswald verlaufen. Für den Bau von North Stream ist die Zustimmung von Russland, Finnland, Schweden, Dänemark und Deutschland notwendig, da deren Hoheitsgewässer von der Gasleitung durchquert werden sollen.

Mehrere Ostsee-Anrainer, darunter Estland und Schweden, setzen sich gegen das Vorhaben ein. Sie begründen ihre Position mit einer potentiellen Umweltgefahr durch die Gaspipeline.

Der Abstimmungsprozess soll Ende 2009 abgeschlossen werden. Der erste Strang der Gasleitung mit einer Kapazität von 27,5 Milliarden Kubikmeter soll im Jahr 2010 in Betrieb genommen werden.

Laut dem Pressedienst wird bei Putins Verhandlungen in Finnland auch die Zusammenarbeit in der Atomenergetik erörtert.

„Russische Unternehmen sind an einer Beteiligung an der Entwicklung der finnischen Atomenergetik interessiert - mit Blick auf die in den nächsten Jahren zu treffende Entscheidung der finnischen Regierung über den Bau eines neuen Atomenergieblocks.“

Neue Perspektiven würden sich auch für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Innovationen und Hochtechnologien, vor allem der Nanotechnologien, der Arktis-Technologien und ihrer praktischen Anwendung in Energetik, im Schiffbau sowie im Industrie- und Wohnungsbau, eröffnen, hieß es.

Im Besonderen sollen die Perspektiven der Zusammenarbeit beider Länder in der Forstwirtschaft erörtert werden.

** Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 2. Juni 2009; http://de.rian.ru


Neuer Gaskonflikt zwischen Russland und Ukraine entbrannt - Russlands Presse ***

MOSKAU, 01. Juni (RIA Novosti). Europa wird kaum imstande sein, der Ukraine Geld für die Bezahlung russischen Gases zu geben. Über dieses Thema schreiben russische Zeitungen am Montag (1. Juni).

Sie berufen sich dabei auf die entsprechende Äußerung von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso vom vergangenen Freitag. Russland aber hatte bereits zuvor seine Bereitschaft bekannt gegeben, dem Nachbarstaat 4,2 Milliarden Dollar nur gemeinsam mit den Europäern zu leihen.

Jetzt droht sich die Angelegenheit zu einem Gaskonflikt auszuwachsen.

Im April hatte Gazprom dem ukrainischen Versorger Naftogas einen Vorschuss für den Gastransit bis Ende 2010 gegeben; dieses Geld ist bereits ausgegeben worden.

Vor einer Woche besprach der russische Premier Wladimir Putin mit seiner ukrainischen Amtskollegin Julia Timoschenko Vorschusszahlungen für den Transit zwischen 2010 und 2014. Laut zwei Gazprom-Managern wurde jedoch beschlossen, darauf zu verzichten.

Gemäß einer Deklaration zwischen der Ukraine und EU vom 23. März soll Naftogas bereits 2010 nach Geschäftsfeldern aufgesplittet werden. Laut Gazprom können die neuen Strukturen den Verpflichtungen des früheren Kreditnehmers nicht nachkommen.

"Faktisch gab Barroso zu verstehen, dass der Gastransit ein russisches Problem sei und die EU nichts angehe. Ihm zufolge müsse Russland das Problem selbstständig lösen", stellt Wladimir Scharichin, Vize-Direktor des Instituts für GUS-Staaten (Moskau), fest.

Gemäß seinen Beobachtungen wollten die Beamten aus Brüssel "selbst die Gaslieferungen kontrollieren und so den Einfluss der westeuropäischen Unternehmen, die es kaufen, vermindern".

„Die Politik der EU-Beamten richtet sich nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen die Energieunternehmen aus Deutschland und Italien. Die Ukraine ist für EU nur ein Ort, die Verhältnisse zu klären."

Anatoli Dmitrijewski, Direktor des Instituts für Erdöl- und Erdgasprobleme (Moskau), dazu: "Die Europäische Union treibt ihre Politik von Dreifachstandards weiter: billiges Gas für sich selbst, teures Gas in Russland und dazu die Verhinderung des Preisanstiegs. Russland seinerseits muss die Idee umsetzen wie die Gaslieferungen in die Marktverhältnisse einzubauen seien."

Inzwischen wollen weder die EU noch Russland Zugeständnisse machen: Niemand beabsichtige, der Ukraine Geld zu geben. Die EU wünsche, die ganze Verantwortung für den Gastransit Russland aufzuerlegen, obwohl gemäß allen Charakteristika für das technische (für den Transit notwendige) Gas die Ukraine zu zahlen habe.

"Früher oder später wird Russland der Ukraine einen Kredit gewähren müssen", behauptet Scharichin. "Doch auf weite Sicht kann der Konflikt die Umstellung Russlands von den westlichen auf östliche Verbraucher beschleunigen."

Quellen: "Nowyje Iswestija", "Kommersant" vom 01.06.09.

*** Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 1. Juni 2009; http://de.rian.ru



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