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Putins Forum gibt Gas

Kein Kartell nach OPEC-Vorbild: In Moskau beriet die Organisation wichtiger Förderstaaten über Preisbindung ans Öl und Vermarktungsstrategien des fossilen Brennstoffs *

Wladimir Putin hat es besonders betont: Das Forum gasexportierender Länder (GECF) habe nicht vor, ein Kartell nach dem Vorbild der Organisation der Erdölexporteure (OPEC) zu bilden. »Wir setzen uns nicht das Ziel, ein Kartell zu gründen oder Kartellabsprachen zu treffen. Das GECF ist eine Diskussionsplattform für Experten, um Informationen auszutauschen und einheitliche Vorgehensweisen auszuarbeiten«, definierte der russische Staatspräsident am Montag nach der ersten Runde des zweitägigen GECF-Gipfels in Moskau den Charakter des Zusammenschlusses. Anders als die OPEC lege das GECF keine Förderquoten fest, um die Preisbildung zu beeinflussen, betonte Putin. Er räumte allerdings ein, daß Mitglieder des Forums auf gegenseitige Absprache hin Projekte starten oder aussetzen könnten. Doch bislang sei das kein Thema für das GECF. Auch wolle Rußland an der international umstrittenen Preisbindung des Gases ans Erdöl festhalten.

Diese Bindung gilt als wichtiger Faktor bei der Erzielung von Extraprofiten zahlreicher Förderer der gasförmigen Kohlenwasserstoffe. Und genau hierbei versucht das GECF dann doch, wie ein Kartell aufzutreten. Putin rief die Mitgliedsländer in Moskau energisch dazu auf, sich gegen das sogenannte Dritte Energiepaket der EU zu vereinen, hieß es in der russischen Zeitung Wedomosti am Dienstag. In seiner Rede auf dem Gipfel wandte sich der Präsident gegen das Bestreben der EU-Kommission, die bereits geschlossenen Langzeitverträge zu revidieren, um Gas- und Ölpreis zu entkoppeln.

Allerdings ist das EU-Vorgehen weniger eine Demonstration der eigenen Stärke als vielmehr eine Reaktion auf die Preisentwicklung. Verträge sind das eine, die konkrete Marktsituation das andere. Vor allem die rasante Zunahme der Schiefergasförderung durch das sogenannte Fracking-Verfahren hat den Gasmarkt unter Druck gesetzt. Allerdings sind die etablierten Exporteure sehr an Preisstabilität interessiert – auf hohem Preisniveau, versteht sich. »Wir haben in die Infrastruktur investiert, den Pipelinetransport ausgebaut, Milliarden Dollar in diese Projekte auf Grundlage der damals geltenden Regeln gesteckt. Anschließend tritt das Dritte Energiepaket in Kraft, das sich auf alles auswirkt, was zuvor geschaffen worden ist«, beklagte sich Putin. Deshalb sei jetzt die Solidarität der Exporteure von allergrößter Bedeutung.

Die Teilnehmer des Forums – ihm gehören Algerien, Bolivien, Ägypten, Äquatorialguinea, Iran, Libyen, Nigeria, Oman, Katar, Rußland, Trinidad und Tobago, die Vereinigten Arabischen Emirate und Venezuela an. Norwegen, Irak, die Niederlande und Kasachstan besitzen Beobachterstatus – betonten ihre Entschlossenheit, ihre gemeinsamen Anstrengungen besser zu koordinieren und enger mit den Regulierungsbehörden der gasimportierenden Länder zusammenzuwirken. Auf die Teilnehmerländer des Forums entfallen deren Angaben zufolge 65 Prozent der nachgewiesenen weltweiten Erdgasvorräte und fast 50 Prozent des Ausfuhrvolumens.

Praktisch gesehen ist der Preisdruck schlecht für die Bilanzen der großen Gasexporteure. Diese wehren sich nun vehement. So versucht der Konzernriese Gasprom bereits seit einigen Jahren, die Abschaffung der Einschränkungen des Dritten Energiepakets für die Nord-Stream-Leitungen OPAL und NEL durchzusetzen. Der Staatskonzern soll seinem deutschen Partner RWE aufgrund niedriger Preise rund 1,5 Milliarden Euro zurückzahlen. In der vergangenen Woche hatte ein gemeinsam angerufenes Schiedsgericht in Wien festgelegt, daß die Verträge zwischen Gasprom und RWE für die Gaslieferungen nach Tschechien seit 2010 revidiert werden und dem Käufer ein Teil des Geldes zurückgezahlt werden müsse. Alberto Gandolfi, Analyst des Schweizer Bankkonzerns UBS sieht bei RWE einen Präzedenzfall, der die 40jährige Ära der Anbindung des Gaspreises an den Ölpreis beenden kann.

Dennoch setzen die GECF-Mitglieder weiter auf sich entwickelnde Märkte. So hat Boliviens Staatspräsident Evo Morales Rußlands größten Ölförderer Rosneft aufgerufen, neue Öl- und Gasreserven auf bolivianischem Territorium aufzuspüren. »Wir haben Rosneft eingeladen, mit der Erkundung (...) in unserem Land zu beginnen«, sagte Morales am Dienstag bei Verhandlungen mit Putin in Moskau. Sein Land sei an einer Zusammenarbeit mit dem Staatskonzern interessiert und beschließe neue Gesetze, um die Arbeitsbedingungen für Investoren zu verbessern.

Rußlands Präsident verwies seinerseits darauf, daß beide Staaten zu den größten Gasexporteuren der Welt gehören und daß Unternehmen seines Landes zunehmendes Interesse am Einstieg in den bolivianischen Energiemarkt zeigen. Rosneft hatte zuvor angekündigt, mit Bolivien eine Arbeitsgruppe für gemeinsame Energieprojekte zu bilden. (jW, dpa, Ria-Nowosti, Reuters)

* Aus: junge Welt, Freitag, 5. Juli 2013


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