Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Neonazi will Bürgermeister in Kaliningrad werden

Dmitri Djomuschkin ist Führer der Bewegung "Russkije"

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Dmitri Djomuschkin, Neonazi und Führer der halblegalen Bewegung »Russkije« (Die Russen) will für das Amt des Bürgermeisters von Kaliningrad, dem ehemaligen Königsberg, kandidieren. Eine Initiativgruppe sammelt in Kaliningrad bereits Unterschriften zur Unterstützung der Bewerbung von Dmitri Djomuschkin für die Bürgermeisterwahl Mitte Oktober. Ihr gehören neben lokalen Nationalisten auch Demokraten und Regionalisten an, wie die Moskauer Nachrichtenagentur Interfax meldet.

Der 33-Jährige hatte 1999 die Slawische Union gegründet, eine Zusammenrottung Ultrarechter, die in ihrem Emblem ein stilisiertes Hakenkreuz führt, den Holocaust leugnet, auf ihrer Homepage Links zu den Werken Adolf Hitlers anbietet und die Vertreibung der Kaukasier - also Bürger Russlands - aus den Großstädten fordert. Djomuschkin gehört auch zu den Organisatoren des alljährlichen »Russischen Marsches«, bei dem Tausende Neonazis von der Polizei unbehelligt mit Hitlergruß und Nazisymbolik durch die Straßen Moskaus ziehen dürfen. 2001 war er Gründungsmitglied der verbotenen »Nationalen Staatspartei«.

Die Drachensaat politischer Lockerungen, zu denen sich Russlands damaliger Präsident Dmitri Medwedjew nach den Massenprotesten zu Jahresbeginn durchrang, gehe bereits auf, warnten Abgeordnete der Regierungspartei »Einiges Russland«. Gemeint sind Änderungen der Wahlgesetzgebung, die nicht im Parlament vertretenen Parteien erlauben, sich um das Amt des Verwaltungschefs einer Region - bisher faktisch vom Präsidenten ernannt - und um Bürgermeisterposten zu bewerben.

Wachsende Zustimmung für Ultranationalisten sei derzeit ein weltweiter Trend, glaubt Michail Remisow vom Institut für nationale Strategien. Weil ihnen entsprechende Erfahrung fehle, wollten viele sie jedoch nicht in Verwaltungsfunktionen, sondern lieber als Volkstribunen in den Regionalparlamenten sehen. Dass Nationalisten nicht mehrheitsfähig seien, glaubt auch Alexander Werchowski von Sowa (Eule), einer auf das Monitoring Rechtsextremer spezialisierten nichtstaatlichen Organisation.

Das ist womöglich ein verhängnisvoller Irrtum. Umfragen ergaben noch 2005, als die Stadt-Duma neu gewählt wurde, dass über 40 Prozent mit der nationalistischen Rodina-Partei von Dmitri Rogosin sympathisierten, Russlands späterem NATO-Botschafter und dem derzeitigem Beauftragten für Kaliningrad. Erst ein kaukasierfeindlicher TV-Spot führte damals zum Ausschluss seiner Partei von der Wahl.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 14. August 2012


Zurück zur Russland-Seite

Zur Seite "Rassismus, Neonazismus, Faschismus"

Zurück zur Homepage