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Putin sammelt wieder Punkte in der GUS

Kompromiss mit dem georgischen Präsidenten Saakaschwili / Machtkampf in der Ukraine

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Der informelle Gipfel der GUS-Staatschefs am Freitag (22. Februar) in Moskau war der letzte, den Wladimir Putin in seiner Eigenschaft als Präsident Russlands bestritt. Und er war ein Triumph, der die Liste der außenpolitischen Erfolge, die Moskau während seiner achtjährigen Amtszeit einfuhr, wirkungsvoll ergänzte.

Die Chefs der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten beschäftigten sich vor allem mit Energiepolitik und dem Kosovo-Problem. Dass der Westen die Unabhängigkeitserklärung der Kosovo-Albaner anerkennt, werten Russland und die Mehrheit der GUS-Staaten als Präzedenzfall für den Umgang mit den international nicht anerkannten abtrünnigen Gebieten auf dem Territorium der ehemaligen UdSSR: der Moldauischen Dnjestr-Republik, Südossetien, Abchasien und Berg-Karabach. Gegen alle vier hatte die GUS 1996 ein Embargo beschlossen, das jedoch oft umgangen wurde, nicht nur von Russland. Vor dem Hintergrund der Kosovo-Krise rang sich die GUS jetzt auch zu dessen offizieller Abschaffung durch.

Eine Erklärung zur Unterstützung ihres Strebens nach Unabhängigkeit kam jedoch nicht zustande. Der Grund dafür dürfte ein Kompromiss sein, auf den sich Wladimir Putin zuvor mit Georgiens Präsident Michail Saakaschwili geeinigt hatte. Geschwächt durch Verlauf und Ergebnis der vorgezogenen Präsidentenwahl im Januar und durch die knappe Mehrheit beim Referendum über Georgiens NATO-Beitritt, legt sich Saakaschwili seither für die Verbesserung des gestörten Verhältnisses zu Russland ins Zeug – und hatte Erfolg. Beide Politiker einigten sich im Prinzip über die Aufhebung des russischen Wirtschaftsembargos und die Wiederherstellung der seit Herbst 2006 unterbrochenen Verkehrsverbindungen zwischen ihren Staaten. Auch wird Georgien den Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation WTO nicht länger blockieren. Im Gegenzug will Russland seine Zollstation an der Grenze zu Südossetien »auf eine rechtliche Grundlage stellen, mit der auch Georgien leben kann«, wie sich ein russischer Diplomat gewunden ausdrückte. Demzufolge werden dort russische und georgische Zöllner gemeinsam Dienst tun. Für das geschundene Nationalgefühl der Georgier, deren Zentralregierung in dem ehemaligen autonomen Gebiet seit 1992 nichts mehr zu melden hat, ist das Balsam. Ebenso wie weitere Zusicherungen, die Saakaschwili von Putin erhalten haben soll: Russland weitet die Wirtschaftskooperation mit den Separatisten weiter aus, verzichtet aber auf deren Anerkennung.

Eine reale Wiederannäherung zwischen Moskau und Tbilissi könnte mittelfristig zur politischen Neuordnung im Südkaukasus führen: Aserbaidshan setzt auf gleichen Abstand zu Moskau und zu Washington, Armeniens neuer Präsident Sersh Sarkissjan lässt am strategischen Bündnis mit Russland nicht rütteln. Wechselt Georgien, bisher Washingtons einzige hundertprozentig loyale Stütze in der Region, jetzt die Fronten oder ringt sich wenigstens zu einer neutralen Außenpolitik durch, können die Bush-Krieger im Transkaukasus einpacken.

Und verhandelt Moskau weiter so geschickt mit Kiew wie bisher, gilt dies womöglich auch für die Ukraine. Mit Gelassenheit und heimlicher Genugtuung nahm man im Kreml zur Kenntnis, dass die ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko den Kompromiss im Gasstreit, den Putin und sein Kiewer Kollege Viktor Juschtschenko letzte Woche ausgehandelt hatten, am Donnerstag faktisch torpedierte. Mit ihrem Gezänk verschaffen Timoschenko und Juschtschenko Moskau erneut die Möglichkeit, zum Schiedsrichter im ukrainischen Machtkampf zu werden. Wen Russland bei den nächsten Wahlen unterstützt, das ist trotz Abneigung der Moskowiter gegen Donna Julia keineswegs ausgemacht. Denn sie vertritt eher die Interessen ostukrainischer Großindustrieller, die russischen Investitionen sehr viel aufgeschlossener gegenüber stehen als Juschtschenkos Hausmacht in der moskau-feindlichen Westukraine.

* Aus: Neues Deutschland, 23. Februar 2008

Weitere Meldungen

Abchasien und Südossetien wollen Anerkennung in der GUS durchsetzen - Russlands Presse

MOSKAU, 22. Februar (RIA Novosti). Die Staatschefs der GUS-Staate beraten auf dem Gipfeltreffen am Freitag (22. Februar) in Moskau hauptsächlich über die Folgen des Präzedenzfalls Kosovo für die Separatismuskonflikte in den Staaten Georgien, Moldawien und Aserbaidschan, berichten russische Zeitungen am Freitag.

Georgiens abtrünnige Republiken Abchasien und Südossetien planen, demnächst an die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten ein Anerkennungsgesuch zu richten.

Bislang haben sich klar gegen das Kosovo als neuen Staat bekannt: Aserbaidschan (ist in einen langwierigen Konflikt mit Armenien wegen Berg-Karabachs verwickelt), Georgien (versucht, die Kontrolle über Abchasien und Südossetien wiederherzustellen), Moldawien (kämpft für die Rückkehr Transnistriens in seine Grenzen), Tadschikistan und Weißrussland.

Kiews endgültige Haltung in der Kosovo-Frage ist bislang unklar. Der ukrainische Parlamentsvorsitzende Arseni Jazenjuk kündigte jedoch an, die Ukraine werde das Kosovo anerkennen.

In Abchasien und Südossetien wird die Meinung vertreten, dass ihre Unabhängigkeit bereits im laufenden Jahr anerkannt werden könne. Dass Suchumi und Zchinwal beabsichtigen, das Gesuch darum nicht nur an die UNO und die Europäische Union, sondern auch an die GUS zu richten, teilte der südossetische Präsident Eduard Kokoity der Zeitung "Nesawissimaja Gaseta" (Moskau) mit.

Die GUS steht somit erstmals in der Liste der internationalen Organisationen, denen die nicht anerkannten Republiken ihre Zukunft anvertrauen können. Dieser Umstand kann, wie eine Quelle im russischen Außenministerium berichtet, bei der Anerkennung von Abchasien und Südossetien eine wesentliche Rolle spielen. Die Erklärung über die Anerkennung zweier abtrünniger Republiken in der GUS könnte zum Beispiel aus Minsk oder aus Bischkek kommen, sagte der Gesprächspartner.

Gemäß einer Erklärung des Außenministeriums vom 15. Februar will Moskau die Anerkennung durch große finanzielle und humanitäre Hilfe an die mit russischen Bürgern besiedelten Enklaven ersetzen.

"Die größte Hilfe aus Russland sind die Renten", sagt Maxim Gwindschija, Vizeaußenminister von Abchasien. Insgesamt hat Russland im vergangenen Jahr in Form von Renten an die Bürger in Abchasien, von denen 80 Prozent einen russischen Pass haben, 590 Millionen Rubel ausgezahlt (1 Euro = 36,14 Rubel). Die russischen Investitionen in die dortige Wirtschaft werden mehr als 200 Millionen Dollar betragen, teilte im November der Pressedienst des abchasischen Präsidenten mit. In Südossetien haben die Russen einen Bevölkerungsanteil von 96 Prozent. Nach Transnistrien richtet die Russische Föderation 640 Millionen Rubel, erklärte im Dezember der Vorsitzende des dortigen Parlaments, Jewgeni Schewtschuk.

"Moskau versucht, Georgien auf wirtschaftlichem Wege vor Versuchen abzuhalten, diese nicht anerkannten Republiken unter Gewaltanwendung wieder anzuschließen", sagte der Politologe Alexander Skakow der Zeitung "Wedomosti". Russland will, dass Georgien Verträge über den Gewaltverzicht gegen Abchasien und Südossetien unterzeichne, doch Tiflis lehne das ab.

Quellen: "Nesawissimaja Gaseta", "Wedomosti" vom 22.02.08.

Putin: Russland schützt aus GUS-Ländern kommende Bürger gegen Fremdenhass

MOSKAU, 22. Februar (RIA Novosti). Die Bürger der GUS-Länder, die nach Russland kommen, müssen gegen Fremdenhass geschützt sein. Das sagte der russische Präsident Wladimir Putin in seiner Eröffnungsansprache beim informellen GUS-Gipfel am Freitag in Moskau.

„Wir alle sind uns voll bewusst, dass die Manifestationen von Nationalismus und Fremdenhass in direktem Zusammenhang damit stehen, wie die Behörden mit dem Problem der Migration fertig werden. Eben deshalb haben wir auf dem Gebiet der Wirtschaft und kleinerer Unternehmen eine Entscheidung getroffen und sind hierbei davon ausgegangen, dass die GUS-Bürger, die nach Russland kommen, geschützt werden müssen“, sagte der russische Staatschef.

Laut Putin werden die aus den GUS-Ländern kommenden Bürger oft mit Fremdenhass konfrontiert und Anschlägen auf ihr Leben ausgesetzt. „Wir bedauern das und wir tun alles nur Mögliche, damit die Verbrecher gefunden und bestraft werden. Wir werden tagtäglich und ständig dagegen kämpfen“, versicherte der russische Staatschef.

Putin: Russlands GUS-Politik wird unter Präsident Medwedew nicht geändert

MOSKAU, 22. Februar (RIA Novosti). Die russische Außenpolitik im GUS-Raum wird sich nicht ändern, wenn der Erste Vizepremier Dmitri Medwedew bei der Präsidentenwahl siegt. So äußerte sich der russische Präsident Wladimir Putin am Freitag auf einem informellen GUS-Gipfel in Moskau

"Eben deshalb bin ich der Meinung, dass es bei uns keine revolutionären Wandlungen geben darf und wird, weil Medwedew einer der Autoren der russischen Politik in dieser Richtung ist", sagte Putin.
Er bedankte sich bei den GUS-Staatschefs für die gemeinsame Arbeit im Laufe von acht Jahren.

* Alle Meldungen aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti; http://de.rian.ru




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