Kommunisten gründeten Sammlungsbewegung
"Narodnoje opoltschenije" soll für Nachschub an russischen Wählerstimmen sorgen
Von Irina Wolkowa, Moskau *
Es wird eng auf Russlands politischem Olymp. Premier Wladimir Putin gab bereits im Mai die
Gründung der Allrussischen Volksfront bekannt, die der Regierungspartei »Einiges Russland« bei
den bevorstehenden Wahlen von Parlament und Präsident zusätzliche Stimmen verschaffen soll. Am Wochenende zogen die Kommunisten mit »Narodnoje opoltschenije« nach.
Narodnoje opoltschenije bedeutet in etwa Volks-Selbstverteidigungskräfte und die spielten in der
russischen Geschichte mehrfach eine große Rolle. Vor allem Anfang des 17. Jahrhunderts, als das
Großfürstentum Moskau als Folge von Thron-Wirren unter litauisch-polnische Fremdherrschaft
geriet. Der Widerstand gegen die Okkupanten formierte sich zuerst in Nishni Nowgorod. Auch
deshalb, so KPRF-ZK-Sekretärin Walerija Raschkina, habe man die Millionenstadt an der Wolga für
den Gründungskongress der neuen linksnationalen Sammlungsbewegung gewählt.
Dazu kommt, dass die KP der Russischen Föderation in der Autobauer-Stadt, wo viele die Sowjetära
als beste Zeit ihres Lebens sehen, traditionell stark ist. Ebenso in der Region Altai und im
Nordkaukaus. Dort nahmen auch die ersten Basisorganisationen der Selbstverteidigung bereits ihre
Tätigkeit auf. Raschkina hofft, das Bündnis werde schon bei der ersten Bewährungsprobe einen
»überzeugenden Sieg« einfahren: Bei den Regional- und Kommunalwahlen Anfang Oktober, die
auch als Generalprobe für die zwei Monate später stattfindenden Parlamentswahlen gelten. Hier wie
dort wollen Bündnis und KP mit gemeinsamen Listen antreten. Das und die ähnlichen Namen trugen
dem Linksbündnis bereits Plagiatsvorwürfe von Putins Volksfront und den Einheitsrussen ein.
Stimmt nicht, hält Raschkina dagegen. Anders als die Volksfront sei das Linksbündnis als Bewegung
von unten entstanden und eine Antwort auf die Wirtschaftspolitik von Kreml und Regierung, die die
Werktätigen mit Rechten und Löhnen aus der Zeit vor Marx abspeise. 20 Jahre hätten die Massen
sich das gefallen lassen. Jetzt sei ihre Geduld am Ende. Man werde »mit geballter Kraft gegen
Putins volksfeindlichen Kurs« antreten. 1200 Organisationen mit insgesamt 3,5 Millionen Mitgliedern
seien bereits beigetreten. Die Massen hätten begriffen, dass sie nur vereint siegen können.
KP-Chef Gennadi Sjuganow stampfte vor Wahlen schon mehrfach linksnationale Bündnisse aus
dem Boden. Und verzichtete 2000 sogar auf eine eigene Kandidatur zugunsten von Nikolai
Charitonow, damals Chef der Agrarier-Partei. Das Projekt floppte. Potenzielle Bündnispartner
befürchteten, vereinnahmt zu werden, Stammwähler Verwässerung der reinen Lehre. Neue
Zielgruppen, vor allem junge Leute, ließen sich mit den Altkadern – und dazu gehört auch der an der
Basis sehr umstrittene »ewige« Parteichef Sjuganow – schon gar nicht fangen.
Dazu kommt, wie Alexej Makarkin, Vizedirektor des Zentrums für politische Technologien, zu
bedenken gibt. dass sich die Programmatik des Linksbündnisses kaum von der der KP
unterscheidet und Sjuganow den Feinschliff der Listen persönlich besorgt. Auch Putin, so der
Forscher, habe sich das letzte Wort bei der Auswahl der Frontkandidaten vorbehalten, die auf die
Listen von »Einiges Russland« gesetzt werden. Und deren Programm sei im Wesentlichen ebenfalls
deckungsgleich mit dem der Volksfront. Beide Bündnisse, glaubt Makarkin, könnten den
Mutterparteien daher kaum neue Wähler zuführen.
* Aus: Neues Deutschland, 19. Juli 2011
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