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Gasgeschäfte unter Freunden

Russland und Libyen vertiefen ihre wirtschaftlichen Kontakte

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Seit gestern erschließen russische Konzerne libysche öl- und Gasfelder. Am gleichen Tag vereinbarten die Premiers beider Länder weitere gemeinsame Projekte in Moskau.

Obwohl die Öl- und Gaspreise auf dem Weltmarkt gestern erneut leicht nachgaben, konnten sich die Aktionäre der russischen Ölkonzerne Rosneft und Tatneft erneut über Zugewinne freuen. Der Grund: Beide Firmen begannen gestern mit der Erschließung von sechs libyschen Öl- und Gasfeldern und sollen an weiteren Gemeinschaftsunternehmen im Energiebereich beteiligt werden. So jedenfalls vereinbarten es gestern Premier Wladimir Putin und dessen libyscher Amtskollege Al-Bagdadi Ali al-Mahmudi bei dessen Besuch in der russischen Hauptstadt.

Ghaddafi lässt grüßen

Gazpromneft, die Öltochter des staatsnahen Monopolisten, hatte bei einem Tausch von Vermögenswerten mit der deutschen BASF schon 2007 einen Anteil von 49 Prozent an zwei libyschen Öl-Konzessionen übernommen. Ebenfalls gestern gaben auch die russischen Staatsbahnen bekannt, dass der Beginn der Bauarbeiten für die Strecke Sirt-Bengazi unmittelbar bevorsteht. Das Tempo ist rekordverdächtig: Das Abkommen mit einem Volumen von über 2,2 Milliarden US-Dollar hatten die Bahnchefs erst im April per Unterschrift perfekt gemacht. In Anwesenheit von Libyens Staatschef Muammar al-Ghaddafi und Wladimir Putin. Die damals von beiden unterzeichnete Deklaration zur Festigung der Freundschaft und Zusammenarbeit, so ein Regierungssprecher in Moskau noch vor Beginn der gestrigen Konsultationen, habe den Weg für die Entwicklung aktiver kontinuierlicher Beziehungen frei gemacht.

EU-Pläne stören Moskau

Priorität haben dabei Wirtschaftskooperation und militärisch-technische Zusammenarbeit. Diese, so zitierte die halbamtliche Nachrichtenagentur RIA nowosti einen hochrangigen russischen Beamten, werde Sicherheit und Stabilität in Afrika und im Mittelmeerraum verbessern. Beide Staaten hätten zu globalen Problemen weitgehend übereinstimmende oder ähnliche Standpunkte. Russland wie Libyen würden das Modell einer Welt mit mehreren Schwerkraftzentren favorisieren und sich für den Verzicht auf »einseitige Handlungen zur Lösung strittiger Probleme« einsetzen. Beide würden jedoch in strikter Übereinstimmung mit ihren internationalen Verpflichtungen handeln. Das gelte insbesondere für die Abrüstung und die Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen. Nach dem Ende der Sowjetunion hatten sich sowohl die politischen als auch die Wirtschaftskontakte Moskaus zu Libyen erheblich abgekühlt. Dass Putins letzte Auslandsreise als Präsident dem international nach wie vor umstrittenen Ghaddafi galt, erklären hiesige Beobachter vor allem mit den Bemühungen Moskaus, Pläne der Europäischen Union zu alternativen Lieferanten und Transportwegen für die benötigte Öl- und Gasversorgung unter Umgehung Russlands zu vereiteln.

Auch Algerien wird hofiert

Ähnlich aggressiv wie Libyen, das von Russland zu Jahresbeginn einen 355-Millionen-Dollar-Kredit für die Modernisierung der Infrastruktur im Energiebereich zu verdächtig günstigen Konditionen einsackte, hofieren Kreml und Regierung gegenwärtig auch Algerien. Bindende Zusagen ließen sich bisher weder Ghaddafi noch dessen Vize gestern in Moskau entlocken.

* Aus: Neues Deutschland, 31. Juli 2008


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