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Marinemanöver: Russland sucht seinen Platz im Asien-Pazifik-Raum

Von Konstantin Bogdanow, RIA Novosti *

Russland baut seine militärpolitische Kooperation im Asiatisch-Pazifischen Raum aus. Nach der jüngsten russisch-chinesischen Marine-Übung folgt nun das Manöver RIMPAC-2012 (Rim oft the Pacific Exercise) der US-Seestreitkräfte, an dem Russland ebenfalls teilnimmt.

Sommerspiele auf hoher See

Das Manöver begann am 27. Juni und dauert bis zum 9. August. Seit bereits 40 Jahren findet es alle zwei Jahre statt. Russland gehört aber erstmals zu seinen Teilnehmern.

Bei der Übung kommen insgesamt 42 Schiffe (darunter der US-amerikanische Atom-Flugzeugträger „Nimitz“, vier Raketenkreuzer der Ticonderoga-Klasse und fünf Torpedobootzerstörer der Arleigh-Burke-Klasse), sechs U-Boote (darunter drei US-amerikanische Atom-U-Boote) und mehr als 200 Flugzeuge zum Einsatz.

An der Übung nehmen insgesamt 22 Länder teil. Russland ist mit dem großen Anti-U-Boot-Schiff „Admiral Pantelejew“, dem Rettungsschiff „Fotij Krylow“ und dem Tankschiff „Boris Butoma“ vertreten.

Ursprünglich gehörten zu den RIMPAC-Teilnehmern nur die USA, Großbritannien und ihre engsten Verbündeten (beim ersten Mal, im Jahr 1971, waren das nur Kanada, Australien und Neuseeland). Mit der Zeit wurde dieser Kreis durch mehrere asiatische und südamerikanische Länder erweitert, die in Washingtons Einflussraum gehörten.

Unter den regionalen Großmächten gehörten nur China und die Sowjetunion bzw. Russland nicht zu den Teilnehmern dieser Manöver. Aber mit der Zeit erhielten ihre (und indische) Vertreter die Möglichkeit, sie zu beobachten. In diesem Jahr begeht Russland sein Debüt als direkter Teilnehmer des RIMPAC-Manövers.

Chinesische Spur

Es ist nicht das erste internationale Manöver im Pazifik, an dem sich Russland beteiligt. Im April fand bereits die Übung „Maritimes Zusammenwirken 2012“ statt, an der große Schiffsverbände Russlands und Chinas teilnahmen.

Damals schickte Moskau den Raketenkreuzer „Warjag“ sowie die großen Anti-U-Boot-Schiffe „Admiral Winogradow“, „Admiral Schaposchnikow“ und „Admiral Pantelejew“ ins Gelbe Meer, denen sich die aus dem Golf von Aden gekommene „Admiral Tribuz“ sowie mehrere Versorgungsschiffe anschlossen. Im Grunde handelte es sich um die komplette russische Pazifikflotte. Die Chinesen waren an der Übung mit vier Torpedobootzerstörern (darunter zwei in der Sowjetunion gebaute Schiffe des Projektes 956), vier Fregatten und zwei U-Booten an der Übung beteiligt.

Es handelte sich um die größte russisch-chinesische Übung seit der „Friedensmission-2005“, dem ersten zweiseitigen Marinemanöver, an dem zwar weniger Schiffe (die „Admiral Schaposchnikow“ und der Zerstörer „Burnyj“), dafür aber auch die Luftlandekräfte, die Marineinfanterie und die strategischen Fliegerkräfte teilgenommen hatten.

Diesmal entschieden sich Peking und Moskau für eine „reine“ Marine-Übung, bei der jedoch viele Schiffe zum Einsatz kamen.

Planmäßige Markteroberung

Russlands Teilnahme an zwei großen Marine-Übungen ist die Folge eines konsequenten Kurses in der Region. Interessant ist in diesem Kontext, was Russlands Strategien im Osten und Westen gemeinsam haben und wo ihre Unterschiede liegen.

In der europäischen Richtung bemüht sich die russische Führung um möglichst günstige Bedingungen für die Wirtschaftsintegration mit der EU. Im Osten verhält sich Moskau mehr oder weniger ähnlich, aber im Unterschied zur Alten Welt, in der die Integration mit Deutschland nahezu natürlich ist, ist die Situation im Asiatisch-Pazifischen Raum ziemlich „bunt“.

„Das Meer ist für alle offen“, lautet ein altes Freihandelsprinzip. Russland geht bei seinem neuen Versuch, im Fernen Osten Fuß zu fassen, möglichst flexibel vor. Normalerweise verhält sich ein Land so, wenn es einen neuen Markt erobern will.

Russland ist offen für Kooperationen mit allen Kräften des Asiatisch-Pazifischen Raums. Die gemeinsamen Manöver mit China oder den USA zeugen davon. Moskau sieht keine prinzipiellen Unterschiede zwischen den beiden regionalen Großmächten. Den Vorrang haben seine Wirtschaftsinteressen.

Dieses Verhalten ist normal für den Schwächeren. Diese Rolle ist Russland im Asiatisch-Pazifischen Raum vorerst vorbehalten. Denn die europäische Strategie des Kreml, bei der es die stärksten Länder mit großem Handelsumsatz (darunter mit den Gaslieferungen) an sich bindet, funktioniert in Asien nicht: Das Prinzip des „offenen Meeres“ gilt auch für die Länder der Golfregion, die massenweise ihre Tanker in den Pazifik auf die Reise schicken.

Wegen der fehlenden wirtschaftlichen Vorteile muss sich Russland im Asiatisch-Pazifischen Raum mithilfe seiner militärischen Stärke mehr Gewicht verschaffen. Deswegen liegt Moskaus Augenmerk auf der Festigung der eigenen Grenzen (die übrigens Japan nach wie vor in Frage stellt, und China hatte bis zuletzt dasselbe getan) und auf der Suche nach neuen Formaten der militärpolitischen Kooperation in der Region.

Moskau laviert im Asiatisch-Pazifischen Raum vorsichtig zwischen den beiden Supermächten des 21. Jahrhunderts. In diesem Sinne könnte sein Verhalten auch als Modell in anderen Regionen der Welt dienen.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 27. Juni 2012; http://de.rian.ru


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